Bezahlbarer Wohnraum für Mainz: Prioritäten setzen und konsequent vorangehen

21. Juni 2024 – Schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – das ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Einerseits gilt es, Wohnraum für die Menschen zu schaffen, die jetzt schon händeringend nach einer bezahlbaren Wohnung in Mainz suchen. Zudem ist die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum auch ein zentrales Kriterium für die Attraktivität des dynamisch wachsenden Wirtschaftsstandorts Mainz, an dem in den kommenden Jahren allein in der Biotech-Branche tausende neue Fachkräfte ansiedeln sollen. Angesichts dieser Entwicklungen ist es ein Gebot der Stunde, den stagnierenden Wohnungsbau in Mainz kraftvoll voranzubringen – so IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz und Projektentwickler Tim Gemünden von der J. Molitor Immobilien GmbH.
Zur Bedeutung von bezahlbarem Wohnraum, insbesondere auch als Standortfaktor, stellt Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, klar:
„Der Fachkräftemangel ist zum Top-Risikofaktor für die Entwicklung von Unternehmen geworden. Vor diesem Hintergrund wird bezahlbarer Wohnraum immer stärker zum Standortfaktor für die Wirtschaft. Denn: Unternehmen brauchen Fachkräfte - und Fachkräfte brauchen Wohnraum. Hier gibt es dringend Handlungsbedarf: So sind unserem IHK-Fachkräftereport zufolge nur rund 20 Prozent der befragten Unternehmen mit der Verfügbarkeit von Wohnraum an ihrem Standort zufrieden. Lange Genehmigungsverfahren hemmen damit die gesamte Standortentwicklung - neben dem Abbau von Bürokratie ist es deshalb entscheidend, eine dienstleistungsorientierte und pragmatische Mentalität in kommunalen Verwaltungen zu etablieren: Unternehmen müssen zu Schlüsselkunden für die Verwaltungen werden.“
Wie bürokratische Hürden den Wohnungsbau hemmen und wie mehr Pragmatismus den Wohnungsbau voranbringen könnte, erklärt Projektentwickler Tim Gemünden, Geschäftsführer der J. Molitor Immobilien GmbH:

In die Höhe bauen: Jede Wohnung mehr zählt

„Es ist eine einfache Rechnung: Wenn man Wohngebäude höher baut, kann man auf gleicher Grundfläche mehr Wohnraum schaffen“, erklärt Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden beim Pressetermin im Wohnquartier „Am Rodelberg“ in der Mainzer Oberstadt, das aktuell durch die Aufnahme in die Auswahl zum Tag der Architektur 2024 gewürdigt wurde. 200 Wohnungen sind auf dem Mainzer Rodelberg entstanden, 25 % davon sozial gefördert. Gerne hätte Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden gemeinsam mit seinen Projektentwicklungspartnern buchstäblich noch eine Schippe draufgelegt und das mittlere Gebäude des insgesamt achtteiligen Wohnensembles höher gebaut: „Hier hätten ohne weiteres 20 Wohnungen mehr entstehen können.“ Dass die Stadt Mainz diese Planung für das mittlere Gebäude abgelehnt hat, kann Gemünden nicht nachvollziehen: „In Zeiten von Wohnraumknappheit zählt doch letztlich jede Wohnung mehr – noch dazu, wenn es dabei auch um sozial geförderten Wohnraum geht.“

Bürokratie abbauen

Baurechtsschaffungsprozesse ziehen sich seit Jahrzehnten immer mehr in die Länge, berichtet Gemünden: „Zeiträume von 7 – 10 Jahren sind keine Einzelfälle.“ Ein großes Hemmnis für die zügige Baurechtschaffung sei insbesondere die Vielzahl an immer neuen, von den Behörden geforderten Gutachten. Teilweise seien es um die 25 Gutachten (Lichtimmission, Schallschutz, Verkehr, Artenschutz, Baumgutachten, Entwässerung etc. – die Auflistung ließe sich auf 25 – 30 verschiedene Gutachten vervollständigen). Das Problem: Muss nach behördlicher Prüfung eines Gutachtens ein Aspekt der Bauplanung geändert werden, wirkt sich diese Änderung möglicherweise auf alle weiteren Gutachten aus, die entsprechend überarbeitet werden müssen.
In der Regel geht der Gutachten-Marathon dann wieder von vorne los. Doch nicht nur die Behörden, sondern auch Stadträte erschweren mitunter die Baurechtsschaffung. „Besonders schwierig wird es, wenn Stadträte Verordnungen und Satzungen beschließen, die sich inhaltlich widersprechen“, beklagt Tim Gemünden. Zusätzlich brisant: Die zeitlichen Verzögerungen in der Baurechtschaffung verlangsamen nicht nur die Bereitstellung von dringend benötigtem Wohnraum, sie verursachen auch erhebliche Kosten, die sich kostentreibend auf die späteren Mietpreise auswirken. Beim Projekt „Am Schützenhaus“ in Mainz Hartenberg-Münchfeld hat die Bürokratie bereits vor dem Baustart ohne jeden produktiven Mehrwert 13 % der Gesamtkosten für das Projekt verursacht, erklärt Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden. Zum Vergleich: Die Lohnkosten für die Rohbaufachkräfte schlagen dagegen gerade mal mit 2 % zu Buche.

Baulandmobilisierungsgesetz nutzen

Einen weiteren Hebel, um den Wohnungsbau kraftvoll voranzubringen, sieht Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden im 2021 erlassenen und zeitlich befristete Baulandmobilisierungsgesetz auf Basis des §31 (3) BauGB: „Dieses Gesetz ist eine Riesenchance für Städte wie Mainz, die mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu kämpfen haben. Das Gesetz ermöglicht eine vereinfachte Baurechtschaffung: Wo ein gültiger Bebauungsplan vorliegt, können die Kommunen pragmatisch mit möglichen Abweichungen umgehen. In Städten wie Hamburg konnten so innerhalb kurzer Zeit bereits über 1.000 Wohnungen im vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Auch die Stadt Mainz solle sich die Chancen, die das zeitlich befristete Baulandmobilisierungsgesetz bietet, zunutze machen, so Tim Gemünden und verweist erneut auf das Bauvorhaben „Am Schützenhaus“ in Mainz Hartenberg-Münchfeld: Dort hat die J. Molitor Immobilien GmbH gemeinsam mit Partnern im März den Bauantrag für ein Quartier mit 126 sozial geförderten Mietwohnungen eingereicht. Es geht um acht Wohngebäude mit einer moderaten Höhe von bis zu vier Vollgeschossen und Dachgeschossen. Doch anstatt das Baulandmobilisierungsgesetz für das Vorhaben zur Anwendung zu bringen, strebt die Verwaltung ein neues Bebauungsplanverfahren an. „Wenn es für die Stadt Mainz eine klare Priorität ist, rasch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, kann das nur eines bedeuten: Das Baulandmobilisierungsgesetz muss jetzt pragmatisch zur Anwendung gebracht werden“, unterstreicht Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden und nimmt Oberbürgermeister Nino Haase beim Wort: Der habe die zuständige Verwaltung beauftragt, bis spätestens März 2025 die Baugenehmigung für das Wohnquartier „Am Schützenhaus“ zu erteilen.

Wohnungsbau im vereinfachten Verfahren: Best practice „Hildegardis“-Quartier

Dass auch vereinfachte Verfahren zu einem schnellen, positiven Ergebnis führen können, hat sich in der Vergangenheit bereits am Bauvorhaben Hildegardis-Quartier gezeigt. Zwischen dem so genannten Werkstattverfahren im Januar 2018 und dem positiven Bescheid der Bauvoranfrage im Mai desselben Jahres vergingen gerade mal vier Monate. Innerhalb von 4 Jahren (inklusive Rückbau), konnten so 442 Wohnungen entstehen, 25 % davon sozial gefördert. Und das Ergebnis überzeugt: Gleich drei Gebäude des Hildegardis-Quartiers wurden 2023 in die Auswahl für den Tag der Architektur aufgenommen – darunter auch ein Gebäude mit einem Anteil an sozial geförderten Wohnungen. Für Tim Gemünden ist ein ergebnisoffenes Werkstattverfahren das zielführendste Format, um zügig Baurecht zu schaffen. „Anstatt einen jahrelangen Papierkrieg und Gutachtenmarathon zu starten, setzen sich beim Werkstattverfahren alle Beteiligten an einen Tisch“, so Gemünden und ergänzt: „Bei einem Baurechtsverfahren gilt es ja immer, unterschiedliche Belange unter einen Hut zu bekommen und miteinander abzuwägen. Aber gerade das geht im persönlichen, ergebnisoffenen Austausch am besten. Beim Hildegardis-Quartier haben wir mit so einem Format innerhalb von vier Stunden eine Einigung über die Grundzüge erzielt. Mit einem Bebauungsplanverfahren hätte es Jahre gedauert“.
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