Szenario Trump II – Tipps für Unternehmen
Wahrscheinlichkeit und Bedeutung einer zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident sind für Unternehmen mit und ohne US-Geschäft so groß, dass es sich durchaus lohnt, sich mit diesem Szenario frühzeitig auseinanderzusetzen. Wir gehen ein auf Eintrittswahrscheinlichkeit, Auswirkungen und Möglichkeiten zur Vorbereitungen.
- Eintrittswahrscheinlichkeit
- Auswirkungen
- Prohibitive Importzölle – auch kurzfristig
- Spill-Over-Effekte nach Deutschland, Europa und auf Drittmärkte
- Vietnam und andere Ausweichrouten
- Local-Content-Anteile
- Mitarbeiterentsendungen und Chancen auf Fachkräfte
- Technologieführerschaft: Exterritoriale Sanktionen
- Politikkontakte pflegen
- Jobs, Jobs, Jobs
- Rechtssicherheit: Auf Schiedsgerichte setzen?
Eintrittswahrscheinlichkeit
US-Präsident Joe Biden hat Ende Juli den Rückzug seiner erneuten Kandidatur angekündigt und seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Nachfolgerin empfohlen. Umfragen deuten derzeit auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Klar ist schon heute, dass der Wahlausgang knapp ausfallen dürfte und die Stimmergebnisse in wenigen Swing-States entscheidend sein werden.
Tipp: Informieren Sie sich bei Project 538 über aktuelle Umfrageergebnisse.
Nach den derzeitigen Umfragen läge die Eintrittswahrscheinlichkeit von Trump II aktuell bei etwa 50 Prozent. Schon dies ist Grund genug, sich mit den Auswirkungen auf das eigene Unternehmen einer Trump II-Administration zu beschäftigen.
Wir verzichten an dieser Stelle auf weitere Wahlarithmetik, weil sie am Ende zu einer ähnlich hohen Eintrittswahrscheinlichkeit führt; also auch bei Berücksichtigung der Situation in den Swing States, der wahlentscheidenden Themen, der voraussichtlichen Wählermobilisierung, von Gerichtsverfahren und zu erwartender Wahlbeeinflussungen etwa durch Deepfakes insbesondere im Oktober.
Auswirkungen
Einige der zu erwartenden Auswirkungen für Unternehmen in unserer Region, egal ob mit oder ohne US-Geschäft, lassen sich durch die Erfahrungen mit Trump I abschätzen.
Dabei werden die Auswirkungen auf Unternehmen in ihrer Intensität deutlich stärker sein als bei Trump I. Drei Hauptgründe dafür sind:
- Checks and Balances innerhalb der US-Administration und durch die (anderen Teile der) US-Legislative, US-Gerichte und Medien wird es bei Trump II deutlich weniger als Trump I geben.
- Erratische Entscheidungen durch ein Denken in Deals, zu denen es Unberechenbarkeit brauche, werden in einer geopolitisch gegenüber 2017 bis 2021 nochmals deutlich angespannteren und komplexeren Weltlage in 2025 bis 2029 extremere Auswirkungen haben – selbst auf rein in der Metropolregion Rhein-Neckar tätige Unternehmen
- Viele supranationale Organisationen, die alle Akteure weltweit ein Stück weit einhegen, sind im Vergleich zur Zeit von Trump I deutlich geschwächt (siehe UNO). Andere können unter Trump II schnell an Kraft verlieren, zum Beispiel wenn Trump die in Artikel 5 des Washingtoner Vertrags verankerte Beistandspflicht zwischen den NATO-Partnern in Frage stellt.
Prohibitive Importzölle – auch kurzfristig
Exporteure von Waren in die USA sollten sich darauf einstellen, dass ihr Zugang zum US-Markt unter Trump II auch kurzfristig stark eingeschränkt werden oder sogar wegfallen kann. Das lehrt Trump I, stark von Trump I eingesetztes Instrument sind dabei prohibitiv hohe Zusatzzölle auf Importe. Die EU wird als Gegenmaßnahme ebenfalls mit Strafzöllen reagieren, so dass Importeure von Waren aus den USA mit einer Verteuerung der Importe rechnen müssen.
Trump verfolgt eine merkantilistische Handelspolitik. Er schaut dabei sehr auf Handelsbilanzen. Handelsbilanzdefizite sind ihm ein Graus. Die USA haben traditionell hohe Handelsbilanzdefizite; seit Jahren schon insbesondere gegenüber der Volksrepublik China, Deutschland und Mexiko. Da Deutschland Teil der Europäischen Union ist, richtet sich Trumps Blick sowohl auf Deutschland als auch die EU. Sehr aufschlussreich ist seine Aussage vom 1. Juli 2018 auf Fox News: “The European Union is possibly as bad as China – just smaller, o.k.?” Insbesondere die deutsche Automobilindustrie und die aus seiner Sicht zu hohen Kfz-Importe aus der EU hatte er dabei im Blick.
Nicht nur Automobilbauer und -zulieferer haben wegen dieser Sichtweise, der sich in den USA bietenden Geschäftschancen und auch der von Biden gerade in Zukunftsbranchen verfolgten Local-Content-Politik reagiert und ihre Vor-Ort-Kapazitäten in den USA schon in den letzten Jahren ausgebaut – mit entsprechenden Auswirkungen für Zulieferer auch auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen.
Trotz dieser erhöhten Vor-Ort-Fertigungskapazitäten in den USA stiegen die Pkw-Exporte aus Deutschland in die USA weiter von 21,2 Milliarden (Mrd.) Euro im Jahr 2018 um über 25 Prozent auf 26,9 Mrd. Euro in 2023 an. Zwar wuchsen auch die Pkw-Importe aus den USA nach Deutschland um netto 3,4 Mrd. Euro. Das Handelsbilanz-Defizit der USA wuchs damit aber weiter von knapp 17 Mrd. Euro auf gut 19 Mrd. Euro in diesem Zeitraum an.
Auch insgesamt stiegen die Importe von Pkw in die USA jüngst deutlich an, von 147,8 Mrd. US-Dollar (US$) im Zeitraum Oktober 2021 bis Oktober 2022 auf 186 Mrd. US$ in der Folgeperiode Oktober 2022 bis Oktober 2023; ein Plus von fast 26 Prozent innerhalb eines Jahres.
Natürlich ist das Fokussieren auf einzelne Warengruppen, wie auch auf den reinen Warenverkehr eine sehr verkürzte Sicht von Wirtschaft und wirtschaftlichen Vorteilen, aber es entspricht dem Denken einer Trump I und voraussichtlich auch Trump II Administration.
Tipp: Schauen Sie sich sowohl die Import- und Exportzahlen der USA für Sie relevanter Warengruppen mit Deutschland und der EU, aber auch mit anderen für die Produkte relevanten Ländern an. Erste hilfreiche Datensätze gibt es beim US Census Bureau ohne Registrierung: Umfangreichere Datensätze und damit tiefergehende Analysen sind nach Registrierung möglich.
Spill-Over-Effekte nach Deutschland, Europa und auf Drittmärkte
Schotten sich die USA in Marktsegmenten ab, kann der Wettbewerbsdruck auf anderen Märkten stark ansteigen. Bleiben wir zur Illustration beim Automotivmarkt. Natürlich lohnt es sich für die eigenen Produktgruppen zu überlegen, ob sich die Wettbewerbssituation in Deutschland, im EU-Binnenmarkt oder in wichtigen Drittmärkten verändern kann, weil zusätzliches Angebot in diese Märkte drückt, das nicht in die USA gelangen kann.
Die meisten Pkw-Importe in die USA stammten zwischen Oktober 2022 und Oktober 2023 laut US-Census wertmäßig aus Mexiko (38 Mrd. US$), Japan (36,6 Mrd. US$) und Kanada (31,3 Mrd. US$). Aus der Volksrepublik China stammten gerade einmal Pkw-Importe für 1,3 Mrd. US$. – und das bei der Bedeutung des US-Automotivmarktes und den Überkapazitäten der chinesischen Automobilindustrie.
Laut Jörg Wuttke, langjähriger Präsident der Europäischen Handelskammer in China, verfügen chinesische Autobauer mittlerweile über eine Fertigungskapazität von 50 Millionen Autos im Jahr. Der chinesische Heimatmarkt nimmt aktuell aber nur 23 Millionen Autos im Jahr auf. Wenn die verbleibenden Überkapazitäten chinesischer Hersteller ihren Weg nicht in die USA finden können, werden sie sich andere Absatzmärkte suchen.
Vietnam und andere Ausweichrouten
Vietnam galt in den letzten Jahren als Paradebeispiel für einen Ausweichfertigungsstandort zur Volksrepublik China, um aus Fernost auch den US-Markt beliefern zu können. Mit entsprechenden Folgen: Inzwischen weisen die USA ihr drittgrößtes Handelsbilanzdefizite nach dem mit der Volksrepublik China (-258,8 Mrd. US$) und Mexiko (-138,8 Mrd. US$) mit Vietnam aus (-95 Mrd. US$). Zum Vergleich: US-Handelsdefizit mit Deutschland (-76 Mrd. US$).
Wer bisher diesen Weg über Vietnam zum Beliefern des US-Marktes gewählt hat, könnte ihn bei Trump II und dem merkantilistischen Ansatz durch hohe Zusatzzölle oder Kontingente künftig verbaut sehen. Denn anders als Kunden in Mexiko und Deutschland kaufen Kunden in Vietnam bislang kaum Waren aus den USA (Mexiko: 297 Mrd. US$, EU-27: 337 Mrd. US$, davon Deutschland: 70 Mrd. US$, Vietnam: 8 Mrd. US$). Die Möglichkeit zu Retorsionsmaßnahmen in Form von Zöllen auf US-Produkte, über die die Europäische Union durch den hohen Importwert klar verfügt, hätte Vietnam so gut wie nicht. Allerdings kann Vietnam auch für eine Trump II Administration eine hohe geopolitische Bedeutung in Südostasien haben. Ob das so ist, ist allerdings aktuell schwer abschätzbar.
Wer bisher diesen Weg über Vietnam zum Beliefern des US-Marktes gewählt hat, könnte ihn bei Trump II und dem merkantilistischen Ansatz durch hohe Zusatzzölle oder Kontingente künftig verbaut sehen. Denn anders als Kunden in Mexiko und Deutschland kaufen Kunden in Vietnam bislang kaum Waren aus den USA (Mexiko: 297 Mrd. US$, EU-27: 337 Mrd. US$, davon Deutschland: 70 Mrd. US$, Vietnam: 8 Mrd. US$). Die Möglichkeit zu Retorsionsmaßnahmen in Form von Zöllen auf US-Produkte, über die die Europäische Union durch den hohen Importwert klar verfügt, hätte Vietnam so gut wie nicht. Allerdings kann Vietnam auch für eine Trump II Administration eine hohe geopolitische Bedeutung in Südostasien haben. Ob das so ist, ist allerdings aktuell schwer abschätzbar.
Local-Content-Anteile
Local-Content-Anteile sind auch der Biden I-Administration nicht fremd (siehe etwa Inflation Reduction Act). Sie dürften unter Trump II aber eine noch größere Rolle spielen und noch häufiger als populistisches Mittel der Politik eingesetzt werden. Darauf sollten sich Unternehmen einstellen.
Das lehrt Trump I: Unter der ersten Trump-Administration verhandelten zum Beispiel auf Initiative und Druck der Trump-Administration Kanada, Mexiko und die USA das Freihandelsabkommen USMCA als Nachfolger für NAFTA aus. Kern von USMCA sind Local-Content-Vorschriften. Sie gab es schon im Rahmen von NAFTA, wurden aber auf Druck von Trump I erhöht. Trump hatte zum Beispiel für Automobile eine Anhebung von 62,5 Prozent Fertigungsanteil in Kanada, Mexiko und den USA auf 85 Prozent Fertigungsanteil gefordert. Zusätzlich hatte Trump gefordert, dass 50 Prozent der gesamten Fertigung in den USA erbracht sein sollten, damit ein Auto frei in der Freihandelszone zirkulieren konnte. Am Ende einigten sich die drei Vertragsstaaten auf eine Anhebung des Local-Content-Anteils von 62,5 Prozent auf 75 Prozent.
Mitarbeiterentsendungen und Chancen auf Fachkräfte
Migration wird wahrscheinlich das am stärksten von den Republikanern gepushte Wahlkampfthema sein. Vorrangig geht es um die Masseneinwanderung aus Lateinamerika über die südliche Grenze der USA.
Trump I lehrt jedoch, dass auch ganz andere Gruppen von Einwanderungs- und Einreisebeschränkungen betroffen sein können. Auch kurzfristig. So setzte Trump per Proklamation am 22. Juni 2020 das für die Einreise qualifizierter Arbeitskräfte in die USA zentrale H-1B-Visumprogramm und andere Arbeitsvisa-Programme aus – und zwar schon ab dem 24. Juni 2020. Biden I setzte diese Verfügungen wieder außer Kraft.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass im Zweifel nicht nur ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unter Trump II in den USA ohne die Kreativität und das Wissen ausländischer Fachkräfte auskommen werden müssen. Auch zum Beispiel die Entsendung von Servicepersonal für Inbetriebnahmen, Wartungen, Reparaturen und ähnlichen Leistungen könnte unter Trump II im Vergleich zu heute schwieriger werden.
Tipp: Prüfen Sie, ob Fernwartungslösungen für den US-Markt für Ihr Unternehmen möglich und sinnvoll sein könnten.
Technologieführerschaft: Exterritoriale Sanktionen
Der Wettstreit um die technologische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert zwischen der Volksrepublik China und den USA dürfte weiter zunehmen. Aktuell erleben wir ihn am offensichtlichsten bei Hochleistungschips und 5G- und 6G-Technologie. Künftige US-Administrationen werden noch stärker auf das Mittel exterritorialer Sanktionen im Hochtechnologie-Bereich setzen, etwa bei KI.
Bei Trump II könnte dieses Mittel aber auch schnell Anwendung außerhalb der Hochtechnologie finden. Es kann dabei fast alle Bereiche treffen, indem diese als für die nationale Sicherheit der USA bedeutend eingestuft werden.
Politikkontakte pflegen
Der Einfluss anderer auf Trump ist begrenzt. Selbst wer ihm über Jahre treu ergeben ist, kann in Ungnade fallen, wie auch das Beispiel seines Vizepräsidenten Mike Pence zeigt. Dennoch dürfte es sich lohnen, zu lokalen Politikern Kontakte zu besitzen. Es gibt nur 100 US-Senatoren, aber 435 US-Repräsentanten. Zahlenmäßig ist der Kontaktaufbau zu einem Repräsentanten dadurch leichter. Alle Repräsentanten werden alle zwei Jahre neu gewählt. Zwar sind die meisten Kandidaten für die Wahl am 5. November 2024 noch nicht offiziell nominiert, aber durch die zunehmend in den USA grassierende Wahlkreisoptimierung, dürften in vielen Wahlkreisen die bisherigen Amtsinhaber auch die neuen Repräsentanten sein, wenn sie sich zur Wiederwahl stellen. Eine Kontaktaufnahme mit den aktuellen Volksvertretern könnte sich deshalb schon jetzt lohnen.
Tipp: Versuchen Sie, Kontakte zu lokalen Politikern wie dem Repräsentanten oder Senator der Standortgemeinde beziehungsweise des Sitzstaates im US-Kongress herzustellen; entweder über die eigene Tochtergesellschaft oder über den US-Distributor, der Ihre Produkte in den USA vertreibt.
Jobs, Jobs, Jobs
Was bei den Repräsentanten und Senatoren als Hauptargument zählt, sind gutbezahlte Arbeitsplätze. Wer in Amerika seinen Arbeitsplatz verliert, verliert in aller Regel auch seine Krankenversicherung und fällt schnell durch das schwache soziale Netz. Die Fallhöhe für US-Amerikaner ist also hoch. Ein die Lebenshaltungskosten deckender Job ist entsprechend viel wert. Wer also Jobs im eigenen Tochterunternehmen oder bei seinem US-Partner schafft, sollte damit argumentieren und das auch in der Öffentlichkeit hervorheben.
Tipp: Wer das mit eigenen Jobs nicht kann, kann zumindest mit den von deutschen Unternehmen geschaffenen Jobs in den US-Bundesstaaten argumentieren. Mehr dazu erfahren Sie bei German Business in the USA.
Rechtssicherheit: Auf Schiedsgerichte setzen?
Die USA haben bisher ein starkes Rechtssystem. Dieses könnte unter Trump II ins Wanken geraden. Trump hat angekündigt, bei einer erneuten Amtszeit die Justiz und die Gerichte dafür zu nutzen, jene zu verfolgen, die ihm aus seiner Sicht schaden wollten. Das Rechtssystem wird damit instrumentalisiert werden. Es droht, seine Unabhängigkeit zu verlieren. Erst punktuell. Aber mit der Zeit kann das Rechtssystem unter Trump II insgesamt ins Rutschen geraten, weil das Instrumentalisieren der Justiz für persönliche Zwecke vorgelebt durch einen Präsidenten auf anderen Ebenen Nachahmer finden kann. Klagen gerade auf staatliche Genehmigungen oder gegen säumige staatliche Zahler könnten als erstes darunter leiden.
Tipp: Unternehmen sollten die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls zum Beispiel über das Verankern einer Schiedsgerichtsklausel in ihren Verträgen mit US-Partnern nachdenken.