Nachfolge für IHK-Nachfolgelotsen geregelt


Wilhelm Gerlach übergibt ehrenamtliche Beratung an Edgar Schneider - Jertz: Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und von Know-how
(14.10.2020) Im September 2014 hatte bei der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen (IHK) der erste ehrenamtliche Nachfolgelotse in Rheinland-Pfalz seine Arbeit begonnen. Damit ergänzte die IHK ihr umfassendes Service-Angebot um eine weitere Facette bei der letzten unternehmerischen Entscheidung – der Betriebsübergabe an jüngere Unternehmerinnen oder Unternehmer. Nach sechs Jahren übergibt jetzt Wilhelm Gerlach die ehrenamtliche Aufgabe an das langjährige Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbandes, Edgar Schneider.
Für den Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen, Günter Jertz, ist die Generationenfolge in den Unternehmen nach wie vor eine Herausforderung. Im Zeitraum 2018 bis 2022 müssen in Rheinland-Pfalz rund 7.000 Unternehmen mit etwa 104.000 Beschäftigten übertragen werden, weil die Frauen oder Männer an der Unternehmensspitze die Altersgrenze erreichen. Mehr als 1.000 Betriebe stehen in Rheinhessen an.
Günter Jertz schildert: „In den kommenden Jahren erreichen die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter. Entsprechend steigt die Zahl der Unternehmer, die sich Gedanken um den Fortbestand ihres Lebenswerks machen müssen.“ Zugleich ziehen hochqualifizierte Fachkräfte lukrative Festanstellungen in den Metropolen einer Selbstständigkeit auf dem Land vor. Und auch der Nachwuchs tritt heute nicht automatisch in die Fußstapfen der Eltern: In der Lebensplanung der ,Generation Y` stehen Selbstverwirklichung, Freiheit, Balance von Familie und Beruf und die Suche nach sinnstiftender Tätigkeit häufig in einem Spannungsverhältnis zum erlebten Unternehmeralltag. Der IHK-Hauptgeschäftsführer sieht durch den schwindenden Unternehmernachwuchs viele Arbeits- und Ausbildungsplätze, aber auch Know-how in Gefahr: „Unser Standort wird geschwächt, wenn erfolgreich am Markt operierende Firmen nicht fortgeführt werden können.“
Erschwert wird die Suche nach geeigneten Nachfolgern aber auch durch die bisherigen Firmenchefs. Wilhelm Gerlach weiß aus mehr als 60 persönlich geführten Beratungsgesprächen um das emotionale Moment: „Übergeber hängen an ihrem Unternehmen, vielfach war das ihr Lebenswerk.“ Oft ging es für den langjährigen Vorstandsvorsitzenden einer rheinhessischen Bank in den Unterhaltungen um steuerliche Themen, die Verhandlung mit Banken oder vertragliche Regelungen. Doch Gerlach weiß um die größte Schwierigkeit für die Übergebenden: „Vom Verstand her wollen sie abgeben, vom Herzen aber nicht.“ Sein dringender Rat: „Die Nachfolge rechtzeitig angehen! Am besten schon im Alter von 55 Jahren. Und das Gespräch mit dem Lotsen erst dann führen, wenn die innerliche Bereitschaft zur Übergabe besteht.“
Mit Edgar Schneider (62) übernimmt nun eine Persönlichkeit die Lotsenfunktion, die ebenso wie Wilhelm Gerlach über große fachliche Kompetenz und menschliches Einfühlungsvermögen verfügt. Der gelernte Bankkaufmann studierte Betriebswirtschaftslehre, ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Nach beruflichen Stationen bei der Bezirkssparkasse im hessischen Grünberg und bei der Landeszentralbank Hessen wurde er nach einer Ausbildung zum Verbandsprüfer in den Vorstand des Genossenschaftsverbandes berufen.
Als Nachfolgelotse setzt Edgar Schneider auf bewährte, kostenfreie Instrumente der IHK-Nachfolgeberatung, möchte aber auch neue Impulse geben. Weiter empfohlen wird die nexxt-change-Börse, über die seit 2014 in Rheinhessen 94 Nachfolgen per Chiffre-Anzeige gesucht wurden. Auch Steuerberater- und Rechtanwaltssprechtage für Übernehmer bleiben im Portfolio. Nicht zuletzt aus Erfahrung mit den Einschränkungen der Corona-Krise möchte Edgar Schneider künftig auch virtuelle Veranstaltungsangebote aufnehmen. Er ist sicher: „Damit können wir die Chancen einer Unternehmensübernahme zeitgemäß an eine junge Gründerklientel herantragen.“