Gasversorgungslage erfordert Solidarpakt aller
Nach der Ausrufung der Alarmstufe Gas ist die Stimmung der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz wie die Versorgungslage selbst: äußerst angespannt. Die Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz zeigen sich besorgt über die aktuelle Entwicklung im Gasnotfallplan – und warnen vor einer weiteren Strapazierung der gewerblichen Wirtschaft.
24.06.2022 – In den vergangenen Wochen haben die Unternehmen zusätzliche Sparpotenziale ausgeschöpft – allein in der Industrie sei der Gasverbrauch um weitere acht Prozent gesunken.
„Irgendwann ist allerdings die Grenze erreicht – dann bleibt den Unternehmen nichts mehr anderes übrig, als Maschinen abzuschalten“, sagt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.
Eine Verbesserung der Gasversorgungslage sei nur durch einen Solidarpakt der gesamten Gesellschaft und alternative Wege zur Beschaffung von Gasmengen zu erreichen. Zur Versorgungslage der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz sind die IHKs auch in engem Austausch mit dem Wirtschaftsministerium.
Die Ausrufung der Alarmstufe sehen die IHKs als folgerichtig und konsequent an: Sie versetze die Bundesregierung vor allem in die Lage, die notwendigen Reservekapazitäten der Kohlekraftwerke zuschalten zu können. Das trage maßgeblich zur weiteren Stabilisierung der Gasversorgungslage bei. „Alle Unternehmen – sei es Industriekonzern, seien es kleine Betriebe – sind sich der bislang einzigartigen Situation bewusst und versuchen, zusätzliche Energieeffizienzpotenziale zu identifizieren und adhoc zu ergreifen“, stellt IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel fest. „Allerdings sind viele Maßnahmen zum Energiesparen auch schon längst umgesetzt“, gibt Rössel zu bedenken. Moderne Produktionsprozesse seien in der Regel hocheffizient gesteuert und hinsichtlich der Energieverbrauchs optimiert. Auch das Umstellen auf andere Energieträger wie Öl und Kohle sei nicht so einfach wie gedacht, da viele Unternehmen die Anlagen im Zuge der Energiewende schlicht bereits abgebaut hätten. „Die seitens der Bundesregierung angestrebte Entlastungswirkung kann letztlich nur funktionieren, wenn die komplette Gesellschaft ihren Beitrag dazu leistet“, ist sich Rössel sicher. „Nur ein Solidarpakt aller kann dies stemmen. Die Unternehmen werden ihren Beitrag dazu leisten.“
Das bestätigt Jörg J. Scherf, Geschäftsführer des Textildienstleisters haber Textile Dienste GmbH & Co. KG, der in Rheinland-Pfalz derzeit zwei Standorte mit rund 770 Mitarbeitern betreibt: „Wir haben betriebsintern alle Möglichkeiten, Energie einzusparen, geprüft und genutzt. Unsere aktuelle Produktion ist dennoch hochgradig von Gas abhängig. Mehr sparen und technologisch umstellen geht kurzfristig nicht, ohne die Versorgungssicherheit unserer eigenen Kunden massiv zu gefährden. Als Marktführer für die textile Versorgung von Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegestationen sehen wir uns hier in einer Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. Wenn wir nicht produzieren können, hätte dies auch massive Auswirkungen auf die materielle Versorgung des Gesundheitssystems.“
Wichtig ist es der IHK-Arbeitsgemeinschaft im Zusammenhang mit der geltenden Alarmstufe auch zu betonen, dass die Preisanpassungsklausel nach Energiesicherungsgesetz (EnSiG) nur im äußersten Notfall gezogen werden darf. Was das aus Sicht seines Unternehmens bedeuten würde, kommentiert Stefan Jungk, Geschäftsführender Gesellschafter der JUWÖ Poroton-Werke in Wöllstein, die zu den führenden Herstellern von Mauerziegeln in Deutschland zählen:
„Eine wahrhaftige menschengemachte Katastrophe wird eintreten, wenn die Preisanpassungsklausel ausgerufen wird. Dann nämlich können sämtliche langfristigen Gasverträge mit noch relativ günstigen Preisen außerordentlich gekündigt werden. Gerade diese langfristigen Verträge, die Unternehmen in verantwortungsvoller Voraussicht abgeschlossen haben, garantierten bisher, dass die Preise nicht komplett durch die Decke gehen. Wenn die Industrie nur noch mit aktuellen Markpreisen für Energie beliefert wird, ist eine Explosion der Preise aller Güter nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher.“