Vertriebsoptimierung für einen Megamarkt

Indien rückt im Rahmen von China+1 und seinem starken Wachstum in den Fokus vieler deutscher Unternehmen. Welche Herausforderungen beim Vertriebsaufbau müssen Sie meistern, um in Indien erfolgreich zu sein?  
Der Vertrieb in Indien lässt sich meist nicht von einem einzelnen Standort aus erfolgreich umsetzen. Dafür ist das Land zu groß und die einzelnen Regionen zu unterschiedlich in Bezug auf Kultur, Sprache und Gepflogenheiten. Wichtig ist daher genau zu analysieren, welche Zielkunden und -branchen in Indien wo zu finden sind. Das weiß auch Florian Kühne von der WEISS GmbH in Buchen: “Wir haben uns für Pune als Hauptstandort entschieden, weil dort viele unserer Kunden sind. Zudem gibt es dort ein “deutsches Cluster” und – dank einer wirtschaftsnahen Lokalregierung – eine gute Infrastruktur.” 
Für eine erfolgreiche Marktbearbeitung ist im nächsten Schritt die Vorbereitung der Vertriebsmitarbeiter in Deutschland unerlässlich. Sie sollten vor allem bereit sein, sich auf die kulturellen Besonderheiten einzulassen. Ein Beispiel ist die Kommunikation: WhatsApp Nachrichten am Abend oder am Wochenende sind keine Seltenheit, da in Indien Privates und Geschäftliches nicht so strikt getrennt wird wie in Deutschland.  
Zudem sind Netzwerke das A und O beim Vertrieb in Indien. Hier muss man bereit sein auch persönlich viel zu investieren. Zum Beispiel sind Mitgliedschaften in “Social Clubs” von leitenden Mitarbeitern vor Ort ein sehr wichtiger Baustein. Ziel ist dabei, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und persönliche Bindung zu schaffen. Es ist nicht zu unterschätzen, welche Rolle dies bei Verhandlungen und Abschlüssen spielt. 

Welches Vertriebsmodell ist sinnvoll? 

Neben den eigenen Vertriebsmitarbeitern in Deutschland ist der Partner vor Ort die Schlüsselfigur einer erfolgreichen Marktbearbeitung in Indien. Diesen gilt es sorgfältig auszuwählen. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle, wie beispielsweise den Handelsvertreter oder den Vertragshändler. Diese versprechen einen niedrigschwelligen Markteintritt. Hier ist es ratsam, die Verträge sehr detailliert und umfangreich anzulegen. Da hier das “Common Law” als Basis dient, ist wenig gesetzlich geregelt.  
Allerdings sind die Erfolgsaussichten solcher Modelle auf lange Sicht nicht immer nachhaltig. Das kann auch Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der AHK Indien mit Hauptsitz in Mumbai, bestätigen: “Eine Herausforderung besteht darin, Vertriebspartner vor Ort davon zu überzeugen, sich im Detail mit den Produkten und deren anspruchsvoller Technologie zu beschäftigen und sie nicht nur zur Abrundung des eigenen Portfolios aufzunehmen.” Er unterstützt mit seinem Team deutsche Unternehmen bei ihren Investitionen in Indien. Früher wollten die Unternehmen einen passenden Handelsvertreter oder Vertriebspartner finden. Immer häufiger jedoch wollen die Unternehmen gleich einen Schritt weitergehen und eine eigene Vertriebsstruktur in Indien aufbauen. “In der letzten Zeit sehen wir eine deutliche Zunahme bei Firmengründungen in Indien. Die AHK alleine hat in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits über 15 Unternehmen dabei begleitet. Das ist ein Drittel mehr als in den Vorjahren”, so Halusa. 

Was ist bei der Rechtsform zu beachten? 

Ein Unternehmen vor Ort zu gründen, beispielsweise in Form einer Privat Limited (ähnlich einer GmbH), kann auch zu einem frühen Zeitpunkt schon sinnvoll sein. Die Vorteile liegen hier auf der Hand: Das Mutterhaus in Deutschland kann direkt auf Qualität, Marketing, Verkaufsprozesse oder auch After-Sales-Standards einwirken. Außerdem bietet es die Möglichkeit bei erfolgreicher Marktbearbeitung, den Vertrieb und weitere Geschäftsaktivitäten zügig auszubauen.  
Andere Rechtsformen wie beispielsweise ein Liaison Office (ähnlich einer Repräsentanz) beschränken die Geschäftstätigkeit in Indien sehr stark und sind in der Gründung ähnlich teuer und zeitaufwendig wie eine Private Limited. 
Ob ein Joint Venture mit einem indischen Partner von Nutzen ist, sollte ganz genau geprüft werden. Eine spätere Trennung kann schwierig, langwierig und kostspielig sein. Viele Unternehmen, die die Entscheidungshoheit nicht aus den Händen geben möchten, setzen daher einen sorgfältig ausgewählten, gut vernetzten, indischen Geschäftsführer ein. Dieser bringt ähnliche Vorteile wie ein indischer Joint-Venture-Partner mit.  

Was erwartet mich bei Preisverhandlungen? 

Oberste Regel beim Verhandeln in Indien: Es braucht viel Geduld! Mehrere, stundenlange Verkaufsgespräche sind dabei keine Seltenheit. Das weiß auch Ralf Rohmann, Geschäftsführer der Gustav Eirich Maschinenfabrik GmbH & Co KG in Hardheim: “Man muss “das Spiel” mitspielen, ein Vertrag ist aus indischer Sicht nur gut, wenn er hart ausgehandelt wurde.”  
Inder sind zudem sehr preissensibel. Deutsche Produkte sind hochpreisig und können daher nur durch ein sehr gutes Qualitäts- und Serviceversprechen punkten. Unerlässlich ist es deshalb auch, dass sich die Vertriebsseite des deutschen Unternehmens technisch sehr gut auskennt. Das erwarten indische Kunden von deutschen Partnern. 
Bei den harten Verhandlungen geht es aber nicht nur um Preis und Qualität. In den Gesprächen wird auch geprüft, wie ernst es die deutsche Seite meint. Ist das echte Interesse abgeklopft, knüpfen Inder gerne intensive Kontakte, auch auf persönlicher Ebene. 
Einen wichtigen Tipp hat Rohmann für deutsche Unternehmen noch zum Thema Verhandlungen: “Wenn die Forderungen der indischen Seite zu sehr aus dem Ruder laufen, kann es durchaus hilfreich sein, den Verhandlungstisch zu verlassen. Bei einem echten Kaufinteresse wird Sie der indischen Kunde wieder kontaktieren – auf gewohnt höfliche und freundliche Art.”
Lesen Sie auch das Interview ”Netzwerke sind in Indien unerlässlich” mit Florian Kühne, CSO und CCO der WEISS GmbH aus Buchen.