Herausforderung nachhaltige Investitionen – Sustainable Finance
Um die Ziele des Green Deal zu erreichen, sieht die EU-Kommission im Finanzsektor eine Schlüsselrolle und veröffentlichte im März 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (“Sustainable Finance”). Dieser soll dazu beitragen, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Kapitalflüsse sollen gezielt in nachhaltige Projekte und Unternehmen gelenkt werden.
Green Deal
Der Finanzsektor soll im Rahmen einer zukünftigen Sustainable-Finance-Strategie zum Green Deal beitragen:
- Investitionen sollen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen gelenkt werden
- Wachstum soll langfristig auf nachhaltige Weise finanziert werden
- Beitrag zur Schaffung einer kohlenstoffarmen, klimaresistenten und kreislauforientierten Wirtschaft soll gegeben sein
EU-Taxonomie als zentrales Element
Die im Juni 2020 durch das EU-Parlament verabschiedete Taxonomieverordnung ist Kernstück des EU-Aktionsplans. Sie soll ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten schaffen.
Konkret werden Finanzmarktteilnehmer wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen oder Versicherungen verpflichtet offenzulegen, inwiefern durch ein als nachhaltig vertriebenes Finanzprodukt (OGAW, IBIP, AIF, Altersvorsorgeprodukt etc.) in Wirtschaftstätigkeiten investiert wird, die den Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie entsprechen.
Die Taxonomieverordnung definiert dazu sechs Umweltziele. Als “nachhaltig” im Sinne der EU-Taxonomie gelten wirtschaftliche Tätigkeiten, die zu mindestens einem dieser sechs Umweltziele erheblich beitragen, ohne dabei einem anderen Ziel signifikant zu schaden.
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen
Berücksichtigt werden sollen einerseits Tätigkeiten, die durch ihre eigene Leistung einen direkten Beitrag haben (bspw. CO2-arme Strombereitstellung) oder andererseits einen positiven Beitrag einer anderen Tätigkeit ermöglichen (bspw. Herstellung einer Windkraftanlage).
Die Erarbeitung der Nachhaltigkeitskriterien für die sechs genannten Umweltziele obliegt der Sustainable Finance Plattform. Die Kriterien werden anschließend von der Kommission mittels delegiertem Rechtsakt festgelegt. Für die beiden erstgenannten Ziele, also Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, ist die entsprechende delegierte Verordnung bereits verabschiedet. Für die übrigen Ziele wurde am 5. April 2023 ein Vorschlag vorgelegt.
Berichtspflichten für Unternehmen
Unternehmen, die zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, müssen nach Art. 8 der Taxonomieverordnung angeben, in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Dazu müssen Nicht-Finanzunternehmen den “taxonomiekonformen” Anteil an Umsatzerlösen, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben ausweisen, Finanzunternehmen die sog. “Green Asset Ratio” – den Anteil des nachhaltigen Geschäfts an der Bilanzsumme. Dies wird zukünftig auch alle Unternehmen betreffen, die erst durch die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) berichtspflichtig werden.
Die Berichtsinhalte und -struktur sollen mittels verbindlicher EU-Nachhaltigkeitsstandards dargestellt werden. Entwickelt wurden die Entwürfe von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) . Diese fachlichen Stellungnahmen der EFRAG werden von der EU-Kommission bei der Entwicklung der delegierten Verordnung berücksichtigt. 2022 wurden die erste Entwurfsfassung vorgelegt. Noch vor der formalen Verabschiedung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie, hat die IHK-Organisation die Entwürfe kritisch geprüft und festgestellt, dass diese aus überwiegender Sicht weder praktikabel noch verhältnismäßig für die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen waren. EFRAG hat die ersten Standardentwürfe nochmals überarbeitet und im November 2022 der EU-Kommission übermittelt, die nun ihrerseits die Standardentwürfe prüft und dann als delegierte Verordnung erlassen wird. Auch die überarbeiteten Standardentwürfe sind für die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen, die künftig einen Nachhaltigkeitsbericht beziehungsweise einen erweiterten Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen, weder verhältnismäßig noch praktikabel. Die IHK-Organisation hat daher nochmals entsprechenden Überarbeitungsbedarf angeregt.
Für KMUs sieht die CSRD Erleichterungen vor. Diese können den Umfang ihres Nachhaltigkeitsberichts beschränken – für diesen Zweck sollen nach der CSRD spezifische europäische KMU-Nachhaltigkeitsstandards erlassen werden.
Die EU-Kommission soll die verbindlichen europäischen Standards Mitte 2023 in Form delegierter Rechtsakte erlassen. Die vorgesehenen sektoralen europäischen Berichtsstandards sowie der Standard für kapitalmarktorientierte KMU sind bis 30. Juni 2024 von der Kommission zur Verfügung zu stellen.
Format
Organisationen sollen nicht mehr wählen können, wo sie die Informationen veröffentlichen. Die geforderten Angaben sollen zukünftig im Lagebericht des Geschäftsberichts enthalten sein. Dieser soll spätestens vier Monate nach Geschäftsjahresende erscheinen.
Auch soll die Veröffentlichung in einem maschinenlesbaren Format erfolgen. Das “Single electronic Reporting Format” schreibt zukünftig ein Tagging der Nachhaltigkeitsinformationen vor und soll die Kompatibilität mit dem von der EU noch zu entwickelndem “European Single Access Point” herstellen, einem zentralen Register für digital aufbereitete Berichte.
Prüfung
Der Nachhaltigkeitsbericht als separater Abschnitt des Lageberichts muss künftig zur Erlangung begrenzter Sicherheit und später zur Erlangung hinreichender Sicherheit geprüft werden.
Verantwortung
Das Management soll aktiv und nachweislich die Verantwortung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung tragen. Der Bilanzeid, der sich bislang nur auf die Finanzberichterstattung bezieht, soll so auf den Nachhaltigkeitsbericht ausgeweitet werden Weiterhin ist der Aufsichtsrat wie bislang schon verantwortlich für die Überwachung der Berichterstattung.
Handlungsfelder
Im Rahmen von Sustainable Finance zeichnen sich aktuell drei Handlungsfelder ab, die dazu führen, dass sich alle Unternehmen zukünftig verstärkt mit dem Thema einer nachhaltigen Berichterstattung auseinander setzten müssen.
- Verpflichten neue Gesetze und Verordnungen Unternehmen direkt und unmittelbar zu einer nachhaltigen Berichterstattung. So müssen größere, kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen, die unter den Anwendungsbereich der Corporate Social Responsibility (CSR)-Richtlinie fallen, ab 2022 in ihrem Lagebericht angeben, inwiefern ihre Tätigkeiten im Geschäftsjahr 2021 den neuen Taxonomie-Kriterien entsprachen.
- Es ist zu erwarten, dass große Unternehmen die neuen Anforderungen in der Berichtspflicht in der Lieferkette weitergeben. Für Unternehmen, die nicht direkt unter den Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung oder der CSR-Richtlinie fallen, bedeutet dies mittelbar ebenfalls Auskunft über ihre Tätigkeiten mit Blick auf Nachhaltigkeits-Kriterien geben zu können.
- Banken sind in diesem Kontext angehalten, Nachhaltigkeitsrisiken, inklusive Klimarisiken und Risiken aus dem Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft, in angemessener Weise zu berücksichtigen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Banken, Kreditinstitute und Versicherungen verstärkt Kundebeziehungen auf Transformationsrisiken hin überprüfen und entsprechende Berichte von Unternehmen bei der Unternehmensfinanzierung einholen werden. Im schlimmsten Fall werden an Betriebe, deren Geschäftszweck die oben benannten Ziele nicht eindeutig befördert, keine Kredite mehr vergeben.
Konkrete Auswirkungen auf Unternehmen
Eine indirekte Lenkungswirkung über den Finanzmarkt auf das Thema Nachhaltigkeit, stellt eine neue Reichweite in der Finanzmarktregulierung dar.
Bisher war die Finanzmarktregulierung in ihrer Funktion auf die Stabilisierung von Märkten beschränkt. Mit der Ausdehnung auf das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere Klimaschutz drohen nicht intendierte Nebenwirkungen. Eine der großen Gefahren ist beispielsweise, dass “Sustainable Finance” zum Verhinderungsinstrument von Investitionen in andere Sektoren und Zukunftsfeldern wie beispielsweise der Digitalisierung wird. Auch könnte das Eingreifen eines weiteren Instruments in die Klimapolitik das Funktionieren des erfolgreichen CO2-Handels behindern und absurdum führen.
In jedem Fall jedoch sind nachfolgende vier Herausforderungen klar zu identifizieren, welche zukünftig von Unternehmen zu bewältigen sein werden und das Kerngeschäft zusätzlich belasten könnten:
- Mehr Bürokratie durch zusätzliche Reportings und umfangreichere Berichterstattung
- Zusätzlicher Ressourcenaufwände für Datenerfassung und Aufbereitung
- Höhere Kreditkosten, wenn Transformations- oder Klimarisiken vermutet werden
- Einschränkung oder Kreditverweigerung aufgrund fehlender Unternehmensberichte oder einer ungünstigen Taxonomiezuordnung
Wie können sich Unternehmen wappnen?
Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass alle Unternehmen zukünftig Angaben zur Nachhaltigkeit ihres Unternehmens machen müssen.
Unternehmen, die sich führzeitig darauf einstellen haben die Chance neue Kunden zu gewinnen, die sich abzeichnenden Bürokratiekosten zu begrenzen und gute Konditionen bei der Unternehmensfinanzierung zu erzielen. Für Unternehmen, die die Kriterien nicht erfüllen, könnten sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtern beziehungsweise der Zugang zu Finanzierungen gar verwehrt werden.
Um die Bürokratiekosten zu reduzieren, ist es für Unternehmen empfehlenswert auf bestehende und im Betrieb etablierte Berichte und Audits zurückzugreifen und diese in einem übergeordneten Nachhaltigkeitsbericht zusammenzuführen.
In vielen Fällen bestehen bereits Zertifizierungen und Audits, welche sich den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) zuordnen lassen. So ist etwa der ganze Bereich des Arbeitsschutzes und der Mitarbeiterförderung der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit zuzuordnen.
Maßnahmen und Managementinstrumente, wie beispielsweise EMAS im Themenfeld der Energie- und Ressourceneffizienz, sind hingegen Bestandteil der ökologischen Perspektive. Aber auch europäische Vorgaben wie beispielsweise mit Blick auf die Informationspflichten nach REACH Art. 33 können der ökologischen Dimension zugeordnet werden.
Letztlich sind insbesondere auch die wirtschaftlichen Kennzahlen von Interesse für die ökonomische Perspektive, denn nur ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen kann in die sozialen und ökologischen Dimensionen von Nachhaltigkeit dauerhaft investieren.
Die vorhandenen Informationen können anschließend in einem gebündelten Bericht zusammengeführt werden, welcher zukünftig gegenüber Kunden, Banken und Versicherungsinstituten als Nachhaltigkeitsbericht zur Verfügung gestellt werden kann.
Für manche Unternehmen kann es sinnvoll sein, ihr Engagement darüber hinaus im Rahmen einer CO2-Bilanz, einem externen Auditing nach ISO 14064 zur Reduktion von Treibhausgasen oder im Rahmen eines anerkannten Kodex wie dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) zu verdeutlichen (siehe unten).
Hilfestellungen für Unternehmen
Beratungsleitfaden
Die IHK Darmstadt hat einen Beratungsleitfaden für kleine und mittlere Unternehmen zum Thema Green Deal entwickelt. Dieser Beratungsleitfaden unterstützt dabei, das eigene Marktpotenzial im Kontext des Green Deals zu erkennen und Chancen für die eigene Geschäftsentwicklung abzuleiten. Chancen können sich im Idealfall organisch aus dem bisherigen Geschäft entwickeln lassen. Es kann aber auch sein, dass eine Bewertung der Handlungsfelder eine disruptive Geschäftsentwicklung als Option aufzeigt.
Die Publikation "Sustainable Finance – Auswirkungen für kleine und mittlere Unternehmen" der IHK Darmstadt (Stand Juni 2021) enthält weitere Ausführungen zu den Themen
- Status quo der Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU)
- Gefahren für KMU
- Chancen und Stellschrauben für Sustainable Finance bei KMU
Zudem enthält sie eine Checkliste mit Hinweisen, was Unternehmen selbst tun können, um zu Klimaschutz, Nachhaltigkeit, sozialer Entwicklung und guter Unternehmensführung beizutragen.
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