IHK: Kein kraftvoller Aufschwung in Sicht
Wirtschaftslage in Rheinhessen zum Frühjahr stabilisiert sich – Erwartungen der Betriebe in der Region bleiben gedämpft
19.05.2023 – Die Wirtschaftslage in Rheinhessen zum Frühjahr stabilisiert sich, die Unternehmen der Region blicken mit gedämpften Erwartungen auf die nächsten Monate. Dennoch will die Mehrzahl der Unternehmen ihre Belegschaft halten, gut ein Viertel plant sogar Neueinstellungen. Das zeigt die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen zum Frühjahr 2023. „Unsere Wirtschaft zeigt sich robust, die Unternehmen sind besser durch die vielen unterschiedlichen Krisen gekommen als noch vor ein paar Monaten erwartet“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. „Doch ein kraftvoller Aufschwung ist nicht in Sicht.“ Angesichts der hohen Energie- und Rohstoffpreise, der Inflation, gestiegener Zinsen und dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel sowie den geopolitischen Risiken seien die Unsicherheiten groß.
Die Erwartungen der Unternehmen bleiben daher gedämpft: Der Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region, erreicht aktuell 103 Punkte und ist damit fast unverändert im Vergleich zur Befragung zum Jahresanfang 2023 mit 106 Punkten. Insgesamt sind die Ergebnisse jetzt jedoch positiver als noch im Herbst 2022: Zu diesem Zeitpunkt stürzte der Konjunkturklimaindex auf 77 Punkte ab, den schlechtesten Wert seit Beginn der Befragung vor rund 20 Jahren. „Im Dienstleistungssektor zeigt sich jetzt der Nachholbedarf nach der Corona-Krise“, stellt Jertz fest. „Das ist die einzige der von uns befragten Branchen, die im Aufwind ist. Dagegen machen sich bei Handel und Industrie gestiegene Preise, Personalmangel, lange Lieferzeiten und bürokratische Auflagen teils massiv bemerkbar. Hier fordern unsere Betriebe mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit von der Politik.“
Geschäftslage und Erwartungen bleiben verhalten
Zum Frühjahr 2023 melden 34 Prozent der rheinhessischen Unternehmen eine gute Geschäftslage, 49 Prozent eine befriedigende und 17 Prozent eine schlechte Lage.
18 Prozent der befragten Betriebe rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einer konjunkturellen Verbesserung an ihren Standorten und 54 Prozent mit einer gleichbleibenden Entwicklung. Demgegenüber stehen 28 Prozent der Unternehmen, die von einer Verschlechterung der Lage ausgehen und mit sehr gedämpften Erwartungen auf die wirtschaftliche Entwicklung blicken.
Energie- und Rohstoffpreise sowie Fachkräftemangel weiterhin größte Risiken
Bei der Einschätzung der größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens in den kommenden zwölf Monaten führen mit 65 Prozent weiterhin die hohen Energie- und Rohstoffpreise die Liste der Herausforderungen an. Direkt danach folgen der Fachkräftemangel mit 63 Prozent, die Inlandsnachfrage (49 Prozent), die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (46 Prozent) und die Arbeitskosten (45 Prozent). Die weiteren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs wurden aktuell von 35 Prozent der Unternehmen genannt – in der Vorumfrage zum Jahresanfang 2023 waren es noch 54 Prozent. Bei den Risiken folgen danach die Auslandsnachfrage (15 Prozent), die Finanzierung (13 Prozent) und der Wechselkurs (7 Prozent).
Hohe Zinsen beeinträchtigen die Finanzlage
Trotz der vielen Herausforderungen zeigt sich die rheinhessische Wirtschaft robust, und 67 Prozent der befragten Unternehmen melden eine stabile Finanzsituation. Dagegen bezeichnet ein Teil der Betriebe die aktuelle Finanzlage als sehr herausfordernd: 12 Prozent melden einen Rückgang des Eigenkapitals, 9 Prozent kämpfen mit zunehmenden Forderungsausfällen, 8 Prozent haben Liquiditätsengpässe, 8 Prozent beklagen einen erschwerten Fremdkapitalzugang und 5 Prozent eine hohe Fremdkapitalbelastung. Als Gründe für die Beeinträchtigung ihrer Finanzlage nennt fast ein Viertel der Unternehmen die hohen Zinsen.
Belegschaft bleibt weitestgehend konstant
Um wirtschaftlich wachsen zu können, brauchen die Unternehmen gut ausgebildete Mitarbeiter – doch es wird immer schwieriger, geeignetes Fachpersonal zu finden. Mit Neueinstellungen planen aktuell 23 Prozent der Betriebe. Der mit 62 Prozent überwiegende Anteil von den befragten Unternehmen geht von einer gleichbleibenden Zahl von Beschäftigten aus. 15 Prozent der Betriebe rechnen mit sinkenden Beschäftigtenzahlen.
Industrie kämpft mit hohen Kosten
Nachdem sich die Stimmung der Industrie zum Jahresstart etwas aufgehellt hatte, rutscht der Konjunkturklimaindex für die Branche nun von 102 auf 95 Punkte und liegt damit unterhalb der Wachstumsschwelle. 25 Prozent der Industriebetriebe melden eine gute Lage, 53 Prozent eine befriedigende und sogar 22 Prozent verzeichnen eine schlechte Geschäftslage. So trüben die Unsicherheiten über die Energieversorgung und die noch immer hohen Energiekosten auch den wirtschaftlichen Ausblick. Gefragt nach den Einschätzungen der Geschäftserwartungen für die nächsten zwölf Monate kalkulieren 17 Prozent mit besseren Geschäften, 53 Prozent planen mit einer gleichbleibenden Entwicklung und 30 Prozent befürchten eine schlechtere Geschäftslage.
Ein Hoffnungsschimmer in der Industrie spiegelt sich in den Exporterwartungen der Unternehmen wider: 25 Prozent der Unternehmen erwarten, dass die Exporte zunehmen werden, 61 Prozent rechnen mit gleichbleibenden Lieferungen ins Ausland und 14 Prozent mit einem Rückgang.
Einzel- und Großhandelsunternehmen bleiben skeptisch
Noch immer sind die Inflationsraten hoch, was die Nachfrage dämpft, und höhere Zinsen erschweren die Unternehmensfinanzierung. Darunter leiden vor allem die Einzel- und Großhandelsunternehmen und der Konjunkturklimaindex ist von 98 Punkten auf aktuell 89 Punkte gefallen. Nur 18 Prozent der Betriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, 64 Prozent eine befriedigende und 18 Prozent eine schlechte Situation. Bei der Frage nach der Entwicklung für die kommenden zwölf Monate dominieren die skeptischen Erwartungen: 16 Prozent rechnen mit besseren Geschäften, 47 Prozent mit einer gleichbleibenden Lage und 37 Prozent mit einem Umsatzrückgang.
Dienstleister befinden sich im Aufwind
Lediglich die Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor befinden sich von den befragten Branchen im Aufwind. Die Corona-Pandemie scheint nun endgültig überwunden zu sein und auch die mögliche Rezession wird den Konjunkturdaten zufolge nicht so dramatisch ausfallen wie befürchtet. 48 Prozent der Betriebe melden eine gute aktuelle Geschäftslage, 39 Prozent eine befriedigende und 13 Prozent eine schlechte Lage. Die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monaten sind ebenfalls solide: 20 Prozent kalkulieren mit besseren Geschäften, 59 Prozent mit einer gleichbleibenden Lage und 21 Prozent rechnen mit einer schlechteren Geschäftslage.