Medieninformation vom 26. April 2024
IHK und AuToS-Netzwerk: Suche nach adäquatem Ersatz für „Ewigkeitschemikalien“ wird zur Herausforderung
PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen und umfassen rund 10.000 industriell hergestellte Stoffe, die Materialien besonders langlebig, temperaturbeständig oder wasserabweisend machen. Gleichzeitig stehen einige dieser „Ewigkeitschemikalien“ im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein. Einige EU-Mitgliedstaaten haben auf dieser Basis ein generelles Verbot aller PFAS ins Spiel gebracht.
Die IHK und ihr Automotive-Netzwerk AuToS beschäftigen sich bereits seit letztem Jahr mit diesem Regulierungsvorschlag. Nach aktuellem Stand sei zu erwarten, dass die Suche nach Ersatzstoffen zu einer großen Herausforderung wird.
Thomas Wolf, IHK-Geschäftsbereichsleiter Innovation und Technologie: „Die Mitgliedsunternehmen der IHK haben sich bereits im vergangenen Herbst klar zu dem Ziel bekannt, umweltschädliche und gesundheitsgefährdende Stoffe EU-weit zu regulieren. Ein pauschales Verbot der kompletten PFAS-Gruppe ohne eine Prüfung auf ihre tatsächliche Gefährdung lehnt die Wirtschaft dagegen ab.“ Um Versorgungsengpässe in Schlüsseltechnologien wie der Halbleiterproduktion, Elektromobilität, Umwelttechnologie oder Medizintechnik zu vermeiden, hatte sich die IHK-Vollversammlung in ihrem Positionspapier deshalb für einen risikobasierten Ansatz ausgesprochen.
Nun zeigt eine im Februar veröffentlichte, KI-basierte Untersuchung des baden-württembergischen Thinktanks „Industrielle Ressourcenstrategien“, dass es für rund 420 Materialien in naher Zukunft kaum adäquate Substitute bzw. Ersatzstoffe für PFAS-haltige Produkte geben könnte, ohne Kompromisse in Leistung und Sicherheit einzugehen. Unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz wurden dafür über 35.000 wissenschaftliche Dokumente und Open-Source-Publikationen weltweit analysiert.
In der Automobilindustrie spielen beispielsweise Fluorpolymer-Anwendungen eine wichtige Rolle. Die Stoffe werden in Dichtungen und Schläuchen im Motor und Antriebsstrang, in Bremsleitungen, Kühlsystemen und Kraftstoffleitungen, in Lithium-Ionen-Batterien, technischen Textilien, Elektronik-Komponenten oder als Schmier-, Trenn und Kältemittel eingesetzt. Die an der Analyse beteiligten Werkstoffexperten konnten allerdings keine geeigneten Alternativen oder nur Alternativen mit qualitativen Einbußen identifizieren.
Für die Industrie und Automobilzulieferer wird die Suche nach adäquatem Ersatz zu einer großen Herausforderung. Dr. Andreas Pusel, der bei Kendrion (Villingen) GmbH das Qualitätsmanagement verantwortet, sagt: „Schon heute verursacht der PFAS-Beschränkungsvorschlag der EU immensen Aufwand zur Abstimmung mit unseren Lieferanten und Kunden. Ein pauschales Verbot würde unsere Entwicklungsabteilung zwei Jahre in Vollzeit beschäftigen. Das ist für den Mittelstand kaum darstellbar.“ Rainer Berchtold, der bei der Marquardt-Gruppe den Bereich Material Compliance, Prozesse und Standardisierung leitet, erläutert die Dimensionen: „Bei Marquardt beschäftigt sich seit einem Jahr ein 15-köpfiges PFAS-Projektteam intensiv mit der geplanten Regulierung. Wenn wir für ein einziges Produkt mit rund 30 bis 40 Lieferanten sprechen müssen, bleiben kaum Ressourcen für Innovationen übrig. Gleichzeitig entstehen Kosten in Millionenhöhe.“
Mit einer Entscheidung, wie der EU-Regulierungsvorschlag im Detail aussehen wird, ist nicht vor September dieses Jahres zu rechnen. Die zuständigen Gremien der EU-Kommission prüfen derzeit mehrere tausend Stellungnahmen, die im Rahmen einer Konsultation im Herbst vergangenen Jahres eingereicht wurden. Das von der IHK initiierte AuToS-Netzwerk hat einen Arbeitskreis mit interessierten Unternehmen gegründet und veranstaltet am 5. Juli einen Runden Tisch mit Experten, um mögliche Auswirkungen zu analysieren und gemeinsam Lösungen auszuloten.
Interessierte und für PFAS zuständige Mitarbeiter aus der Automobilwirtschaft und aus verwandten Industrien können sich unter www.autos-sw-bw.de/veranstaltung/autos-roundtable-pfas kostenlos anmelden.