Mannheimer Verkehrsversuch: Innenstadtwirtschaft lehnt Verstetigung mit großer Mehrheit ab
Die IHK Rhein-Neckar, der Handelsverband Nordbaden und die Werbegemeinschaft Mannheim-City haben unter ihren Mitgliedern eine Umfrage zum Verkehrsversuch in Mannheim durchgeführt. IHK-Präsident Manfred Schnabel ordnet ein:
Die Mannheimer Innenstadtwirtschaft bewertet den abgeschlossenen Verkehrsversuch überwiegend negativ und wünscht sich künftig keine weiteren Einschränkungen bei der Einfahrt in die Quadrate. Das sind die zentralen Ergebnisse unserer Umfrage, an der sich 385 Innenstadt-Unternehmen beteiligt haben.Im Detail: 58 Prozent der Unternehmen berichten, dass sich ihre wirtschaftliche Lage durch den Verkehrsversuch verschlechtert hat (keine Auswirkungen: 34 Prozent; verbessert: 8 Prozent).Dementsprechend ablehnend steht die Innenstadtwirtschaft einer möglichen Verstetigung des Versuchs gegenüber: 72 Prozent der Unternehmen sind gegen eine dauerhafte Sperrung der betroffenen Straßen und eine Fortführung der begleitenden Maßnahmen, 24 Prozent sind dafür. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) der Betriebe lehnt das Ziel des Verkehrsversuchs ab, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten. Mehr als zwei Drittel der Betriebe wünscht sich, dass Zielverkehre in die Quadrate, also die Anfahrt von Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten, weiterhin möglich sein sollen.Zur Erinnerung: Im Oktober 2020 hatte der Gemeinderat beschlossen, die Quadrate vom motorisierten Durchgangsverkehr zu entlasten. Das war das ursprüngliche Ziel des Verkehrsversuchs. Mittlerweile werden Stimmen laut, auch Zielverkehre, also die Einfahrt von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern, zu beschränken und die City autofrei zu machen. Das ist von den Gemeinderatsbeschlüssen nicht gedeckt und wird von der Wirtschaft auch nicht mitgetragen, da dann die Gefahr besteht, dass Mannheim seine Funktion als Oberzentrum einbüßt.Die Erwartungen und Lösungsansätze der Wirtschaft mit Blick auf eine langfristige Lösung der Verkehrsprobleme sind klar:
- Der Durchgangsverkehr muss weiträumig um Mannheim geführt werden. Dazu zählt perspektivisch auch eine dritte Rheinquerung.
- Einen aktiven Beitrag leistet die Wirtschaft im Mobilitätspakt Metropolregion Rhein-Neckar. Dort arbeiten wir daran, die Pendlerverkehre zu optimieren. Notwendig hierfür ist vor allem ein gut ausgebauter und attraktiver ÖPNV.
- Beim notwendigen Zielverkehr setzen wir darauf, Kunden und Mitarbeitern attraktive Alternativen zum Individualverkehr zu bieten, sodass sie gerne auf das eigene Auto verzichten. Zentral ist hierbei der Ausbau des ÖPNV. Allerdings stößt das in einer multizentrischen, ländlich geprägten Flächenregion wie der Metropolregion Rhein-Neckar an seine Grenzen. Motorisierter Individualverkehr, perspektivisch auch emissionsfrei, wird daher weiter eine Rolle spielen. Wenn Mannheim auf die Erreichbarkeit aus dem ländlichen Raum verzichtet, büßt die Stadt die Funktion als Oberzentrum ein.
Unsere Schlussfolgerungen: Mannheim sollte stärker Teil einer regionalen Lösung werden und den regionalen Schulterschluss suchen. Sinnvolle lokale Stellschrauben wären, das Baustellenmanagement zu verbessern und die Parksuchverkehre zu minimieren. Die Wirtschaft ist Teil der ökologischen Transformation, die natürlich auch Auswirkungen auf den Verkehr und die Innenstädte hat. Wir stehen dabei für technologische Lösungen, die die Menschen mitnehmen, unseren Wohlstand sichern und andere zum Nachahmen anregen kann.Mit Blick auf die Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik am 24. Mai 2023, der darüber beraten wird, ob dem Gemeinderat eine Verstetigung des Verkehrsversuchs empfohlen werden soll, gilt: Den Gemeinderatsfraktionen sollten die Umfrageergebnisse eine Mahnung sein. In der Innenstadtwirtschaft gibt es für eine Verstetigung keinen Rückhalt. Wir appellieren, dass etwaige Beschlüsse erst nach der Oberbürgermeister-Wahl getroffen werden sollten. Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt hätte gravierende und langfristige Folgen für die gesamte Stadt, sodass die Gremien die OB-Wahl abwarten sollten. Wir fordern zudem die Kandidaten auf, ihre Vorstellungen für die zukünftige Verkehrsplanung in der Innenstadt im Wahlkampf transparent zu machen.Kandidaten und alle politischen Akteure sollten sich fragen, welche zukünftige Rolle sie der Innenstadtwirtschaft beimessen. Weniger Wirtschaft in der Innenstadt bedeutet auch weniger Menschen, weniger Austausch, weniger Attraktivität. Wir sind überzeugt, dass die Bevölkerung Mannheims und des Umlands die City als lebendiges Quartier und starken Wirtschaftsstandort entwickeln wollen. Wer ein reines Wohnviertel mit städtisch bewirtschaften Flächen möchte, sollte das dann klar sagen.
Mannheim, 3. Mai 2023