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"Wie ein virtueller Mitarbeiter"
Sie kann in Unternehmen helfen, Prozesse zu automatisieren, ohne aufwendige Schnittstellen zu programmieren: Robotic Process Automation (RPA). Stefan Meyer, Bereichsleiter Finanzen der Stadtwerke Kiel AG, erklärt im Interview die Vorteile und Einsatzgebiete von RPA.
© iStock.com/Andrey Suslov
Mit RPA können nicht nur systeminterne, sondern auch systemübergreifende Prozesse automatisiert werden. Das RPA-System ist dabei wie ein virtueller Mitarbeiter. Es navigiert sich durch die einzelnen Systeme, wie es auch bei der Bearbeitung durch einen Menschen der Fall wäre.
Was unterscheidet RPA von herkömmlicher Prozessautomatisierung?
Prozessautomatisierungen sind in der Regel immer dann relativ einfach umzusetzen, wenn sie lediglich in einem System erfolgen. Sobald ein Prozess durch mehrere Systeme bedient wird, müssen Schnittstellen programmiert werden. Bei der Umsetzung von RPA-Lösungen werden solche programmierten Schnittstellen gar nicht benötigt. Zunächst sollte aber generell ein Blick auf eine mögliche Prozessoptimierung geworfen werden. Oft liegt hier der Schlüssel zum Erfolg. Anschließend kann der RPA-Einsatz bei systemübergreifenden Prozessen sinnvoll sein.
Wie wenden die Stadtwerke Kiel RPA an?
Im Bereich Finanzen setzen wir RPA zur Unterstützung in der täglichen Zahlungseingangsverarbeitung ein. In unserer Netzgesellschaft werden zur Abrechnung mehrere Systeme eingesetzt. Dies führt dazu, dass wir in der Zahlungseingangsverarbeitung drei Optionen analysiert haben: 1. komplett manuelle Bearbeitung (Status quo vor Umsetzung), 2. Programmierung einer Schnittstelle zwischen den Systemen, 3. RPA-Einsatz.
Wir haben uns für die RPA-Umsetzung entschieden. Seit mehr als einem Jahr haben wir diese Lösung im Einsatz und die Zahlungen werden seitdem zu 97 Prozent automatisch zugeordnet. Mittlerweile sind viele Prozesse hinzugekommen, die gerade analysiert werden oder sich bereits in der Umsetzung befinden. Wir werden RPA auch in weiteren Unternehmensbereichen einsetzen, etwa in der Personalabteilung, im Vertrieb, im Controlling und im Rechnungswesen.
Welche Vorteile erschließen sich dadurch?
Die Abarbeitungsgeschwindigkeit steigert sich: Wir konnten die tägliche Bearbeitungszeit von mehreren Stunden auf 30 Minuten reduzieren. Wir haben bei der Umsetzung von RPA gleichzeitig Know-how im Unternehmen aufgebaut. RPA-Anwendungen können daher ohne externe Unterstützung komplett umgesetzt werden. Kosten durch Schnittstellenprogrammierungen vermeiden wir somit.
Für welche Anwendungen ist RPA geeignet?
RPA ist zum Beispiel bei sich ständig wiederholenden Tätigkeiten oder klar definierbaren Aufgaben mit wenig Ausnahmen, die festen Regeln unterliegen, von Vorteil. Auch wenn die Aufgaben strukturiert und möglichst bereits digital vorliegen, kann man RPA einsetzen. Nicht geeignet sind Prozesse, die von diesen Kriterien abweichen. Allerdings muss es kein Ausschlusskriterium sein. Jede RPA-Umsetzung ist auch eine Einzelfallentscheidung. Wir haben ein Konzept für mögliche RPA-Umsetzungen entwickelt. Nach einem Erstgespräch zwischen Fachbereich und RPA-Koordinator werden Aufwand und Nutzen gegenübergestellt. So kann man schnell erkennen, ob eine Umsetzung zweckmäßig ist.
Interview: Nathalie Klüver
Veröffentlicht am 4. Juni 2020
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Benjamin Tietjen