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Unternehmensnachfolge: Wenn aus Scherz Ernst wird

Viele Betriebsübernahmen scheitern. Wieso es bei Maschinenbau Weinert anders lief.
Ein Zufall führt sie vor mehr als zehn Jahren in Mosbach zusammen. Martin Straus, mit seinem gleichnamigen Betrieb damals in Dallau ansässig, braucht eine größere Lagerhalle, um seine Sondermaschinen zu fertigen. Martin Weinert ist auf der Suche nach einem Standort mit mehr Platz und wird wie Straus in einem Gebäude in Mosbach, das zum Verkauf steht, fündig.
Die beiden Männer stammen beide aus Mosbach, sie kennen sich, Martin Straus hat früher im gleichen Verein wie Weinerts Frau Handball gespielt. Beide haben Maschinenbau studiert, Martin Straus an der Dualen Hochschule, Martin Weinert an der TU in Karlsruhe. Und beide haben schon früh die Idee, sich selbstständig zu machen. 1999 gründet Martin Straus die IMS Ingenieurtechnik Martin Straus, die Sondermaschinen konstruiert und zum Teil auch selbst produziert. Später geht das Unternehmen in die Straus GmbH über, die für ihre Kunden künftig nicht nur Maschinen entwirft, sondern diese auch herstellt. Martin Weinert übernimmt 1996 den kleinen Eberbacher Betrieb Willi Benz, der bald unter Maschinenbau Weinert GmbH firmiert. 2013 treffen die Unternehmer in Mosbach als Nachbarn im erwähnten Gebäude aufeinander und scherzen: „Eines Tages fusionieren wir.“
Doch zunächst arbeitet jeder für sich oder vielmehr: Die Betriebe Weinert und Straus arbeiten zusammen. Der eine, Straus, entwirft und montiert die Sondermaschinen, und der andere, Weinert, bietet mechanische Lohnfertigung an und stellt, neben seinen eigenen Produkten, die Einzelteile für die Straus’schen Konstruktionen her. „Wir haben uns perfekt ergänzt“, blickt Martin Straus zurück. Bevor die Zeichnungen die Büroseite wechseln, holt sich Martin Straus häufig Rat bei Martin Weinert. „So konnten wir sicherstellen, dass sich das, was wir auf dem Papier konstruieren, auch sinnvoll und kostenoptimiert herstellen lässt.“ Das Vertrauen der beiden Geschäftsführer in die Kompetenzen des anderen ist groß, langwierige Nachfrage- und Angebotsprozesse sparen sie sich. Wenn Straus ein Teil braucht, hat Weinert es hergestellt.
So gehen Jahre ins Land, bis Martin Straus zu Martin Weinert sagt: „Willst du mir nicht deinen Betrieb übergeben?“ Der ist überrascht. „Die Frage kam für mich etwas zu früh.“ Er sei damals Ende 50 gewesen, ans Aufhören wollte der Unternehmer nicht denken. Doch der zehn Jahre jüngere Martin Straus drängt. „Irgendwann hätte das von der Finanzierung für mich keinen Sinn mehr gehabt.“ Die beiden kommen ins Gespräch. Martin Weinert weiß, dass seine Kinder das Geschäft nicht übernehmen werden, und ihm wird auch klar: „Ewig will und kann ich das nicht machen.“
Viele Betriebsübernahmen scheitern. Wieso es bei Maschinenbau Weinert anders lief.
Die Verhandlungen dauern zwei Jahre. Den größten Gesprächsbedarf gibt es beim Preis. „Ich als Übernehmer will einen möglichst niedrigen Preis zahlen, der Übergeber will das meiste aus einem Geschäft herausholen, es ist ja auch sein Lebenswerk.“ Besonders schwierig ist die Schätzung der Lagerbestände der Maschinenbau Weinert GmbH. „Wir sind kein Serienhersteller, sondern produzieren Zeichnungsteile individuell für unsere Kunden, entsprechend groß ist unser Lagerbestand gewesen.“ Sie lassen sich von Unternehmensberatern, Steuerberatern und Banken beraten. Am Ende kommt genau der Preis heraus, den sich beide am Anfang vorgestellt hatten. Am 1. April 2023 wird die Übernahme offiziell vollzogen und verkündet.
Martin Weinert:
Man unterschätzt bei der Unternehmensnachfolge den Gesprächsbedarf.
Rückblickend, sagt Martin Weinert, sei es gut gewesen, dass sie so rechtzeitig mit den Übernahmeverhandlungen begonnen hätten. „Man unterschätzt den Gesprächsbedarf.“ Für Martin Straus waren sowohl der Austausch mit einem Unternehmensberater wichtig, der ihm als Ingenieur die betriebswirtschaftlichen Belange aufgezeigt und erläutert habe, als auch die Gespräche mit Martin Weinert. „Unser Ziel war immer, den Betrieb wie er war, weiterzuentwickeln, das Personal und den Kundenstamm zu halten und auszubauen. Dies ist nur mit dem Wissen des Übergebers möglich.“ Darüber hinaus müssten Ressourcen, etwa Unterstützung aus dem familiären Bereich, beschafft werden, um neben dem normalen Alltagsgeschäft Übergabe und Übernahme stemmen können. Auch die Mitarbeiter, es sind mittlerweile 27, müssen auf dem Weg mitgenommen werden. „Doch das war relativ einfach, die kannten mich ja schon lange“, sagt Martin Straus.
Der inzwischen 61-jährige Martin Weinert ist nach wie vor im Betrieb – der nun nur noch Straus GmbH heißt – beschäftigt. Martin Straus sagt, die Expertise werde weiter benötigt. Für Martin Weinert wiederum ist es in Ordnung, dass Martin Straus auf seinen ehemaligen Fluren das Sagen hat und manches anders mache. „Ich bin froh, die Verantwortung abgegeben zu haben.“ Ganz abgelegt hat Martin Weinert das Unternehmertum ohnehin nicht: Mit seinem Sohn braut er Bier, das heißt „Hans“, benannt nach Martin Weinerts Vater, der einst in Mosbach das Café und die Milchbar Weinert führte.
Und wer übernimmt eines Tages die Straus GmbH? Martin Straus erzählt, dass sich die mittlere seiner drei Töchter gerne auf seinen Stuhl im Büro setze und sage: „Mach mal Platz“. Martin Straus sagt: „Wenn sie will, kann sie das Geschäft übernehmen, aber ich übe keinen Druck aus.“


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