Duale Ausbildung bietet besten Start ins Berufsleben
Wie die Lage am Ausbildungsmarkt der Region derzeit aussieht, stellten die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar in einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. IHK-Präsident Manfred Schnabel:
Die duale Ausbildung bietet bessere Berufschancen denn je. Denn die Unternehmen brauchen junge, engagierte Fachkräfte, um die ökologische und die digitale Transformation gestalten zu können. Geeignete Bewerber sind daher stark gefragt. Das Ausbildungssystem reagiert auf solche neuen fachlichen Bedarfe der Unternehmen durch Anpassungen bestehender Berufsbilder oder durch neue Ausbildungsberufe. Im Ergebnis bietet das duale Ausbildungssystem so einen hervorragenden Einstieg in den Beruf sowie beste Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten.Die strukturellen Probleme am Ausbildungsmarkt bestehen weiterhin fort, auch wenn bei den IHK-Berufen Anzeichen dafür zu erkennen sind, dass die Vor-Corona-Zahlen wieder erreicht werden können. Aktuell sind bei den Agenturen für Arbeit in der Region noch 2.820 freie Lehrstellen gemeldet. Der tatsächliche Wert liegt deutlich höher, da viele Unternehmen ihre freien Plätze nicht den Agenturen melden. Fast die Hälfte unserer Ausbildungsbetriebe hat noch unbesetzte Stellen und sucht noch nach engagiertem Nachwuchs. In einer aktuellen IHK-Umfrage sprachen 46,5 Prozent der Antwortenden von noch freien Ausbildungsplätzen. Daher gilt auch in diesem Jahr, dass Bewerbungen für das bald startende Ausbildungsjahr möglich, sinnvoll und begehrt seien. Wer noch zögert: Gebt euch einen Ruck! Bewerbt euch jetzt! Es lohnt sich! Als Gründe für die vielen freien Lehrstellen geben in der IHK-Umfrage zwei Drittel an, dass geeignete Bewerber fehlen, rund ein Drittel habe erst gar keine Bewerbungen erhalten.Mit Blick auf die bis Ende Mai von der IHK neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse gibt es einen erfreulichen Trend: Ihre Zahl stieg um 9,5 Prozent auf 1.530. Erfreulich ist, dass im Vergleich mit 2019, also dem Jahr vor Corona, der Rückgang nur bei 8,7 Prozent liegt. Die Mai-Zahlen sind eine Momentaufnahme. Aber wenn sich der Trend bis zum Start des Ausbildungsjahres fortsetzt, haben wir den Corona-bedingten Einbruch weitgehend aufgeholt. In der Pandemie kamen Berufsorientierung und klassische Formen des Ausbildungsmarketings weitgehend zum Erliegen, Unternehmen und Schulabgänger fanden häufig nicht zueinander.Gleichzeitig darf die Erholung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die strukturellen Probleme am Ausbildungsmarkt weiterhin enorm sind. Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt, besonders groß ist der Bewerbermangel in den gewerblich-technischen Berufen. Dabei sind es gerade die Menschen mit einer technischen Ausbildung, die von den Unternehmen für die digitale und die ökologische Transformation dringend gesucht werden, Das zeigen auch aktuelle Zahlen des IW Köln, das die Lücke an MINT-Fachkräften, -Meistern und Technikern in Deutschland mit 167.100 angibt. Dabei sind die Unternehmen sehr flexibel und engagiert, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. So gaben in der IHK-Umfrage 38 Prozent an, dass sie auch lernschwächeren Jugendlichen eine Chance geben, 30 Prozent organisiert im Betrieb Nachhilfeunterricht. Um die Zahl der Bewerber zu steigern, erhöhen die Unternehmen die Zahl von Praktika und nutzen Veranstaltungen wie beispielsweise “Tage der offenen Tür”.Mit Blick auf die mangelnde Ausbildungsreife sehe ich auch die Bildungspolitik in der Pflicht. Es mangelt nicht an Ausbildungsplätzen, sondern an einer realistischen Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an den Gymnasien. Aktuell werden 38,5 Prozent aller neuen Ausbildungsverträge von Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung geschlossen. Partnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen sollten weiter vertieft werden, um so noch mehr Lehrkräften in der Berufsorientierung authentische Einblicke in die Wirtschaft geben zu können.Ein weiteres Ausbildungshindernis sind häufig weit entfernte Berufsschulen an. Hier muss es mehr Flexibilität geben, beispielsweise Online-Unterricht oder geringere Mindestklassengrößen. Wie schwer sich die Politik mit der Stärkung der dualen Ausbildung tut, zeigen auch zwei aktuelle Beispiele: So plant Baden-Württemberg ein Studi-Ticket als verbilligtes Deutschland-Ticket, hat dabei aber die Azubis vergessen. Das Studi-Ticket greift zu kurz. Wir brauchen ein "Bildungs-Ticket” für alle junge Menschen in Ausbildung oder Studium.Im vergangene Woche verabschiedeten Bundes-Weiterbildungsgesetz gibt es zudem den verfehlten Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung. In Regionen wie der unsrigen mit fehlenden Bewerbern besteht die Gefahr, dass die Unternehmen weiteres Potenzial verlieren. Gegen solch einen Anspruch sprechen zudem die Gefahr der Fehlsteuerung, die Ausbildung erfolgt ohne späteren Bedarf der Wirtschaft, sowie die hohen Kosten.
Mannheim, 26. Juni 2023