EU-Zollreform
Die EU erneuert nach zehn Jahren die Grundregeln für den Import und Export von Waren. Sie legt damit zentrale, bis 2040 geltende Spielregeln sowohl für den Handel mit anderen Ländern als auch innerhalb des EU-Binnenmarktes fest. Die IHK Rhein-Neckar hat Positionen verabschiedet, durch welche Regelsetzungen die EU bei der Neuaufstellung des EU-Zollkodexes zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen können.
Prioritäten richtig setzen
Der bisherige Entwurf des EU-Zollkodexes erwähnt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen bisher nur sehr untergeordnet als letztgenanntes Ziel. Prioritäre Ziele sind bisher stattdessen z. B. das Erzielen von Einnahmen und das Durchsetzen anderer Politikziele der EU. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ist Grundlage auch zum Erreichen der Einnahmen und Durchsetzen anderer Politikziele, genauso wie für den künftigen Wohlstand der Europäer, den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts und dem Meistern der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ist deshalb im Zollrecht oberste Priorität einzuräumen.
Hierzu tragen unter anderem bei:
Kurze Genehmigungsfristen für höhere Wettbewerbsfähigkeit
Genehmigungsfristen von – wie in Art. 6 des Entwurfs vorgesehen – bis zu 30, 60 bzw. sogar 120 Kalendertagen nach Einreichen aller für Genehmigungen notwendigen Informationen sind im dritten und vierten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts – als zu erwartendem Geltungszeitraum des Zollkodexes - nicht mehr zeitgemäß. Derartige Fristen würden die künftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft massiv beeinträchtigen. Genehmigungsfristen sind deshalb deutlich zu reduzieren, um hiesigen Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben. Dies ist nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit auf Vorprodukte angewiesener Unternehmen wichtig, die mit ihren Dienstleistungen und Waren auf Drittmärkten weltweit konkurrieren. Hierzu gehören Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Es ist zudem auch nachhaltig, weil es schonend mit verderblichen Ressourcen wie z. B. Medikamenten und Lebensmitteln umgeht.
Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt beenden
Die geplante Abschaffung des Schwellenwerts von 150 Euro Warenwert, bis zu dem Sendungen in die EU bisher zollbefreit sind, ist ausdrücklich zu begrüßen. Die Abschaffung des Schwellenwertes würde Wettbewerbsverzerrungen beenden, die bislang zum Nachteil in der EU-ansässiger Marktteilnehmer im elektronischen Handel bestehen.
Durch die Ausnahmeregelung für Kleinsendungen bis 150 Euro Warenwert müssen Marktteilnehmer aus Drittstaaten de facto im EU-Binnenmarkt geltende Produkt- und Sozialstandards bei Lieferungen an die Haustür des Endverbrauchers oft nicht einhalten; anders als in der EU ansässige Marktteilnehmer.
Bei der großen Zahl an Kleinsendungen aus dem Ausland in die EU stellt dies eine relevante Wettbewerbsverzerrung gerade im B2C-Bereich dar. Wie groß die Wettbewerbsverzerrungen mittlerweile sind, zeigen diese Zahlen der EU: Laut Kommission werden jährlich 890 Millionen Kleinsendungen in die EU geliefert. Davon seien etwa 65 Prozent der Sendungen mit einem zu niedrigen Warenwert angegeben, mit dem Ziel, Zölle zu vermeiden. 66 Prozent der online erworbenen Waren aus Drittstaaten würden nicht den EU-Sicherheitsanforderungen entsprechen.
Leistungsfähigkeit der Zollverwaltung durch Aufgabenreduktion sicherstellen
Kernaufgabe des Zolls ist das schnelle und reibungslose Sicherstellen des Warenverkehrs in und aus der EU. Laut Kommission hat der Zoll in den EU27-Ländern jährlich 691,5 Millionen Standardzollanmeldungen (2021) und zusätzlich 890 Millionen Zollanmeldungen für eCommerce-Lieferungen zu bearbeiten. Allein die Zahl der Standardzollanmeldungen verdoppelte sich laut Kommission damit nahezu in dem kurzen Zeitraum von 2019 bis 2021.
Zum Bewältigen dieses Aufkommens ist der Zoll entsprechend leistungsfähig auszustatten. Gewährleistet der Zoll seine Kernaufgabe, trägt er wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei. Tut er das nicht, gefährdet er die Wettbewerbsfähigkeit.
Er darf deshalb nicht durch andere Aufgaben überlastet werden. Laut Kommission hat der Zoll schon heute zur Durchsetzung über 350 verschiedener EU-Gesetzesvorgaben aus Politikfeldern wie Handel, Industrie, Sicherheit, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz beizutragen (Entwurf, S. 3). Und der Entwurf lässt erkennen, dass diese Zahl weiter erhöht werden soll. In seiner deutschsprachigen Mitteilung zur EU-Zollrechtsreform spricht die Kommission z. B. schon von über 370 EU-Regelwerken, die vom Zoll durchzusetzen seien. Damit droht eine Aufgabenüberforderung des Zolls. Es ist sicherzustellen, dass er zunächst seine Kernaufgabe der Zollabwicklung in einer die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft fördernden und nicht gefährdenden Weise sicherstellen kann. Hierzu haben Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten gemeinsam die über 350 Bestandsregularien zu verringern.
Die Legislative aus Rat, Kommission und Parlament hat hierzu die Mittel, zum Beispiel durch konsequentes, ausnahmsloses Anwenden der “One-in-Two-out”-Regel bei Einführung jeder neuen Regularie. Durch ein konsequentes Setzen einer Obergrenze für alle bestehenden Regularien, die deutlich unter ihrer aktuellen von über 350 Regularien liegt und entsprechendes Reduzieren der Regularien, bei denen der Zoll zur Erfüllung beizutragen hat.
Betriebsgeheimnisse effektiv schützen
Die Neuauflage des EU-Zollkodexes spricht bisher nur vom Schutz von Daten natürlicher Personen (Entwurf, S. 14). Das ist unzureichend. Der Schutz von Firmendaten entscheidet oft über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Firmendaten sind entsprechend vom Zoll und anderen staatlichen Institutionen zu schützen. Der Schutz von Firmendaten ist dafür als Ziel in den EU-Zollkodex aufzunehmen und durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen.
Firmendaten dürfen entsprechend nicht Dritten zugänglich gemacht werden. Dritte sind alle nicht am Genehmigungsverfahren der betreffenden Zollgenehmigung direkt Beteiligte. Hierzu zählt insbesondere die Öffentlichkeit, da ansonsten die betreffenden Firmeninformationen für jeden Konkurrenten weltweit zur Verfügung stünden, mit entsprechender Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen.
Die Mitgliedsstaaten und die EU haben auch für eine entsprechend notwendige und jeweils zeitgemäße technische Datensicherheit der ihnen von den Unternehmen anvertrauten Daten zu sorgen. Hierzu sind innerhalb des geplanten Anwendungszeitraums des EU-Zollkodexes bis 2040 sich ergebende technische Fortschritte zu berücksichtigen und zu nutzen. Die Datensicherheitsinfrastruktur des Zolls ist entsprechend offen für technischen Fortschritt anzulegen.
Außerdem haben die EU, die Mitgliedsstaaten und Zollbehörden dem Anspruch der Datenarmut gerecht zu werden. Dies gilt für jede Art von Zollverfahren, der einzelnen Zollanmeldung genauso wie beim Antrag auf vereinfachte Verfahren und zugehörige Stati als “zugelassener Wirtschaftsbeteiligter” (AEO) oder neu als “Trust and Trade Checker”.
Entlastungen bei Zollverfahren jetzt und substanziell
Mit Einführung des AEOs wurden den Unternehmen substanzielle Erleichterungen bei Zollverfahren versprochen. Auf entsprechend substanzielle Erleichterungen warten die Unternehmen noch heute.
Der neue Entwurf sieht wieder Erleichterungen für besonders qualifizierte Unternehmen vor. Sie bleiben jedoch wenig konkret. Und auch ihr Nutzungszeitraum ist unklar. Er könnte erst im Jahr 2032 liegen. Das wäre deutlich zu spät, um die dringend in den nächsten Jahren gebrauchte Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Beim Zeithorizont, Umfang und Konkretheit von Erleichterungen für Unternehmen müssen Mitgliedsstaaten, Parlament und Kommission nachbessern.
Zugänge zu Auslandsmärkten offenhalten – auf Protektionismus verzichten
Der Grundsatz des freien Warenverkehrs ist bei Warenein- und -ausfuhren aufrecht zu erhalten. Er fehlt als Grundsatz bisher im Entwurf und ist deshalb einzufügen. Er erhöht die Wettbewerbsintensität und trägt so auf Dauer zur Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen bei. Außerdem trägt er dazu bei, protektionistische Ableitungen aus dem EU-Zollkodex zu verhindern und auch dadurch drohende protektionistische Reaktionen von Drittstaaten, die ausländische Beschaffungs- und/oder Absatzmärkte für hiesige Unternehmen insbesondere von der EU aus schwerer zugänglich machen oder gar komplett verschließen könnten.
Liquidität der Unternehmen schonen
Bislang können Referenzbeträge innerhalb eines Mitgliedsstaats und dort nur innerhalb desselben Zollverfahrens für verschiedene Vorgänge genutzt werden.
Das belastet bisher die Liquidität und damit Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Durch eine mitgliederstaatenübergreifende und verfahrensübergreifende Verwendung solcher Gesamtsicherheiten wäre ein deutlich effizienteres Liquiditätsmanagement für Unternehmen möglich. Die vollständige Umsetzung des im UZK-IT-Arbeitsprogramm vorgesehenen Moduls “Guarantee Management” (GUM) ist hierfür von entscheidender Bedeutung.