ÖPNV: Ticket-Tarife an neue Arbeitswelt anpassen
Wirtschaftskammern fordern Initiative für fachkräftefreundlichen Nahverkehr
26.08.2022 – Die Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden sollten die Chance nutzen, sich als Vorreiterregion für einheitliche und flexible Tarife im öffentlichen Nahverkehr zu positionieren – und damit auch ein starkes Zeichen im Wettbewerb um Unternehmen und Fachkräfte zu setzen. Das fordern die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern in Mainz und Wiesbaden. Mit Blick auf das Auslaufen des 9-Euro-Tickets Ende August und die Diskussion um die Abschaffung des ÖPNV-Tarif-Dschungels in Deutschland sollten die beiden Landeshauptstädte ihre geografische Nähe und die bisherige Zusammenarbeit ihrer Verkehrsverbünde als Basis nutzen, um einfache, flexible und digitale Angebote zu schnüren und die Tarifgebiete rechts und links des Rheins weiter in die Region auszudehnen.
Schließlich ist die Möglichkeit, sich einfach und schnell in einer Region zu bewegen, ein entscheidendes Kriterium für Fachkräfte, sich dort anzusiedeln, so die Wirtschaftskammern der beiden Landeshauptstädte. Eine gemeinsame Initiative sollte aus ihrer Sicht vier Kernthemen berücksichtigen: einheitliche ÖPNV-Tarife, eine Erweiterung der Tarif-Regionen sowie digitale und flexible Job-Ticket-Pakete für Unternehmen und ihre Beschäftigten, die berücksichtigen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch mobil arbeiten und nicht mehr zwingend fünf Tage pro Woche zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Damit einhergehen sollte ein Blick auf alle Verkehrsträger – samt Weiterentwicklung des ÖPNV, vor allem in den ländlichen Regionen.
Tarif-System vereinfachen – „Fachkräfte und Unternehmen denken nicht in Preiswaben“:Zu einheitlichen ÖPNV-Tarifen stellt Peter Hähner, Präsident der IHK für Rheinhessen, fest: „In unserer eng vernetzten Region und angesichts der vielen Pendlerinnen und Pendler rechts und links des Rheins sollten wir nicht bis zum Ende der bundesweiten Diskussion um einheitliche ÖPNV-Tarife warten, sondern jetzt die Initiative ergreifen. Job-Tickets dürfen nicht länger daran scheitern, dass Betriebe angesichts der vielen unterschiedlichen Tarifzonen kapitulieren. Fachkräfte und Unternehmen denken nicht in Preiswaben.“
Tarif-Region erweitern – „Werbung, um Pendlerinnen und Pendler zu gewinnen“:Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, ergänzt: „Unsere gesamte Region sollte eine Vorreiterrolle im öffentlichen Nahverkehr übernehmen. Komplizierte Strukturen mit Waben, Tarifen und Bediengebieten entsprechen ganz und gar nicht mehr den Anforderungen an die Alltagsmobilität des ÖPNV – erweiterte Tarifregionen links und rechts des Rheins wären dagegen eine echte Werbung, um Pendlerinnen und Pendler zu gewinnen.“
Job-Tickets digital und flexibel anbieten – „ÖPNV muss digitaler werden“:Mit Blick auf die neue Arbeitswelt sagt Dr. Christian Gastl, Präsident der IHK Wiesbaden: „Zu einem leistungsfähigen und attraktiven ÖPNV gehört es heute auch, die digitale Welt in allen Facetten mitzudenken. Dafür braucht es einfache, nutzerfreundliche und multimodale Apps, die auch verschiedene Verkehrsträger miteinander verbinden. Gerade im Bereich der Jobtickets sind neben digitaleren vor allem flexiblere Angebote gefragt, die Unternehmen und Fachkräften maßgeschneiderte Lösungen bieten.“
ÖPNV mit Blick auf alle Verkehrsträger weiterentwickeln – „Schnittstellen nach Bedarf gestalten“:Für die Wirtschaftskammern macht Stefan Füll, Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, deutlich: „Viele Berufstätige sind in unserer Region auf die kombinierte Nutzung von Verkehrsträgern angewiesen. Die Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern müssen bedarfsgerecht gestaltet werden. Zuverlässig funktionierende Umstiege bei geringem Zeitaufwand und komfortabel nutzbare Fahrradabstellplätze mit hohem Sicherheitsniveau sind hier ebenso notwendig wie ausreichend naheliegende Park & Ride Parkplätze mit Lademöglichkeiten – am besten aus vor Ort erzeugten erneuerbaren Energiequellen. Gerade für den intermodalen Verkehr aus dem ländlichen Raum brauchen wir innovative Konzepte, die es den Beschäftigten ermöglichen die ÖPNV-Angebote bedarfsgerecht zu nutzen.“