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Mehr Realität wagen!
Ein Unternehmen zu führen bedeutet auch, sich an bestimmte Regeln zu halten. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Vorschriften sorgen für Verlässlichkeit und Fairness auf einem komplexen Markt. Kosten sie aber wertvolle Zeit und Nerven, behindern sie das Geschäft. Auch wenn in der Coronakrise das ein oder andere schnell und effektiv funktioniert hat - zäher Bürokratismus ist längst nicht überwunden.
© iStock.com/TarikVision
Leisten könnten sie dies jedoch nur, wenn sie über ausreichend Flexibilität verfügten, so Edier. "Vorschriften müssen in gewissen Abständen auf ihre Zweckmäßigkeit geprüft werden. Sonst werden sie zur Belastung." Lange Entscheidungsprozesse etwa führen zu hohen Kosten und unnötigem Zeitaufwand: "Unnütz vergeudete Energie kostet Kraft, die im Betrieb benötigt wird, um effektiv arbeiten zu können."
Vorschriften könnten schnell eine Eigendynamik entwickeln. „Eine Regel zieht oft eine andere nach sich“, so Edier. So könne es passieren, dass Verwaltungen einen Regulierungswahn entwickelten, der an den Bedürfnissen und damit der Realität der Unternehmen vorbeigehe. Ein Beispiel sei die Datenschutzgrundverordnung. "Hier wollte man die ganz Großen zur Ordnung rufen und hat die kleinen und mittleren Betriebe unnötig belastet."
Eine neue Verwaltungskultur müsse angemessene Entscheidungsspielräume gewähren. Dafür brauche man auch die richtigen Personen an den richtigen Stellen, erklärt Edier. "Ein Schornsteinfeger kann kaum einem Bäcker vorschreiben, wie er sein Brot zu backen hat."
Unternehmen entlasten
Die take-e-way GmbH aus Hamburg ist ein Unternehmen der Buhck Gruppe mit Sitz in Wentorf. Die Firma hat den professionellen Umgang mit Bürokratie zu ihrem Geschäftsmodell gemacht und betreut 5.500 Unternehmen aus 37 Nationen mit Lösungen für Produktverantwortung und Compliance.
Christoph Brellinger, take-e-way GmbH
© Mareike Suhn
Hier müssten Unternehmen zunehmend auf spezialisierte Dienstleister zurückgreifen. Ein Beispiel findet sich im Online-Handel mit Elektrogeräten. Da komme schnell das Elektrogesetz ins Spiel, erklärt Brellinger. Es regelt das fachgerechte Recycling des Geräts auf Kosten des Inverkehrbringers. "Enthält das Gerät einen Akku, ist das Batteriegesetz schnell Thema. Wird es verpackt, muss der Unternehmer sich auch mit dem Verpackungsgesetz beschäftigen. Kann das Gerät Musikstücke abspielen, bewegt man sich schnell im Bereich des Urheberrechts."
Er könne die Liste beliebig weiterführen, sagt Brellinger. "Bürokratie wird allein durch ihre Masse schnell zum Problem." Im Online-Handel bewege man sich zudem auf internationalem Parkett. "Europäische Unternehmen stehen hier im Wettbewerb mit Unternehmen in Ländern, in denen die Anforderungen deutlich unkomplizierter sind." Was eigentlich Sicherheit bieten solle, werde so schnell zum Wettbewerbsnachteil, sagt Brellinger. Die take-e-way GmbH bietet ihren Kunden die Möglichkeit, diese Prozesse auszulagern. "So können unsere Kunden sich weiterhin auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und laufen nicht Gefahr, über rechtliche Fallstricke zu stolpern."
Schnelle Hilfe
Für viele Unternehmen ist Bürokratie eine ernst zu nehmende Belastung. Die Coronakrise zeigt jedoch an manchen Stellen, dass es auch mal ohne geht: Bo Teichmann, Geschäftsführer des Schlei Hotel in Kappeln an der Schlei, musste - wie viele andere Betriebe - Mitte März seinen Betrieb schließen.
Bo Teichmann, Schlei Hotel
© Thomsen's Motel/Maren Höft
Die Informationen zu Hilfen hätten sich in dieser Zeit überschlagen. "Jeden Tag hörte man irgendetwas anderes. Ich habe mich da am IHK-Newsletter orientiert und über die zur Verfügung gestellten Anträge Soforthilfe beantragt." Ein wenig erstaunt sei er schon gewesen, als dann nach 14 Tagen bereits das Geld auf dem Konto eingegangen sei, sagt Teichmann. "Auch das Beantragen des Kurzarbeitergeldes lief bei mir reibungslos. Die Arbeitsagentur hat mir hier super weitergeholfen und nach drei Wochen war die Sache durch."
Im Unternehmensalltag ärgere man sich schon das eine oder andere Mal über bürokratische Hürden. Die Kurtaxe sei ein Thema, das einen Mehraufwand bedeute, den man auch anders hätte lösen können. "Ich muss jeden Gast auseinanderrechnen, das erfordert eine zusätzliche Abrechnungsstelle. Dieser Aufwand wird mir nicht bezahlt."
Bürokratischer Aufwand müsse so schlank wie möglich gehalten werden. "Bei der Organisation der Hilfen ist das in vielen Bereichen gelungen", so Teichmann. Was die Zukunft anbelangt, bleibt der Unternehmer optimistisch: "Ich denke, wenn die Auflagen es wieder zulassen, wird es wenig Zurückhaltung bei den Touristen geben."
Ein gewisses Maß an Bürokratie ist unumgänglich für eine funktionierende Wirtschaft, darin sind sich die drei Unternehmer einig. Die Realität erfordert ausreichend Flexibilität bei Regulierungen und eine kontinuierliche Überprüfung bestehender Vorschriften. Bürokratismus lähmt Unternehmen und nimmt ihnen die Zeit für das eigentliche Geschäft. Die Ausnahmesituation hat gezeigt: Es geht auch anders.
René Koch
Veröffentlicht am 4. Juni 2020
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