Fast jeden Tag wird eine Investition in Rheinland-Pfalz zurückgestellt
22.05.2024 – In der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ist nach wie vor kein kräftiger Aufschwung in Sicht. Der IHK-Konjunkturklimaindex, das wirtschaftliche Stimmungsbarometer für die aktuelle Geschäftslage und Perspektiven der gewerblichen Wirtschaft, liegt nach der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz im Frühsommer 2024 bei 91 Punkten. Damit liegt der Index zwar geringfügig besser als zu Jahresbeginn (89 Punkte), aber nach wie vor unter dem Wert von 100 Punkten, ab dem von einer positiven Gesamtstimmung gesprochen werden kann. Das schlägt sich auch auf die Investitionspläne nieder: Eine Sonderauswertung der Industrie- und Handelskammern zeigt, dass knapp ein Drittel der Betriebe in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Monaten geplante Investitionen am Standort zurückgestellt haben - absolut gesehen wurde damit in den vergangenen zwölf Monaten fast täglich eine Investition aufgeschoben.
Lage bei drei Vierteln der Betriebe nur befriedigend oder schlecht – keine bessere Geschäftsentwicklung zu erwarten
Die aktuelle Geschäftslage der Unternehmen in Rheinland-Pfalz hat sich im Vergleich zur Vorumfrage nochmals leicht verschlechtert und liegt im Saldo – der Differenz aus positiven und negativen Antworten – erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wieder im negativen Bereich: nur 25 Prozent der Betriebe schätzen ihre Lage als gut ein, 27 Prozent als schlecht, und 48 Prozent beurteilen ihre Lage als weiterhin gleichbleibend.
Bei den Geschäftserwartungen der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate zeigt sich im bisherigen Jahresverlauf zwar eine Verbesserung, doch insgesamt bleiben auch die Perspektiven der Betriebe nach wie vor trübe: Mehr als die Hälfte der Unternehmen (57 Prozent) rechnen mit einer höchstens gleichbleibenden und 29 Prozent gar mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung. Nur 14 Prozent gehen von einer besseren Geschäftsentwicklung aus. Damit liegen die Geschäftserwartungen im Saldo bei -15 – einem Wert weiterhin klar im pessimistischen Bereich (Jahresbeginn: -21). Konjunkturell ist damit die Phase der Rezession erreicht, da sowohl der Lage- als auch der Erwartungssaldo im negativen Bereich liegen.
„Die wirtschaftliche Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft in Rheinland-Pfalz gibt nach wie vor Grund zur Sorge“, ordnet Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, ein. „Zwar sinkt die Anzahl der Unternehmen, die eine weitere Verschlechterung befürchten, doch das ist noch kein Grund zu breitem Optimismus. Vielmehr deuten die Umfrageergebnisse auf eine Stagnation auf schwachem Niveau statt auf eine wirkliche Trendwende hin.“
Inlandsabsatz als größtes Geschäftsrisiko, Aufträge in der Industrie erreichen Tiefstand
Ein Blick auf die Gründe für die Stimmungslage zeigt: 56 Prozent der Unternehmen geben den Inlandsabsatz als größtes Geschäftsrisiko für die kommenden zwölf Monate an. Besonders in der Industrie erreicht der Auftragsbestand den tiefsten Stand innerhalb der vergangenen sechs Jahre. Knapp dahinter im Ranking der größten Geschäftsrisiken folgen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, in denen 55 Prozent der Betriebe auch weiterhin ein Risikofaktor sehen, sowie der Fachkräftemangel, den ebenfalls 55 Prozent der Unternehmen angeben. Danach folgen die Energiepreise sowie die Arbeitskosten mit jeweils 49 Prozent.
Diese Gemengelage aus konjunkturellen und strukturellen Problemen hat Folgen: Einerseits sind die erwarteten Beschäftigungsabsichten und die Exporterwartungen der Industrie für die kommenden zwölf Monate weiterhin zurückhaltend. Andererseits gehen auch die Investitionsabsichten der Betriebe immer mehr zurück: Nur 26 Prozent der Unternehmen planen höhere Investitionen, während eine Mehrheit der Betriebe gleichbleibende (39 Prozent) oder geringere Investitionserwartungen (35 Prozent) haben. Knapp ein Drittel gibt zudem an, in den vergangenen zwölf Monaten geplante Investitionen am Standort zurückgestellt zu haben. Absolut gesehen wurde dabei in den vergangenen zwölf Monaten fast eine Investition pro Tag nicht getätigt.
„Die Investitionsschwäche ist Spiegelbild der Verunsicherung“, erläutert Rössel. „Das ist umso alarmierender, da die Unternehmen eigentlich durchaus gewillt sind, Impulse für die Zukunft zu setzen: 76 Prozent der Betriebe, die Investitionen zurückgestellt haben, geben an, dass sie diese unter anderen Bedingungen tätigen wollen würden.“
Politik muss Investitionsstau auflösen
Doch neben einer besseren Auftragsentwicklung und Ertragslage sowie niedrigeren Investitions- und Energiekosten wären dafür aus Sicht der Unternehmen weniger Regulierung, eine verlässlichere Wirtschaftspolitik sowie eine geringere Abgabenbelastung erforderlich. „Die Politik muss sich zum Ziel setzen, die der Wirtschaft innewohnenden Wachstumskräfte freizusetzen“, macht IHK-Hauptgeschäftsführer Rössel deutlich. „Dafür müssen Strukturdefizite behoben werden, aber auch die Vertrauensbasis im Miteinander von Politik und Wirtschaft muss neu geschaffen werden. Denn jüngste Entwicklungen wie bei den Grund- und Gewerbesteuern, die Mauterhöhung oder die Einführung europäischer Lieferkettensorgfaltspflichten verhindern Wachstumsimpulse für den ersehnten Aufschwung und Innovationen.“
Die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz lief von 3. bis 30. April 2024. Teilgenommen haben 1.220 Unternehmen aller Größen und Branchen mit insgesamt rund 189.000 Beschäftigten.