Recht
Verbraucherinsolvenzverfahren: Hinweise für Schuldner
Die Insolvenzordnung räumt Schuldnern die Möglichkeit ein, sich durch ein Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung von ihren Schulden zu befreien. Personen mit Schulden aus ehemals selbständiger Tätigkeit erhalten hier Hinweise zur Durchführung des so genannten Verbraucherinsolvenzverfahrens.
1. Verbraucher im Sinne der Insolvenzordnung
Die Insolvenzordnung differenziert zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren, wobei der Schuldner keine Wahlmöglichkeit hat. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist gemäß § 304 Insolvenzordnung (InsO)grundsätzlich auf natürliche Personen, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, ausgerichtet. Alle zum Zeitpunkt der Antragstellung Selbstständigen, unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit, unterfallen dem Regelinsolvenzverfahren. Ehemals Selbstständigen ist das Verbraucherinsolvenzverfahren jedoch dann eröffnet, sofern die Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (Schuldner als ehemaliger Arbeitgeber) bestehen. Die Überschaubarkeit ist gegeben, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung weniger als 20 Gläubiger, das heißt nicht mehr als 19 Gläubiger hat. Zu Forderungen aus Arbeitsverhältnissen zählen insbesondere Lohn- und Gehaltsansprüche ehemaliger Beschäftigter gegen den Schuldner aber auch mittelbare Ansprüche, wie die Lohnsteuer-Forderungen der Finanzämter und Sozialversicherungsträger.
2. Insolvenzgründe
Ein Insolvenzgrund liegt bei natürlichen Personen vor, wenn sie entweder bereits zahlungsunfähig im Sinne von § 17 InsO sind oder sich für die nächste Zeit eine Zahlungsunfähigkeit abzeichnet (drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine derzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Nur vorübergehende Zahlungsunfähigkeit (Zahlungsstockung) ist dagegen kein Insolvenzgrund. Sie liegt vor, wenn zwar am Tag der Fälligkeit der Forderung keine Mittel zur Bezahlung zur Verfügung stehen, diese Liquiditätslücke von maximal 10 % seiner Gesamtverbindlichkeiten aber entweder direkt durch die Beschaffung etwa eines Bankkredites oder Stundung von Forderungen oder mit den innerhalb von drei Wochen voraussichtlich zu generierenden liquiden Mitteln beseitigt werden kann.
Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird (Prognosezeitraum von 24 Monaten), die bestehenden Zahlungspflichten zum (künftigen) Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Zur Antragstellung ist hier nur der Schuldner berechtigt.
3. Das zuständige Gericht / Der Insolvenzantrag
Um ein Insolvenzverfahren einzuleiten, bedarf es eines entsprechenden Eröffnungsantrags bei dem zuständigen Insolvenzgericht. Insolvenzgerichte sind ausschließlich die Amtsgerichte, in dessen Bezirk auch ein Landgericht seinen Sitz hat (zum Beispiel Ludwigshafen, Landau, Kaiserslautern, Zweibrücken, Pirmasens und so weiter). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz) des Schuldners, es sei denn der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners liegt an einem anderen Ort, dann ist dieser Ort maßgeblich.
Der Eröffnungsantrag für ein Verbraucherinsolvenzverfahren muss auf einem amtlichen Vordruck gestellt werden (https://justiz.de/service/formular/f_insolvenzen/index.php) oder beim zuständigen Insolvenzgericht. Antragsberechtigt sind der Schuldner und die Gläubiger. Um Restschuldbefreiung (siehe unten, Ziffer 4.4) zu erlangen, bedarf es eines Eigenantrags des Schuldners. Der Antrag auf Restschuldbefreiung muss mit dem Insolvenzantrag gestellt werden. Der Antrag gilt nur für die eigene Person. Mitschuldner und Bürgen müssen einen eigenen Antrag stellen. Das gilt auch für Geschäftsführer einer GmbH und persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften, denen eine persönliche Inanspruchnahme durch Gläubiger der Gesellschaft oder den Insolvenzverwalter droht.
4. Das Verfahren
Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird in bis zu vier Stufen abgewickelt:
4.1. Außergerichtlicher Einigungsversuch
Vor Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens muss der Schuldner zwingend versuchen, mit seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Einigungsversuch auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplans herbeizuführen. Dieser Plan ist grundsätzlich mit den Gläubigern frei verhandelbar. Da jedoch in der nächsten Stufe der Antrag auf Insolvenzeröffnung ebenfalls mit einem Schuldenbereinigungsplan verbunden werden muss, empfiehlt es sich, sich auch schon im außergerichtlichen Bereich an den Vorgaben zum gerichtlichen Verfahren zu orientieren. Eine außergerichtliche Einigung ist nur dann erfolgreich, wenn alle Gläubiger zustimmen. Das Schweigen eines Gläubigers ist als Ablehnung zu werten. Betreibt ein Gläubiger während des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Zwangsvollstreckung, gilt der Versuch ebenfalls als gescheitert. Bei absoluter Vermögenslosigkeit ist auch ein sog. "Null-Plan" zulässig, bei dem die Gläubiger auf ihre Forderungen nichts erhalten.
Bleibt der Einigungsversuch erfolglos, kann bei Gericht Insolvenzantrag gestellt werden. Dem Antrag ist die Bescheinigung einer geeigneten Stelle oder Person über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs beizufügen. Geeignete Personen sind zur Rechtsberatung zugelassene Personen, z.B. Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater, etc. Geeignete Stellen sind anerkannte kommunale Schuldnerberatungsstellen, Sozialämter, etc. Es ist empfehlenswert, schon für die Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Unterstützung einer geeigneten Person oder Stelle in Anspruch zu nehmen.
4.2. Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan
Mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung muss der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan vorlegen und darlegen, warum der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert ist. Bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruht das Verfahren über den Antrag auf Insolvenzeröffnung. Dabei kann er auf Planungen des außergerichtlichen Einigungsversuchs zurückgreifen.
Das Gericht entscheidet nach freiem Ermessen, ob der Schuldenbereinigungsplan durchgeführt wird oder nicht. Es wird auf die Durchführung verzichten, wenn die fehlende Zustimmung einzelner Gläubiger nicht ersetzt werden kann. Spricht sich die Mehrheit der Gläubiger nach Kopf und Summen für den Schuldenbereinigungsplan aus, kann das Gericht die Zustimmung der Minderheit ersetzen. Die Zustimmung eines Gläubigers darf nicht ersetzt werden, wenn dieser im Verhältnis zu den anderen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird oder durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird als bei Durchführung des gerichtlichen Verfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung.
Wird der Schuldenbereinigungsplan durchgeführt, gelten die Anträge auf Insolvenzeröffnung und Erteilung von Restschuldbefreiung als zurückgenommen. Der Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs. Aus ihm kann vollstreckt werden, wenn der Schuldner die Vereinbarungen nicht einhält.
4.3 Gerichtliches Verbraucherinsolvenzverfahren
Kommt kein Schuldenbereinigungsplan zustande, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzgericht prüft zunächst, ob die Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Auslagen, Treuhänder) gedeckt sind oder gestundet werden (siehe unten, Ziffer 5). Ist die Kostenfrage geklärt erlässt das Gericht den Eröffnungsbeschluss und macht diesen öffentlich bekannt durch Veröffentlichung im Internet. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist ein Insolvenzverwalter zu bestimmen, der hier jedoch Treuhänder genannt wird. Der Treuhänder ist eine neutrale natürliche Person, die auch vom Schuldner oder Gläubiger vorgeschlagen werden kann. Auf den Treuhänder geht mit dem Eröffnungsbeschluss die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Schuldnervermögen über. Zur Insolvenzmasse gehört das zur Zeit des Eröffnungsbeschlusses pfändbare Vermögen und das Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt (zum Beispiel pfändbarer Teil des Arbeitseinkommens, Zahlungen von Kunden). Aufgrund des bereits durchgeführten Vorverfahrens ist im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren ein Berichtstermin, in dem der Bestand der Forderungen gegen den Schuldner festgestellt würde, nicht erforderlich und das Verfahren kann schriftlich durchgeführt werden.
Nach der Vermögensverteilung durch den Treuhänder wird in einem Schlusstermin, in dem Gläubiger und Treuhänder zu hören sind, durch Beschluss festgelegt, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er seine Obliegenheiten in der Wohlverhaltensphase (Zeitraum zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist) erfüllt und keine Versagensgründe, die auf Antrag des Gläubigers zu prüfen sind, vorliegen.
4.4. Restschuldbefreiung
Ist der Schuldner eine natürliche Person, kann er von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werden (sog. Restschuldbefreiung). Voraussetzung für die Erteilung der Restschuldbefreiung ist zunächst, dass der Schuldner selbst Insolvenzantrag stellt und den Antrag auf Restschuldbefreiung damit verbindet. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist der Antrag auf Restschuldbefreiung innerhalb von zwei Wochen nach entsprechendem Hinweis des Gerichts nachzureichen. Außerdem darf kein Versagungsgrund gemäß § 290 InsO vorliegen. Hierzu gehören unter anderem:
- Die rechtskräftige Verurteilung des Schuldners in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag wegen einer Insolvenzstraftat;
- Falsche Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten drei Jahren vor dem Antrag, um Kredite zu erhalten oder öffentliche Leistungen zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden;
- Verletzung der Erklärungspflicht nach § 287 Abs.1 Satz 3 InsO;
- schuldhafte Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der InsO.
Der Beschluss über die Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen, dem Schuldner steht dagegen sofortige Beschwerde zu. Mit dem Ende des Insolvenzverfahrens (Schlusstermin) beginnt die so genannte Wohlverhaltensphase. Sie dauert drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Während dieser Zeit ist der Schuldner verpflichtet:
- Den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an den vom Gericht bestellten Treuhänder abzutreten;
- Eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, oder, wenn er beschäftigungslos ist, sich intensiv um eine solche zu bemühen und jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen;
- Dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder jeden Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel unverzüglich mitzuteilen.
Wird gegen diese Pflichten verstoßen, kann das Gericht bereits während der Dauer der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagen. Der Treuhänder verteilt die pfändbaren Einkommensanteile quotal an die Gläubiger, das heißt entsprechend ihrem Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten.
Während der Wohlverhaltensphase sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig. Pfändungen werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Nach erfolgreichem Abschluss der Wohlverhaltensphase ergeht seitens des Gerichts nach Anhörung von Schuldner, Gläubigern und Treuhänder ein förmlicher Beschluss, dass der Schuldner nunmehr schuldenfrei ist, soweit keine schuldhaften Obliegenheitsverletzungen oder Versagungsgründe vorliegen. Ausgenommen sind allerdings Schulden, die aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, aus Geldstrafen, Geldbußen, Zwangs- oder Ordnungsgeldern herrühren und neue Schulden, die während der Wohlverhaltensperiode gemacht wurden. Der Beschluss wird öffentlich bekannt gemacht.
5. Stundung der Verfahrenskosten
Auch völlig mittellosen Schuldnern, die nicht in der Lage sind, die Verfahrenskosten aufzubringen, soll die Möglichkeit eröffnet werden, das Insolvenzverfahren durchzuführen und damit nach Abschluss des Verfahrens die Restschuldbefreiung zu erlangen. Deshalb haben natürliche Personen, die einen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen die Möglichkeit, die Stundung der Verfahrenskosten bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Diese Möglichkeit besteht sowohl im Verbraucher-, als auch im Regelinsolvenzverfahren. Die Stundung umfasst auch die Kosten des Schuldenbereinigungsplans und des Verfahrens der Restschuldbefreiung. Gestundet werden die Gerichtskosten, die Kosten des Treuhänders und eines beigeordneten Rechtsanwaltes, wenn die Vertretung dem Gericht trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. Die Stundung erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt gesondert. Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage die Verfahrenskosten zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen, wobei nach Ablauf von 48 Monaten die Verfahrenskosten der Staatskasse zur Last fallen.
Dieser Artikel soll - als Service Ihrer IHK Pfalz- nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl er mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.