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Lotsen im Zulassungsdschungel
Für die Hersteller von medizinischen Produkten wird die Zulassung ihrer Erzeugnisse künftig schwieriger. Ein neuer Studiengang in Lübeck bildet Experten aus, die sie durch die bürokratischen Prozesse begleiten.
"Einige Produkte wird es dann nicht mehr geben", glaubt Sascha Wettmarshausen, Leiter des Bereichs Regulatory Affairs im Branchenverband VDGH. Dieser vertritt Hersteller von In-vitro- Diagnostika wie Blutzuckermessgeräten für Diabetiker oder Labortests etwa zum Nachweis des Coronavirus SARS-CoV-2. Die Herstellung werde teurer, und "die Prozesse ändern sich in den Unternehmen, dafür müssten sie zusätzliche Fachkräfte einstellen. Diese sind kaum zu finden."
Bürokratie als Studiengang
Wenigstens dem Fachkräftemangel kann ein neuer Studiengang entgegenwirken: Seit 2018 können sich an der Technischen Hochschule Lübeck (THL) jährlich bis zu 25 Studierende zu Experten für Regulatory Affairs ausbilden lassen. Sie bereiten die Produkte auf Zulassungen vor und begleiten die Prozesse. In vier Semestern erlernen die Studierenden unter anderem Qualitätsmanagement und rechtliche Grundlagen und werden so zu Spezialisten für Zertifizierungsund Zulassungsprozesse auf Medizinproduktemärkten.
Der Masterstudiengang ist berufsbegleitend und flexibel, denn er findet online statt. "Das Thema Regulatory Affairs ist bei Studierenden und auch Arbeitgebern sehr gefragt", erzählt Dr. Folker Spitzenberger, Diplom- Chemiker und Professor an der THL, der den Studiengang gemeinsam mit Kollegen und regionalen Vertretern aus Industrie und Behörden ins Leben gerufen hat.
Seine Studierenden, etwa 15 sind es in jeder Kohorte, kämen aus den Bereichen Medizintechnik, Naturwissenschaften, Pharmazie oder IT, für einen kleineren Teil von ihnen ist das Masterstudium ein Quereinstieg in die Branche.
Die Absolventen hätten "beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt, vor allem nach Einführung der neuen EU-Regularien". In seiner Forschung beschäftigt sich Folker Spitzenberger damit, wo und wie Bürokratie sinnvoll eingesetzt werden kann.
So erarbeitet er beispielsweise regulatorische Konzepte für Medizinprodukte, die in bisher weniger regulierten Märkten wie etwa Nepal zugelassen werden sollen. "Hier geht es auch darum, Fälschungen vorzubeugen. Außerdem können wir Strategien entwickeln, auf welche Weise regulatorische Anforderungen möglichst effizient umgesetzt werden können, um einerseits Patienten zu schützen und andererseits Hersteller, aber auch Behörden nicht durch Regularien zu überlasten. Dazu wurde beispielsweise ein WHO-Leitfaden entwickelt, der aktuell vor der Veröffentlichung steht."
Ein solches Projekt könnte dazu beitragen, dass bürokratische Prozesse mittelfristig harmonisiert werden, sodass der Aufwand für die Hersteller von Produkten vielleicht sogar sinkt.
Friederike Grabitz
Veröffentlicht am 4. Juni 2020
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Benjamin Tietjen