Nachgefragt in Washington, D.C. zur US-Wahl
© McCown
1. August 2024 – Patrick McCown, Policy Manager, Representative of German Industry and Trade (RGIT),
Interview der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz/Saarland,
geführt von Moritz Hentz, Referent International der IHK für Rheinhessen
- 1. Wie könnten sich die wirtschaftspolitischen Pläne der beiden US-Präsidentschaftskandidaten auf die deutsche Wirtschaft auswirken?
- 2. Welche Wirtschaftspolitik verfolgen die zwei Kandidaten für die heimische Wirtschaft?
- 3. Wie geht es der deutschen Wirtschaft in den USA im Moment?
- 4. Welche Rolle erfüllt RGIT und wie unterstützt ihr die deutsche Wirtschaft?
1. Wie könnten sich die wirtschaftspolitischen Pläne der beiden US-Präsidentschaftskandidaten auf die deutsche Wirtschaft auswirken?
Sollte Trump die Wahl im November für sich entscheiden, könnte er die protektionistische Handelsagenda seiner ersten Amtszeit nochmal verschärfen. Mit der Ernennung seines Vizepräsidentschaftskandidaten, dem Junior-Senator für Ohio JD Vance, holte er einen weiteren strammen Protektionisten ins Boot. Das Ziel, Handelsdefizite zu begrenzen und Arbeitsplätze in den USA zu schützen will Trump mit höheren Zöllen, nicht nur gegen China (Androhung 60-100 Prozent), sondern auf alle Importe in die USA erreichen (Androhung 10 Prozent). Instrumente zur Wirtschaftssicherheit, wie Exportkontrollen oder Outbound-Investitionskontrollen dürften verschärft, die Liste an betroffenen kritischen Sektoren ausgeweitet werden.
Trump und Vance befürworteten in der Vergangenheit mehrfach eine verschärfte Anwendung der US-Antimonopolgesetze und kritisierte (wie Joe Biden übrigens auch) öffentlichkeitswirksam die geplante Übernahme des US-Stahlkonzerns US Steel durch die japanische Nippon Steel Corporation. Eine zweite Trump-Administration würde auch die Verteidigungsbudgets der NATO-Partnerländer stärker in den Blick nehmen und könnte in transaktionaler Weise versuchen Zugeständnisse zu erwirken. In der Energiepolitik strebt Trump eine „Entfesselung“ der Öl- und Gaswirtschaft an, daher gelten Beschränkungen der LNG-Exporte als unwahrscheinlich. Es wird gemeinhin erwartet, dass Trump erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten und globalen Verhandlungen reserviert begegnen würde.
Auch wenn Kamala Harris medial als Vizepräsidentin nicht viel in Erscheinung trat, ist sie kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Vor allem bei gesellschaftspolitischen Themen, wie dem Abtreibungsrecht und dem Grenzschutz, hat sie ein klares Profil. Handelspolitisch dürfte Harris den bisherigen Freihandel-skeptischen Kurs fortführen. Mit der Aufhebung von Zöllen oder Initiativen für mehr Marktzugang ist also eher nicht zu rechnen.
In ihrer Zeit im US-Senat war Harris eine von nur zehn Senatoren, die das neu verhandelte NAFTA-Abkommen USMCA (USA-Mexiko-Kanada) ablehnten, weil ihr die klimapolitischen Maßnahmen nicht ausreichten. Vor ihrer Zeit in der Biden-Administration äußerte sich Harris kritisch über Fracking-Technologien. Im Wahlkampf schloss sie jedoch aus, ein Fracking-Verbot durchsetzen zu wollen. Dies dürfte auch wahlpolitischen Überlegungen geschuldet sein, denn Pennsylvania, ein zentraler Swing State, ist der zweitgrößte Erdgasproduzent der USA. Die Klimapolitik dürfte sich unter ihrer Führung noch stärker als unter Biden dem Thema Klimagerechtigkeit und historisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen widmen.
2. Welche Wirtschaftspolitik verfolgen die zwei Kandidaten für die heimische Wirtschaft?
Das Steuersenkungspaket aus Trumps erster Amtszeit läuft 2025 aus. Trump steht nach wie vor hinter seinem Steuerpaket und möchte viele Provisionen permanent umsetzen, die Unternehmenssteuer erneut absenken. Einen Plan zur Finanzierung legte er bisher nicht vor, erklärte aber in anderen Kontexten Einnahmen mit neuen und erhöhten Zöllen zu generieren. Die Deregulierung in der Energiewirtschaft dürfte er auch in einer zweiten Amtszeit verfolgen.
Trump wirft den Demokraten eine Beschränkung der Öl- und Gasindustrie vor, obwohl diese während Bidens Präsidentschaft Rekordniveaus in der Förderung erreichte. Durch erhöhte Fördermengen verspricht Trump sich günstigere Spritpreise und eine inflationssenkende Wirkung. Auch Bidens Umweltschutzmaßnahmen möchte Trump rückabwickeln. Ein Prozess, der bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen könnte, weil geordnete Regulierungsverfahren durchlaufen werden müssten.
Inwiefern es ihm möglich sein wird, den gesamten oder (sehr viel wahrscheinlicher) Teile von Bidens Klimainvestitionspaket, dem Inflation Reduction Act, zurückzunehmen, hängt von den Mehrheiten im Kongress ab. Beim Thema Künstliche Intelligenz streben Trump und Vance eine Deregulierung an, durch die sie sich eine noch größere Technologieführerschaft der USA in diesem Bereich erhoffen, auch wenn beide eher skeptisch gegenüber „Big Tech“ sind.
In Bidens Investitionsagenda „Build Back Better“ nahm Kamala Harris keine prominente Rolle ein. In der Vergangenheit setzte sie sich unter anderem für verbesserten Zugang zu Kapital für kleine und mittlere sowie für von Minderheiten geführte Unternehmen ein.
Ähnlich wie Biden liegt Harris viel daran, dass Investitionen einen Mehrwert für lokale Gemeinden und gut bezahlte (bestenfalls gewerkschaftlich organisierte) Arbeitsplätze schaffen. In der Vergangenheit unterstützte sie familienpolitische Maßnahmen wie Steuererleichterungen für Eltern und verbesserten Zugang zu Kinderbetreuung und bezahlte Elternzeit.
Insgesamt gilt sie als Verfechterin von Bidens Wirtschaftspolitik, auch wenn ihre eigene Rolle in dessen Entwurf begrenzt war. Die Implementierung zentrale Investitionsprogramme wie das Infrastrukturgesetz und der Inflation Reduction Act würden unter Harris konsequent fortgeführt. Harris hat aus ihrer Zeit in Kalifornien gute Kontakte in die Tech-Branche und gilt als Verbündete der Dienstleistungsgewerkschaften.
3. Wie geht es der deutschen Wirtschaft in den USA im Moment?
Die US-Wirtschaft, beziehungsweise der US-Binnenmarkt ist nur begrenzt von den politischen Spannungen betroffen. Seit der Erholung nach der Weltfinanzkrise 2007/08 wuchs die US-Wirtschaft jährlich im Durchschnitt um 2,27 Prozent. Im ersten Quartal 2024 lag die geschätzte Wachstumsrate auf Jahresbasis gerechnet bei 1,4 Prozent, im zweiten Quartal bei 2,8 Prozent. Wachstum, an dem auch deutsche Tochterunternehmen und Exporteure beteiligt sind, denn die wirtschaftlichen Verflechtungen reichen tief.
Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in den USA wuchsen im Jahr 2023 um rund 46 Milliarden US-Dollar auf eine Gesamtsumme von circa 658 Milliarden US-Dollar an. Damit liegt Deutschland bei den ausländischen Direktinvestitionen in die USA auf Rang 3 hinter Japan (783 Mrd. USD) und Kanada (750 Mrd. USD). Im verarbeitenden Gewerbe beliefen sich die deutschen Direktinvestitionen in die USA für 2023 auf 303 Milliarden US-Dollar, rund 10 Milliarden US-Dollar mehr als im Vorjahr. Hier liegen deutsche Firmen ebenfalls auf Rang 3 hinter dem Vereinigten Königreich und Japan. Selbst als unter Donald Trump die deutsch-amerikanischen Beziehungen öffentlich angespannt waren, zeichneten die deutschen Investitionen in den USA ein Bild der Stabilität.
Der US-Markt ist resilient und dynamisch, steht aber vor großen Herausforderungen. Die politischen Differenzen innerhalb der US-Politik ändern aber an der Attraktivität des US-Markts nichts. Das belegen auch die Umfrageergebnisse des German-American Business Outlook (GABO) der Deutsch-Amerikanischen AHKs.
91 Prozent der Befragten erwarten eine Steigerung ihres US-Umsatzes, 96 Prozent planen innerhalb der nächsten drei Jahre an ihren US-Standorten zu investieren, davon 40 Prozent in Höhe von mehr als 5 Millionen US-Dollar, 30 Prozent sogar mit über 10 Millionen US-Dollar. Die starke US-Nachfrage und das Wachstum in den USA stützen laut Befragten auch die deutschen Standorte mit Personalzuwachs und Produktionssteigerungen.
Für die deutschen Tochterunternehmen in den USA sticht der Fachkräftemangel immer wieder als größtes Hindernis für den Ausbau der Geschäftsaktivitäten heraus (57 Prozent). Es herrscht Vollbeschäftigung auf dem US-Arbeitsmarkt und akuter Mangel besteht vor allem im Handwerk und bei Facharbeitern für das produzierende Gewerbe.
Die USA ist schon immer ein Einwanderungsland, doch die anhaltend hohe Migration aus Zentralamerika in den vergangenen Jahren schuf einen überparteilichen Konsens zur Beschränkung der Migrationszahlen. Dabei bräuchten die USA dringend Arbeitskräfte, denn der Fachkräftemangel ist in den USA unlängst zum Arbeitskräftemangel vorangeschritten. Die deutschen Tochterunternehmen wünschen sich daher eine Reform der US-Einwanderungsbestimmungen und mehr Unterstützung bei der Ausbildung von Fachkräften. Die Sorgen um Inflation, Marktunsicherheit und Lieferkettenengpässe sind im Vergleich zu 2022 stark gesunken. Kernthemen für das Wahljahr sind Inflationsbekämpfung (trotz Rückgang noch ausgeprägt), Steuersenkungen, Zinssenkungen und Bürokratieabbau.
4. Welche Rolle erfüllt RGIT und wie unterstützt ihr die deutsche Wirtschaft?
Der Representative of German Industry and Trade (RGIT) ist das Verbindungsbüro des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Washington, DC. RGIT vertritt deren Interessen gegenüber der US-Regierung und dem US-Kongress und berichtet und berät zu einer Vielzahl von wirtschaftspolitischen Themen und Entwicklungen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Unsere Kernaufgabe ist die Vertiefung der deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen, deshalb informiert RGIT über Schwerpunktthemen im transatlantischen Verhältnis. Unternehmen erhalten so Informationen über den Standort USA und zu wirtschaftspolitischen Entwicklungen, die sie bei ihrer Geschäftstätigkeit unterstützen sollen. Darüber hinaus fördert RGIT in Washington den Austausch zu diesen Themen mit amerikanischen und deutschen Ansprechpartnern.
Die Schwerpunkthemen sind dabei die amerikanische Handelspolitik, Energie- und Klimapolitik, sowie die Digital- und Technologiepolitik. Die Aufarbeitung der Zahlen und Daten zu deutschen Investitionen in den USA im Projekt „German Business in the U.S.“ visualisiert nach Einzelstaaten den Beitrag deutscher Unternehmen zur US-Wirtschaft. Dabei verschaffen die geschaffenen Arbeitsplätze vor Ort am meisten Gehör bei den Gesprächspartnern.