17.04.2024

Der zoll- und umsatzsteuerrechtliche Status Nordirlands

Seit 2021 wird das Protokoll zu Irland und Nordirland angewendet. Damit soll eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland vermieden werden, die Wirtschaft auf der gesamten Insel geschützt und das Karfreitagsabkommen (Belfaster Abkommen) in all seinen Aspekten aufrechterhalten werden. Zudem soll der EU-Binnenmarkt mit seinen Garantien gewahrt werden, die er in Bezug auf den Verbraucherschutz, die Gesundheit von Mensch und Tier und die Bekämpfung von Betrug und illegalem Handel bietet. Das Nordirland-Protokoll wurde später durch den sog. Windsor-Rahmen (Windsor framework) ergänzt, um einige praktische Probleme des Nordirland-Protokolls zu lösen.
Für Nordirland gelten seit 2021 die folgende Regelungen:

Zoll

  • Der Zollkodex der Union (UZK) findet auf alle aus der EU, aus dem Vereinigten Königreich und Drittländern nach Nordirland verbrachte Waren Anwendung. Auch alle Binnenmarktregeln gelten in Nordirland.
  • Warenlieferungen aus der EU nach Nordirland und aus Nordirland in die EU sind weiterhin als innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln. Es sind keine Zollanmeldungen oder Zollformalitäten notwendig.
  • Zwischen Nordirland und Großbritannien gilt: Da die zwischen der Insel Nordirland / Irland und Großbritannien liegende See de facto die EU-Außengrenze ist, sind Zollanmeldungen und weitere Zollformalitäten bei Lieferungen aus Großbritannien nach Nordirland teilweise notwendig:
    Waren, die von registrierten vertrauenswürdigen Händlern verkauft werden und bei denen nicht die Gefahr besteht, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen, werden über ein stark vereinfachtes Zollverfahren (auch als “green lane” bezeichnet) eingeführt. Dabei werden keine Zölle erhoben. Dagegen unterliegen Waren, bei denen die Gefahr besteht, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen, uneingeschränkt den normalen Zollverfahren für Einfuhren in die EU (“red lane”). Dann findet der Zolltarif der EU Anwendung. Unter welchen Bedingungen angenommen wird, dass kein Risiko besteht, dass die Ware später in die EU gelangt, und wie entsprechende Nachweise zu führen sind, erläutern die britischen Behörden auf dieser Seite.
  • Bei Warenlieferungen aus Nordirland nach Großbritannien unterliegen Waren, die als “qualifying Northern Ireland goods” gelten (v.a. Waren im zollrechtlich freien Verkehr in Nordirland) keinen zollrechtlichen Verpflichtungen bei einer Lieferung nach UK, sofern diese direkt und nicht über das Gebiet Irlands erfolgt. Die bedeutet, dass keine Ausfuhranmeldung aus Nordirland, keine Exit Summary Declaration, keine Importzollanmeldung in UK, keine Verpflichtung zur Zahlung von Zöllen und EUSt anfallen. Auf der Internetseite der britischen Regierung finden Sie alle Einzeheiten zum Warenverkehr von Nordland nach UK.
  • Für Waren, die aus anderen Ländern als Großbritannien oder einem EU-Mitgliedsstaat nach Nordirland geliefert werden, gilt der britische Zolltarif. Besteht das Risiko, dass die Ware (ggf. weiterverarbeitet als Teil einer anderen Ware) in die EU gelangt, findet stattdessen der Zolltarif der EU Anwendung. Unter welchen Bedingungen angenommen wird, dass kein Risiko besteht, dass die Ware später in die EU gelangt, und wie entsprechende Nachweise zu führen sind, erläutern die britischen Behörden auf dieser Seite.
  • Nordirland bleibt Teil des Zollgebiets des Vereinigten Königreichs. Somit profitiert Nordirland von Freihandelsabkommen, die das Vereinigte Königreich nach dem Brexit mit Drittländern abgeschlossen hat.

Warenursprung und Präferenzen

Für den Präferenzstatus von Waren gelten die gleichen, unserer Seite Warenverkehr zwischen der EU und UK: Zoll und Steuer” gestellten Bestimmungen wie für Waren aus dem restlichen Teil des Vereinigten Königreichs. Das bedeutet, dass in Nordirland hergestellte Waren seit dem Ende der Übergangsphase nicht mehr als EU-Präferenzwaren betrachtet werden, selbst wenn die Herstellung vor dem Ende der Übergangsfrist stattgefunden hat. Freihandelsabkommen des Vereinigten Königreichs können vorsehen, dass in Nordirland hergestellte Waren nach genau denselben Bedingungen Zugang zu Drittländern erhalten wie in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs hergestellte Waren.

Umsatzsteuer

Waren

Die Versendung und Beförderung von Waren zwischen der EU und Nordirland wird seit 2021 aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht als Warenverkehr innerhalb der EU betrachtet. Entsprechend finden im Warenverkehr mit Nordirland weiterhin die innerhalb der EU geltenden Regelungen zum Umsatzsteuerrecht Anwendung (Stichworte “steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung”, “Gelangensbestätigung”, etc.).
Der Verkauf von Waren zwischen Großbritannien und Nordirland gilt als umsatzsteuerpflichtige Inlandslieferung. Der Verkäufer muss britische Umsatzsteuer berechnen.
Inländische Unternehmer, die vorsteuerabzugsberechtigt sind, können die Erstattung von in Nordirland für den Bezug von Waren bezahlter Umsatzsteuer weiterhin über das Bundeszentralamt für Steuern beantragen.
In Nordirland findet seit dem 01.07.2021 die neue Fernverkaufsregelung Anwendung, wonach die Umsatzsteuer bei Warenverkäufen an Privatpersonen und andere Nichtunternehmer grundsätzlich in dem Staat zu entrichten ist, in den die Ware geliefert wird. Entsprechend können in Nordirland steuerpflichtige Unternehmen die Umsatzsteuer seit der Einführung des sogenannten sogenannten One-Stop-Shops (OSS) am 01.07.2021 darüber abführen.
Alle in Nordirland ansässigen Unternehmen, die den EU-Umsatzsteuerregeln bei Warenlieferungen unterliegen, benötigen seit 2021 eine Umsatzsteuernummer, die mit “XI” (als Kürzel for Nordirland) beginnt, die sie nicht nur als im Vereinigten Königreich, sondern speziell als in Nordirland ansässig identifiziert. Diese Umsatzsteueridentifikationsnummer beginnend mit “XI” müssen nordirische Unternehmen auf ihren Rechnungen über Lieferungen an steuerpflichtige Personen im EU-Ausland ausweisen und umgekehrt müssen in der EU ansässige Unternehmen diese Nummer des nordirischen Rechnungsempfängers bei ihren Lieferungen nach Nordirland ebenfalls auf der Rechnung angeben, als Nachweis der Unternehmereigenschaft im Rahmen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung.
Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht gilt im Warenverkehr zwischen der EU und Nordirland sowie Nordirland und Großbritannien zusammenfassend Folgendes:
Beförderung oder Versendung von Waren von/ nach Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
EU nach Nordirland Warenverkehr innerhalb der EU
Nordirland nach EU Warenverkehr innerhalb der EU
Nordirland nach Großbritannien Inlandslieferung
Großbritannien nach Nordirland Inlandslieferung

Dienstleistungen

Das Protokoll zu Irland und Nordirland umfasst keine Dienstleistungen. Entsprechend ist die Erbringung von Dienstleistungen zwischen der EU und Nordirland aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht wie eine Transaktion zwischen der EU und anderen Drittländern zu betrachten.
Zwecks Vergütung von Vorsteuern, die auf den Bezug von Dienstleistungen in Nordirland entfallen, müssen sich deutsche Unternehmen an die zuständige Behörde des Vereinigten Königreichs, HM Revenue & Customs, wenden. HMRC stellt Informationen zum Vergütungsverfahren für ausländische Unternehmen bereit.

Verbrauchsteuer

Die Lieferung und Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren wie Wein, Tabak und Kaffee zwischen der EU und Nordirland wird wie eine Lieferung zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrachtet. Das bedeutet, dass weiterhin sowohl die Beförderung bzw. Lieferung unter Steueraussetzung im EDV-gestützten Kontroll- und Beförderungssystem EMCS wie seit Februar 2023 auch versteuerter Waren über EMCS notwendig ist. Die Übersichtstabelle aus dem Bereich der Umsatzsteuer ist analog anwendbar.