Virtuelle Versammlungen im Gesellschaftsrecht

In der Corona-Pandemie führten praktische Zwänge dazu, dass digitale Abstimmungsverfahren im Gesellschaftsrecht kurzfristig ermöglicht werden mussten. 

Einleitung

Durch das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie erhielten betroffene Rechtsformen dauerhaft die Möglichkeit, auch virtuell, handlungsfähig zu bleiben und erforderliche Beschlüsse fassen zu können. Die wesentlichen Eckpunkte zur jeweiligen Rechtsform stellen wir nachfolgend dar.   

Aktiengesellschaft (AG)

Aktionärinnen und Aktionäre können seit dem 27. Juli 2022 ohne Anwesenheit am Versammlungsort an der Hauptversammlung teilnehmen. Gesetzlich wurde dafür ein neuer § 118a in das Aktiengesetz (AktG) eingefügt. Mit der virtuellen Hauptversammlung wird ein wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung des Gesellschaftsrechts erreicht.
Die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung erfordert eine Grundlage in der Satzung; entweder als direkte Festlegung oder als Ermächtigung für den Vorstand. Damit entscheiden die Aktionärinnen und Aktionäre, ob die Versammlung virtuell abgehalten werden kann. Die Satzungsregelung oder -ermächtigung muss auf bis zu fünf Jahre befristet werden. Das Format ist hinsichtlich der Inhalte, die behandelt werden können, nicht beschränkt.
Zudem werden für den Fall der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung verschiedene Voraussetzungen definiert, insbesondere
  • zur Übertragung von Bild und Ton,
  • zur Stimmrechtsausübung,
  • zur Antragstellung und Einreichung von Wahlvorschlägen
  • zu weiteren Aktionärsrechten und
  • der Zugänglichmachung von Unterlagen.
Die Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung gelten wegen § 278 AktG auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Seit dem 1. August 2022 gibt es Erleichterungen bei der Abhaltung virtueller Versammlungen von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern in der GmbH. Dies wurde im Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie geregelt. Laut § 48 GmbHG  können Gesellschafterversammlungen in Präsenz, fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, sofern dem alle Gesellschafter zustimmen. 
Als weitere Alternative zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung wird gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, Gesellschafterbeschlüsse in Textform (also beispielsweise per E-Mail) oder durch schriftliche Stimmabgabe zu fassen. Dies gilt mit Zustimmung aller Gesellschafter auch dann, wenn diese Verfahrensweise nicht in der Satzung vorgesehen ist. Ansonsten haben die Gesellschafter im Rahmen der Satzung/des Gesellschaftsvertrages die Befugnis, Regelungen zur Durchführung der Versammlung und Beschlussfassung zu treffen.

Genossenschaft 

Im Genossenschaftsrecht finden sich die speziellen Regelungen zu den zulässigen Formen der Generalversammlung in § 43b Genossenschaftsgesetz (GenG). Diese kann seit dem 27. Juli 2022 also optimal in Präsenz, vollständig virtuell, hybrid oder auch in einem sogenannten gestreckten Verfahren mit zwei Phasen stattfinden. Die Voraussetzungen für die jeweilige Variante sind dort definiert. Zudem kann die Auswahl grundsätzlich in der Satzung getroffen werden. Ist keine solche Satzungsbestimmung vorhanden, obliegt es in der Regel Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam, nach pflichtgemäßem Ermessen die anzuwendende Form auszuwählen.

Vereine

Mitgliederversammlungen von Vereinen sind seit dem 21. März 2023 hybrid und virtuell möglich.
Die Änderung von § 32 BGB ermöglicht Vereinen grundsätzlich hybride Mitgliederversammlungen, d.h. die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation. Entsprechend § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. kann in der Berufung zu der Versammlung vorgesehen werden, dass die Mitglieder im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können. Zudem können durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen ermöglicht werden. 
In der Einberufung für die hybride oder virtuelle Sitzung muss angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Über den Verweis in § 86 Satz 1 BGB auf § 28 BGB gilt dies auch für Sitzungen von Vereinsvorständen und Stiftungsvorständen entsprechend. 
Das Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht ist im Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 72 vom 20. März 2023, veröffentlicht und am 21. März 2023 in Kraft getreten.
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