Verfahren vor den europäischen Gerichten

Auf EU-Ebene gibt es den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und darin eingegliedert das Europäische Gericht erster Instanz (EuG). Die Aufgabe des EuGH ist die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EG-Vertrages.

Welche Europäischen Gerichte gibt es?

Der EuGH besteht aus 15 Richtern, die für jeweils sechs Jahre von den Regierungen ernannt werden. Für den gleichen Zeitraum erhalten diese Richter Unterstützung von acht Generalanwälten. Das Europäische Gericht erster Instanz ist für bestimmte Gruppen von Klagen zuständig, zum Beispiel Beamtenrechtsstreitigkeiten und Klagen natürlicher und juristischer Personen. Gegen Entscheidungen kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden; Sitz dieser beiden Gerichte ist Luxemburg.
Daneben gibt es noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dieser ist vom EuG und EuGH zu unterscheiden. Er wendet kein Gemeinschaftsrecht an, sondern behandelt Beschwerden bezüglich der Europäischen Menschen-Rechtskonvention (EMRK).

Welche Klagemöglichkeiten gibt es?

Es gibt das Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226, 227 EGV (Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft), die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EGV, die Untätigkeitsklage gemäß § 232 EGV, das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV und einen Schadensersatzanspruch gemäß Art 235 EGV i. V. m. Art. 288 Abs. 2 EGV.

Vertragsverletzungsverfahren

Zum Vertragsverletzungsverfahren kommt es, wenn die Überzeugung besteht, dass ein Mitgliedstaat gegen primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Auf ein Verschulden des Mitgliedstaates kommt es dabei nicht an. Das Verfahren kann sowohl von der Europäischen Kommission als auch von den anderen Mitgliedstaaten eingeleitet werden. Diese Verfahrensart sichert das objektive Recht.
Eine Verletzung eigener Rechte ist nicht Verfahrensvoraussetzung.
Dem eigentlichen Klageverfahren geht ein Vorverfahren voraus, bei dem der Mitgliedstaat durch ein erstes Mahnschreiben auf seine Verfehlung hingewiesen wird und Gelegenheit zur Äußerung erhält.

Nichtigkeitsklage

Mit der Nichtigkeitsklage wird die Rechtmäßigkeit von Rechtsakten des Europäischen Parlaments, des Rates der EU, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank überwacht. Klageberechtigt sind die Mitgliedstaaten, der Europäische Rat, die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, der Europäische Rechnungshof, die Europäische Zentralbank sowie natürliche und juristische Personen. Das bedeutet, dass auch Unternehmen direkt klagen können.
Allerdings benötigen sie des Weiteren eine Klagebefugnis. Voraussetzung ist, dass die Entscheidung an sie gerichtet ist und sie unmittelbar und individuell betroffen sind.
Die Nichtigkeitsklage ist dann die richtige Vorgehensweise, wenn es:
  • um die Unzuständigkeit des handelnden Organs,
  • die Verletzung von wesentlichen Formvorschriften,
  • die Verletzung dieses Vertrags oder
  • einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnormen oder Ermessensmissbrauch geht.
Sie ist gegenüber verbindlichen Rechtshandlungen, nämlich:
  • Verordnungen,
  • Richtlinien und
  • Entscheidungen zulässig.
Die Klage muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der angegriffenen Handlung bzw. der Kenntnis von der Handlung erhoben werden.

Untätigkeitsklage

Mit der Untätigkeitsklage kann gegen das gemeinschaftsrechtswidrige Untätigbleiben des Europäischen Parlaments, des Rates der EU oder der Europäischen Kommission vorgegangen werden. Ziel der Untätigkeitsklage ist die Feststellung, dass das Untätigbleiben eines Gemeinschaftsorgans gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Das Verfahren ist subsidiär zur Nichtigkeitsklage, was bedeutet, dass es nur dann angewandt werden darf, wenn letztere nicht in Betracht kommt. Klageberechtigt sind die Mitgliedstaaten, die Organe der Gemeinschaft/Union, die Europäische Zentralbank und natürliche und juristische Personen. Die natürlichen und juristischen Personen können sich dagegen wehren, dass ein Gemeinschaftsorgan es unterlassen hat, an sie einen anderen Akt als eine Empfehlung oder Stellungnahme zu richten. Auch hier ist ein Vorverfahren durchzuführen in der Form, dass das betroffene Organ zum Tätigwerden aufzufordern ist. Wenn der Aufforderung zum Tätigwerden nicht innerhalb einer zweimonatigen Frist nachgekommen wird, kann innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten Klage erhoben werden.

Vorabentscheidungsverfahren

Das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art 234 EGV soll die einheitliche Anwendung und Geltung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten. Dies geschieht dadurch, dass die Befugnis zur letztverbindlichen Auslegung und Ungültigkeitserklärung von Gemeinschaftsrecht allein der europäischen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Mit dem Vorlageverfahren haben die nationalen Gerichte die Möglichkeit, Fragen bezüglich des europäischen Rechts an den EuGH zu stellen. Der Gerichtshof entscheidet nicht den vor dem nationalen Gericht weiter anhängigen Rechtsstreit. Er nimmt Stellung zu einer abstrakt formulierten Rechtsfrage. Der Inhalt dieser Fragen kann die Auslegung des Vertrages, die Gültigkeit oder die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der Europäischen Zentralbank und die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen betreffen. Jedes Gericht eines Mitgliedstaates kann eine solche Frage stellen. Die im konkreten Einzelfall zur letztinstanzlichen Entscheidung berufenen Gerichte sind dazu sogar verpflichtet. Nach der Meinung des vorlegenden Gerichts muss die Frage für den Fall entscheidungserheblich sein, das heißt die Lösung des Falls muss von der Antwort des EuGH abhängen.

Schadensersatzklage

Diese Klage richtet sich auf Schadensersatz für rechtswidriges Handeln oder Unterlassen eines Gemeinschaftsorgans.
Zwischen der rechtswidrigen Amtstätigkeit und dem tatsächlichen Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen.
Diesen Anspruch können die Mitgliedstaaten, natürliche und juristische Personen und alle Personen und Personenvereinigungen, die nach materiellem Recht anspruchsberechtigt sein können, geltend machen. Zu richten ist die Klage gegen das Organ, das den Rechtsakt erlassen hat beziehungsweise dem der Bedienstete angehört.