IHK-Kaufkraftanalyse 2024 

Stationärer Handel wächst insgesamt/Innenstädte der Oberzentren geben Kaufkraft an Umland ab

Mannheim, 2. Juli 2024. Für das Jahr 2024 prognostiziert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar steigende Einzelhandelsumsätze vor Ort. Das hat zwei Gründe: Die Kaufkraft nimmt zu, gleichzeitig stagniert der Anteil des Online-Handels. “Das sind erfreuliche Aussichten für den Handel, der in der Corona-Pandemie stark gebeutelt wurde. Die Zahlen zeigen auch, dass der stationäre Handel vital ist. Der Online-Handel hat in der Pandemie einen Hype erlebt, der zumindest vorläufig an sein Ende gekommen ist. Es ist eben kein Naturgesetz, dass der Online-Handel auf Kosten des stationären Handels wächst”, kommentiert IHK-Präsident Manfred Schnabel die IHK-Kaufkraftanalyse. Die Analyse prognostiziert die Kaufkraftkennzahlen für Städte und Gemeinden im Bezirk der IHK Rhein-Neckar im laufenden Jahr. Ein weiteres wichtiges Ergebnis: Innerhalb der Region kommt es zu Verschiebungen. Die Innenstädte, das gilt vor allem für Mannheim und Heidelberg, geben Umsatzanteile an die Stadtteile und das Umland ab. “Das sollte für beide Städte als Oberzentren ein Alarmsignal sein”, mahnt der IHK-Präsident. Insgesamt gelte für alle Kommunen, dass die Rahmenbedingungen für den stationären Einzelhandel stimmen müssen. “Für einen Teil dieser Bedingungen sind die Städte und Gemeinden maßgeblich verantwortlich. Sie haben es zu großen Teilen in der Hand, dass die Zentren für Wirtschaftsverkehre erreichbar bleiben und dass sich Kunden wohl und sicher fühlen.”
Die allgemeine Kaufkraft – das verfügbare Einkommen der Bevölkerung – nimmt um 3,2 Prozent (diese und alle weiteren Prozentangaben sind nominal) auf 33,6 Milliarden Euro zu (2023: 4,5 Prozent). Der Anteil des Einkommens, der für Ausgaben im Einzelhandel online oder stationär zur Verfügung steht, steigt um 1,2 Prozent (2023: 3,4 Prozent). Insgesamt beträgt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in der Region so 9 Milliarden Euro.
Die Einzelhandelsumsätze vor Ort steigen um 4,6 Prozent (2023: 5,5 Prozent). Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 liegen die Einzelhandelsumsätze um 3,9 Prozent höher. Der Teil der Einzelhandelsausgaben, der in der Region über das Internet ausgegeben wird, liegt nach den diesjährigen Prognosen bei 13 Prozent. Damit nimmt der Online-Anteil im zweiten Jahr in Folge ab (2023: 15,6 Prozent; 2022: 17,9 Prozent).
Die steigenden Umsätze tragen dazu bei, dass sich die Kaufkraftbindungsquote für den IHK-Bezirk Rhein-Neckar um drei Prozentpunkte auf 89 Prozent erhöht. Das heißt: Es fließt weniger Kaufkraft aus der Region ab. Nichtsdestotrotz verliert der stationäre Handel des IHK-Bezirks rund eine Milliarde Euro der vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft an Standorte außerhalb der Region oder an den Online-Handel. Dieses Defizit resultiert aus der Differenz zwischen den vor Ort getätigten Umsätzen (8,03 Milliarden Euro) und der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft (9,01 Milliarden Euro). “Die steigende Kaufkraftbindung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation vieler Einzelhandelsunternehmen schwierig ist. Die Entwicklung innerhalb der Branche ist abhängig von der Lage und dem Sortiment sehr unterschiedlich”, sagt IHK-Präsident Manfred Schnabel. Zudem erinnert Schnabel daran, dass die Kaufkraftbindungsquote immer noch 3 Prozentpunkte unter dem Wert von 2019 liegt. 
Auch insgesamt seien die Folgen der Pandemiepolitik noch nicht verdaut: “Die Substanz vieler Handelsunternehmen ist aufgezehrt. Gleichzeitig erhalten bis zum Ende des Jahres viele Unternehmen die Aufforderung, Corona-Hilfen zurückzuzahlen, die auf die Hilfszusagen des Landes vertraut hatten. Es ist zu befürchten, dass dies zu einem großen Vertrauensverlust sowie zu einer Reihe von Betriebsaufgaben führen wird. Die öffentliche Hand ist nun gefordert, behutsam vorzugehen und schnell mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern”, mahnt der IHK-Präsident.
Der Einzelhandelsumsatz in Mannheim steigt 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro und nähert sich damit dem Wert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 an (-0,8 Prozent). Ein differenzierter Blick auf die Stadtteile zeigt: Der Umsatz in der Kern-Innenstadt (PLZ 68161) liegt immer noch 186 Millionen Euro und damit 20 Prozent unter dem Wert von 2019. Alle Standorte außerhalb der Mannheimer Quadrate steigern hingegen die Umsätze. “Die Zahlen bestätigen erneut, wie sehr die Mannheimer Innenstadtwirtschaft in den vergangenen Jahren gelitten hat. Doch Mannheim kann seiner Funktion als Oberzentrum nur mit einer starken City gerecht werden. Hierfür sind langfristig die nötigen Leitplanken zu setzen”, mahnt Schnabel. Dieses Ziel müsse daher in den Planungen der Stadt fest verankert sein. Dazu zählen Konzepte, die derzeit von der Stadtverwaltung fertiggestellt werden, wie beispielsweise das Modell “Räumlicher Ordnung”, der Masterplan Mobilität oder die Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans. Zur anstehenden Beschlussfassung des Gemeinderats über die Vorschläge der FuturRaum-Initiative sagt Schnabel: “Die Maßnahmen und das Umsetzungskonzept entstanden mit unserer Beteiligung. Wir werden den Prozess weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten und alle Vorstellungen einzelner Interessengruppen abwehren, die der City-Wirtschaft schaden könnten.”
Mit Blick auf den neu gewählten Gemeinderat macht der IHK-Präsident zudem deutlich: “Wir brauchen ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Innenstadt. Einen weiteren Substanzverlust können wir uns nicht erlauben.” Das Image der Innenstadt leide unter einem Bündel an Faktoren, die in Summe das subjektive Sicherheitsgefühl reduzierten: “Die Gründe reichen von der mangelnden Sauberkeit über die Vielzahl politischer Demonstrationen und Kundgebungen bis hin zu offener Gewalt, wie sie bei der schrecklichen Messerattacke am Marktplatz zu erleben war. Attraktivität erreichen wir nicht, wenn wir Angsträume zulassen. Hier ist der Staat gefordert, Vergehen im öffentlichen Raum konsequent zu ahnden”, mahnt Schnabel.
In Heidelberg werden 15 Prozent der Einzelhandelsumsätze im IHK-Bezirk erwirtschaftet. Doch die Kaufkraftbindung von 98 Prozent (+1 PP zum Vorjahr, -6 PP zu 2019) zeigt: Die in Heidelberg vorhandene Kaufkraft kann nicht vor Ort gebunden werden. “Heidelberg hat riesiges Potenzial. Die Kaufkraft vor Ort ist hoch und es kommen viele Touristen. Doch die Umsätze in der Altstadt sind noch immer weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt”, so Schnabel. Mit über 1,2 Milliarden Euro liegt Heidelberg beim einzelhandelsrelevanten Kaufkraftvolumen auf Platz 11 von 42 deutschen Städten zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern. 
Die Region Rhein-Neckar ist insgesamt eine überdurchschnittlich attraktive Region für Einzelhandelsunternehmen. Mit 6.774 Euro Einzelhandelsumsatz pro Kopf erweisen sich die Menschen in der Region einkaufsfreudiger als auf Bundes- (6.578 Euro) bzw. Landesebene (6.580 Euro). Aufgrund steigender Umsätze wird sowohl in Weinheim (100 Prozent) als auch Sinsheim (104 Prozent) die Schwelle zum Kaufkraftzufluss erreicht bzw. überschritten. 
Im regionalen Umsatzranking pro Einwohner liegen Schwetzingen (13.124 Euro) und Walldorf (12.648 Euro) erneut an der Spitze. Auch in Mosbach (10.182 Euro) liegt der Umsatz pro Kopf erstmals seit vor der Corona-Pandemie wieder im fünfstelligen Bereich. “Neben einer attraktiven Innenstadt beeinflussen überregional bedeutsame Fachmärkte und Nahversorgungszentren in gut erreichbaren Lagen die Kaufkraftkennzahlen dieser Städte”, erklärt Schnabel.
Walldorf weist pro Kopf die höchste allgemeine Kaufkraft unter den Ober-, Mittel- und Unterzentren auf (33.290 Euro) und verdrängt damit Ladenburg auf den zweiten Platz (32.636 Euro). Weinheim (32.486 Euro) komplettiert die Top 3-Zentren. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Kaufkraft pro Kopf liegt in der Region bei 28.375 Euro.
Von der allgemeinen Kaufkraft stehen dem Einzelhandel im Bezirk der IHK Rhein-Neckar rein rechnerisch sowohl stationär als auch online 27 Prozent zur Verfügung. Pro Kopf bedeutet das eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von 7.605 Euro. Verglichen mit dem Vorjahreswert sind das pro Einwohner 70 Euro mehr zum Einkaufen.