Verkehrsversuch
Innenstadtwirtschaft lehnt Verstetigung mit großer Mehrheit ab
Mannheim, 3. Mai 2023. Die Mannheimer Innenstadtwirtschaft bewertet den abgeschlossenen Verkehrsversuch überwiegend negativ und wünscht sich künftig keine weiteren Einschränkungen bei der Einfahrt in die Quadrate. Das sind zentrale Ergebnisse einer Umfrage, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, der Handelsverband Nordbaden und die Werbegemeinschaft Mannheim-City im April unter ihren Mitgliedern durchgeführt und am 3. Mai 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt haben. An der Umfrage haben sich 385 Innenstadt-Unternehmen beteiligt.
58 Prozent der Unternehmen berichten, dass sich ihre wirtschaftliche Lage durch den Verkehrsversuch verschlechtert hat (keine Auswirkungen: 34 Prozent; verbessert: 8 Prozent). Dementsprechend ablehnend steht die Innenstadtwirtschaft einer möglichen Verstetigung des Versuchs gegenüber: 72 Prozent der Unternehmen sind gegen eine dauerhafte Sperrung der betroffenen Straßen und eine Fortführung der begleitenden Maßnahmen, 24 Prozent sind dafür. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) der Betriebe lehnt das Ziel des Verkehrsversuchs ab, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten. Mehr als zwei Drittel der Betriebe wünscht sich, dass Zielverkehre in die Quadrate, also die Anfahrt von Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten, weiterhin möglich sein sollen.
IHK-Präsident Manfred Schnabel ruft die ursprünglichen Ziele des Verkehrsversuchs in Erinnerung. Im Oktober 2020 hatte der Gemeinderat beschlossen, die Quadrate vom motorisierten Durchgangsverkehr zu entlasten. Mittlerweile werden Stimmen laut, auch Zielverkehre, also die Einfahrt von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern, zu beschränken und die City autofrei zu machen. Das sei von den Gemeinderatsbeschlüssen indes nicht gedeckt und werde von der Wirtschaft auch nicht mitgetragen, da dann die Gefahr bestehe, dass Mannheim seine Funktion als Oberzentrum einbüße.
Die Erwartungen und Lösungsansätze der Wirtschaft mit Blick auf eine langfristige Lösung der Verkehrsprobleme seien klar, so der IHK-Präsident:
- Der Durchgangsverkehr muss weiträumig um Mannheim geführt werden. Dazu zählt perspektivisch auch eine dritte Rheinquerung.
- Einen aktiven Beitrag leistet die Wirtschaft im Mobilitätspakt Metropolregion Rhein-Neckar. Dort arbeitet die Wirtschaft daran, die Pendlerverkehre zu optimieren. Notwendig hierfür ist vor allem ein gut ausgebauter und attraktiver ÖPNV.
- Beim notwendigen Zielverkehr setzen wir darauf, Kunden und Mitarbeitern attraktive Alternativen zum Individualverkehr zu bieten, sodass sie gerne auf das eigene Auto verzichten. Zentral ist hierbei der Ausbau des ÖPNV. Allerdings stößt das in einer multizentrischen, ländlich geprägten Flächenregion wie der Metropolregion Rhein-Neckar an seine Grenzen. Motorisierter Individualverkehr, perspektivisch auch emissionsfrei, wird daher weiter eine Rolle spielen. Wenn Mannheim auf die Erreichbarkeit aus dem ländlichen Raum verzichtet, büßt die Stadt die Funktion als Oberzentrum ein.
“Mannheim sollte stärker Teil einer regionalen Lösung werden und den regionalen Schulterschluss suchen. Sinnvolle lokale Stellschrauben wären, das Baustellenmanagement zu verbessern und die Parksuchverkehre zu minimieren”, mahnt Schnabel. Die Wirtschaft sei Teil der ökologischen Transformation, die natürlich auch Auswirkungen auf den Verkehr und die Innenstädte habe. “Wir stehen dabei für technologische Lösungen, die die Menschen mitnehmen, unseren Wohlstand sichern und andere zum Nachahmen anregen kann”, betont der IHK-Präsident.
Mit Blick auf die Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik am 24. Mai 2023, der darüber beraten wird, ob dem Gemeinderat eine Verstetigung des Verkehrsversuchs empfohlen werden soll, formuliert Schnabel: “Den Gemeinderatsfraktionen sollten die Umfrageergebnisse eine Mahnung sein. In der Innenstadtwirtschaft gibt es für eine Verstetigung keinen Rückhalt.” Schnabel appelliert, dass etwaige Beschlüsse erst nach der Oberbürgermeister-Wahl getroffen werden sollten. “Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt hätte gravierende und langfristige Folgen für die gesamte Stadt, sodass die Gremien die OB-Wahl abwarten sollten. Wir fordern zudem die Kandidaten auf, ihre Vorstellungen für die zukünftige Verkehrsplanung in der Innenstadt im Wahlkampf transparent zu machen”, so der IHK-Präsident.
Kandidaten und alle politischen Akteure sollten sich fragen, welche zukünftige Rolle sie der Innenstadtwirtschaft beimessen. “Weniger Wirtschaft in der Innenstadt bedeutet auch weniger Menschen, weniger Austausch, weniger Attraktivität”, so Schnabel. “Wir sind überzeugt, dass die Bevölkerung Mannheims und das Umland die City als lebendiges Quartier und starken Wirtschaftsstandort entwickeln wollen. Wer ein reines Wohnviertel mit städtisch bewirtschaften Flächen möchte, sollte das dann klar sagen.”
Hendrik Hoffmann, Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden, betont: “Der Handel ist die Leitbranche für die City. Als wichtigster Besuchsgrund trägt er die gesamte Innenstadtwirtschaft. Die Menschen kommen aus der Region und darüber hinaus nach Mannheim, weil sie das stationäre Einkaufserlebnis mögen. Zu diesem Erlebnis gehören natürlich auch Dienstleistungen aus Gastronomie, Freizeit und Kultur, aber auch beratende medizinische Angebote wie Steuerberater und Ärzte. Diese gewachsene, lebendige und sich stets verändernde und entwickelnde Innenstadt funktioniert in seiner Verdichtung aber nur, da sehr viele Menschen in die City fahren und hier Geld ausgeben. Einschränkungen in der Zugänglichkeit führen daher immer zu einem weniger attraktiven Gesamtangebot.”
Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, ergänzt: “Wir dürfen auf keinen Fall die Fehler des ersten Verkehrsversuchs wiederholen, denn diese haben mit zur massiven Ablehnung des Projektes geführt. Wenn die Ergebnisse der Zählungen und Befragungen durch die Stadt Mannheim vorliegen, sollte man in aller Ruhe mit den Betroffenen intensiv über Alternativen nachdenken, die dann auch eine breite Akzeptanz finden. Wir stehen mit unseren Mitgliedern in der City für solche Gespräche zur Verfügung. Hauptziel bleibt, den Durchgangsverkehr zu beschränken und die Zielverkehre zu stärken. Gleichzeitig wollen wir die Bedeutung der City und die Aufenthaltsqualität durch ein attraktives Angebot an Veranstaltungen stärken, die ebenfalls viele Menschen aus der Region in die Innenstadt ziehen.”