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Mit Diversität punkten
Schleswig-Holstein steht vor einer großen Herausforderung. Dem Bundesland könnten bis zum Jahr 2035 mehr als 300.000 Fachkräfte fehlen. Unternehmen setzen heute auf verschiedene Strategien, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.
Janina Kononov ist nach ihrer Elternzeit zur Stadtwerke Lübeck Gruppe gewechselt und hat dort erfolgreich am Senior-Trainee-Programm teilgenommen. Heute arbeitet sie als Leiterin Sales und Marketing bei der Stadtwerke-Tochter TraveKom.
© Agentur 54°/Felix König
Um hochqualifizierte Fachkräfte zu finden und die Gleichstellung zu stärken, initiierte die Stadtwerke Lübeck Gruppe 2019 mit ihrem Senior-Trainee-Programm ein fast einzigartiges Projekt. Es ermöglicht branchenfremden Menschen nach einer Familienpause den Wiedereinstieg in hoch qualifizierte Tätigkeiten – und das in Teilzeit. Die Voraussetzungen für die Teilnahme: ein abgeschlossenes Studium oder eine gleichwertige, zertifizierte Berufsausbildung und eine mehrjährige qualifizierte Tätigkeit. Nach erfolgreichem Abschluss des zwölfmonatigen Programms, für das die Stadtwerke 2019 den „HR Excellence Award“ gewannen, wartet dann eine feste Stelle bei den Stadtwerken.
Die damalige Personalchefin hatte die Idee zum Programm und entwickelte es mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadtwerke Lübeck Gruppe, Jutta Kaltenbach. „Anfangs mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten und einige Vorurteile ausräumen“, erinnert sich Kaltenbach. Doch das hat sich schnell geändert: Heute sind die Senior Trainees sehr gefragt. „Das Programm ist Gold wert“, zitiert Jutta Kaltenbach die Geschäftsführung der Stadtwerke. Bis jetzt haben neun Frauen und ein Mann das Programm durchlaufen, der nächste Durchlauf ist für 2025 geplant. Janina Kononov ist eine der fertigen Absolventinnen des Programms. Sie arbeitet mittlerweile bei der Stadtwerke-Tochter TraveKom Projects GmbH & Co. KG als Leiterin Sales und Marketing und teilt sich die Stelle als Tandemposition mit einer Kollegin.
Janina Kononov, ehemalige Tourismuschefin des Ostseebads Grömitz und studierte Medienmanagement- und PR-Fachfrau, suchte nach der Elternzeit eine berufliche Veränderung. „Ich wollte eine neue Herausforderung und eine Position, die Frauen und Familien berücksichtigt“, erzählt sie. Zufällig entdeckte sie das Senior-Trainee- Programm in der Zeitung und bewarb sich auf eine der ausgeschriebenen Zielpositionen. Während des Programms lernte sie dann alle Bereiche und Prozesse des Konzerns kennen und wurde so optimal eingearbeitet. Ein großer Bonus sei das familienfreundliche Arbeitsumfeld mit flexiblen Arbeitszeiten und der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, meint Kononov. Für sie die perfekte Situation, um neben dem Muttersein in Teilzeit in einer Führungsposition zu arbeiten. „Früher habe ich Urlaub verkauft, jetzt verkaufe ich Digitalisierungsprodukte und -leistungen“, sagt sie.
Ich wollte eine neue Herausforderung und eine Position, die Frauen und Familien berücksichtigt.
Janina Kononov
Auch die Firma Nordischer Maschinenbau Rud. Baader GmbH + Co. KG investiert in die Weiterbildung der rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und entwickelt die Fach- und Führungskräfte aus den eigenen Reihen kontinuierlich weiter. So wie bei Svenja Thomsen. Die Lübeckerin hat vor zwölf Jahren ihre Berufsausbildung zur Mechatronikerin bei Baader erfolgreich abgeschlossen und arbeitet seit acht Jahren als technische Angestellte im Bereich Gebäudeinstandhaltung. Dann kam das Angebot, den neuartigen Digitalisierungsführerschein zu machen, der als Pilotprojekt bei Baader angeboten wurde. Bei dieser Weiterbildung lernten die Teilnehmenden, wie man Unternehmen und deren Beschäftigte beim Prozess des digitalen Wandels unterstützen kann. Die Qualifizierung machte Thomsen viel Spaß und gab ihr einen Schub, Neues zu wagen. Als ihr Produktionsleiter sie darauf ansprach, ob sie nicht ihren Industriemeister machen wolle, sagte sie kurz entschlossen zu. „Er meinte, er sehe mich mittelfristig durchaus in einer weiterführenden Verantwortung und ich solle mir mal einen Ruck geben“, sagt sie.
Ende 2022 startete Thomsen dann in die zweijährige Fortbildung zur Industriemeisterin Fachrichtung Mechatronik. „Die ersten Prüfungen habe ich hinter mir. Und wenn ich dann hoffentlich alles geschafft habe, stehen mir im Unternehmen weitere Türen offen“, sagt sie.
Jeden Freitagabend und samstags sowie zweimal im Monat dienstagabends besucht Thomsen nun die Meisterschule. „Nach einem langen Arbeitstag ist das manchmal schon viel verlangt“, meint sie. Trotzdem nimmt sie die Herausforderung gern an und ist froh über den Schubs in die richtige Richtung sowie die Bereitschaft des Unternehmens, auch in ihre Fortbildung zu investieren. „Ich habe lange damit geliebäugelt, mich aber irgendwie nicht getraut. Ich bin froh, dass die Firma mich da so unterstützt, und freue mich darauf, irgendwann die volle Verantwortung für Projekte zu übernehmen und sie von Anfang bis Ende eigenverantwortlich zu betreuen“, sagt Thomsen.
Majka Gerke
Januar 2024
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Benjamin Tietjen