Innovation, Umwelt und Existenzgründung

Kleinunternehmerregelung

1. Allgemeines

Die Umsatzsteuer wird von vielen Unternehmen wegen ihres komplizierten Verfahrens kritisiert. Die sogenannte Kleinunternehmerregelung sieht Erleichterungen vor. So brauchen Kleinunternehmer für die von ihnen ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen und auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Was im ersten Moment gut klingt, hat jedoch auch Nachteile. So haben Kleinunternehmer im Gegenzug kein Recht zum Vorsteuerabzug. Sie können also die Umsatzsteuer aus den Eingangsrechnungen nicht vom Finanzamt erstattet bekommen. Daher sollten Kleinunternehmen gut überlegen, ob sie die Kleinunternehmerregelung anwenden möchten. Überwiegen die Nachteile gibt es die Möglichkeit, auf die Regelung zu verzichten.

2. Wer ist Kleinunternehmer

Hinweis: Bis Ende 2019 lag die Vorjahresgrenze bei 17.500 Euro, die durch das Inkrafttreten des Dritten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG III) ab 1. Januar 2020 auf 22.000 Euro angehoben wurde.
Kleinunternehmer ist, wer
  • im vorangegangenen Kalenderjahr einen Umsatz zuzüglich Umsatzsteuer von nicht mehr als 22.000 Euro hat
und
  • im laufenden Kalenderjahr einen voraussichtlichen Umsatz zuzüglich Umsatzsteuer von nicht mehr als 50.000 Euro hat.
Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Hat der Unternehmer die Vorjahresgrenze von 22.000 Euro überschritten, kann er die Kleinunternehmerregelung im laufenden Jahr nicht anwenden – selbst wenn feststeht, dass der Umsatz im laufenden Jahr unter 22.000 Euro liegen wird.

Beispiel

Unternehmer U erwirtschaftet in 2021 einen Gesamtumsatz von 17.000 Euro. Er erwartet, dass er in 2022 einen Gesamtumsatz von 25.000 Euro erwirtschaften wird. Tatsächlich beläuft sich der Gesamtumsatz für 2022 auf 70.000 Euro. U kann in 2022 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Für 2023 würden die Voraussetzungen jedoch nicht mehr vorliegen, da er die Vorjahresgrenze überschritten hat.
Bei der Grenze von 50.000 Euro handelt es sich um eine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres. Wurde diese Prognose nach bestem Wissen und Gewissen aufgestellt, ist eine Überschreitung der 50.000 Euro während des laufenden Jahres unschädlich.
Hinweis: Das Finanzamt kann bei Bedarf Nachweise verlangen, auf welche Umstände der Unternehmer seine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres gestützt hat.
Bei Neugründung eines Unternehmens gibt es keinen Vorjahresumsatz. Hier ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen – zum Beispiel durch Zahlen aus dem Businessplan. Maßgeblich ist dann nur die Grenze von 22.000 Euro. Werden 22.000 Euro voraussichtlich überschritten, tritt die Steuerpflicht ein.
Beginnt der Unternehmer seinen Betrieb während des Jahres, muss der voraussichtliche Umsatz auf einen Jahresgesamtumsatz hochgerechnet werden.

Beispiel:

Unternehmer U beginnt mit seiner Tätigkeit im Oktober eines Jahres. Er rechnet Anfang Oktober mit einem monatlichen Umsatz zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 1.300 Euro.
Umrechnung auf das Jahr:
3.900 Euro (geschätzter Gesamtumsatz Oktober bis Dezember, also 1.300 Euro x 3) x 12/3 (das heißt 12 Monate / 3 Monate) = 15.600 Euro (brutto) < 22.000 Euro.
U überschreitet nach seiner Schätzung die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro nicht und kann daher im Gründungsjahr die Kleinunternehmerregelung anwenden.
Im Folgejahr auf die Geschäftsgründung muss der tatsächliche Umsatz des vorangegangenen Jahres herangezogen werden.

Beispiel

U hat im bereits dargestellten Beispiel tatsächlich 2.000 Euro Umsatz statt 1.300 Euro Umsatz im Monat erzielt. Damit ergibt sich folgende Rechnung:
6.000 Euro (Gesamtumsatz Oktober bis Dezember, also 2.000 Euro x 3 x 12/3 (das heißt 12 Monate / 3 Monate) = 24.000 Euro (brutto) > 22.000 Euro.
U überschreitet damit die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro, sodass er im Jahr nach der Gründung die Kleinunternehmerregelung nicht anwenden kann.
Hinweis: Ein Unternehmer kann im umsatzsteuerlichen Sinne nur ein Unternehmen haben. Dieses umfasst die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes sind damit alle vom Unternehmer ausgeführten Umsätze des einheitlichen Unternehmens einzubeziehen.
Personengesellschaften, Personenvereinigungen und Kapitalgesellschaften gelten im Umsatzsteuerrecht als eigene Unternehmen. Daher gilt die Umsatzgrenze insbesondere auch für die Umsätze einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder einer UG (Unternehmergesellschaft).

3. Ermittlung der Umsatzgrenzen

Maßgebend für die Ermittlung der Umsatzgrenzen ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz (Einnahmen, nicht Gewinn) einschließlich der enthaltenen Umsatzsteuer. Nach § 19 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist für die Berechnung des Gesamtumsatzes von der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auszugehen. Damit gehören Einfuhren aus dem Drittland in das Inland und innergemeinschaftliche Erwerbe nicht zum Gesamtumsatz.
Im Detail:
Steuerbare Umsätze
./. bestimmte steuerfreie Umsätze, §§ 4 Nr. 8 i, Nr. 9 b, Nr. 11 – 28 UStG (z.B. Umsätze aus Vermietung)
./. bestimmte steuerfreie Hilfsumsätze, §§ 4 Nr. 8 a – h, Nr. 9 a, Nr. 10 UStG (z.B. Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen)
= Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 3 UStG
./. darin enthaltene Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Hilfsgeschäfte)
= Umsatz gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG
+ darauf entfallende Umsatzsteuer
= Bruttoumsatz gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG

4. Folgen der Kleinunternehmerregelung

Die geschuldete Umsatzsteuer für die von einem Kleinunternehmer ausgeführten steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze wird nicht erhoben. Die Kleinunternehmerregelung ist aber keine Steuerbefreiungsvorschrift. Vielmehr werden Kleinunternehmer von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen und insoweit wie ein Nichtunternehmer behandelt. Deshalb hat der Kleinunternehmer aus seinen Eingangsrechnungen keinen Vorsteuerabzug. Dies gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer.
Achtung: Der Kleinunternehmer darf in seinen Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Tut er dies doch, schuldet er die (unberechtigt) ausgewiesene Umsatzsteuer. Dies gilt auch bei sog. Kleinbetragsrechnungen (Rechnungen bis zu 250 Euro), bei denen nicht der Steuersatz angegeben werden darf, oder Gutschriften, bei denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden darf.

5. Folgen des Überschreitens der Umsatzschwelle

Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung kommt es auf beide Umsatzgrenzen an. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Umsatzsteuer nicht erhoben. Wichtig ist, dass die Überschreitung der 50.000 Euro Umsatzgrenze erst für das folgende Kalenderjahr relevant wird, solange der Unternehmer eine ordnungsgemäße Prognose aufgestellt hat.
Beispiel:
Jahr Umsatz zuzüglich
Umsatzsteuer im
vorangegangenen Jahr
Voraussichtlicher Umsatz zuzüglich
Umsatzsteuer im laufenden Jahr
Kleinunternehmerregelung anwendbar
2019 9.000 € 6.000 € ja
2020 4.000 € 45.000 € ja
2021 42.000 € 12.000 € nein
2022 10.000 € 40.000 € ja

6. Optionsmöglichkeit

Da die Kleinunternehmerregelung auch nachteilig sein kann, hat der Unternehmer die Möglichkeit auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten (Option zur Regelbesteuerung). Folge dessen ist, dass er wie ein normaler Unternehmer behandelt wird und den allgemeinen Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt. Er versteuert dann alle seine der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze und kann aus seinen Eingangsrechnungen die Vorsteuer geltend machen. Die Verzichtserklärung ist ohne besondere Form gegenüber dem Finanzamt abzugeben.
Wichtig: Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für fünf Kalenderjahre.
Die Option zur Regelbesteuerung kann grundsätzlich sinnvoll sein, wenn der Unternehmer
  • zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit hohe Anfangsinvestitionen hat und daher viel Umsatzsteuer an seine Lieferanten zahlen muss. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kommt er in den Genuss des Vorsteuerabzugs.
  • selbst überwiegend an andere Unternehmer und nicht an Privatkunden leistet. Abnehmer, die Unternehmer sind, können die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen. Da der Kleinunternehmer die selbst gezahlte Umsatzsteuer aus seinen Eingangsrechnungen in seine Preiskalkulation einbeziehen wird, kann er seine Leistungen nur teurer anbieten.
Möchte der Unternehmer nach Ablauf der Fünfjahresfrist wieder zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren, muss er einerseits die Umsatzgrenzen einhalten und dazu die Option nach Ablauf der Frist gegenüber seinem Finanzamt widerrufen. Der Verzicht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr zu erklären. Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer im betreffenden Kalenderjahr können nachträglich berichtigt werden.

7. Rechnungsangaben

Folge dessen, dass bei einem Kleinunternehmer die Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt erhoben wird ist, dass
  • der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer gesondert in seinen Rechnungen ausweisen darf,
  • der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer, die ihm selbst berechnet wird, nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet erhält,
  • seine Abnehmer keine Vorsteuer ziehen können und dürfen.
Hinweis: Wenn auch nicht zwingend, ist zu empfehlen, dass der Kleinunternehmer grundsätzlich in seinen Rechnungen einen Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung aufnimmt, um Rückfragen zu vermeiden.
Informationen zu den generellen Pflichtangaben finden Sie im in unserem Artikel “Pflichtangaben für Rechnungen”.

8. Umsatzsteuererklärung

Da Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer schulden noch Vorsteuer geltend machen können, müssen sie auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Allerdings ist eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das abgelaufene Kalenderjahr abzugeben.

9. Besonderheiten

Bei Lieferungen und Dienstleistungen eines Kleinunternehmers über die Grenze gibt es verschiedene Besonderheiten zu beachten.
  • Ausgangsseite des Kleinunternehmers: Die Regelungen zu den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen finden für den Kleinunternehmer keine Anwendung, d.h. sie sind grundsätzlich steuerpflichtig, die Steuer wird aber bei den Kleinunternehmern nicht erhoben. Ausnahme ist die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Damit muss der Kleinunternehmer auch keine Zusammenfassende Meldung (ZM) abgeben und darf in diesem Fall keine Umsatzsteueridentifikationsnummer angeben.
  • Eingangsseite des Kleinunternehmers: Innergemeinschaftliche Erwerbe müssen Kleinunternehmer im Gegensatz zum Vollunternehmer grundsätzlich nicht versteuern, außer es liegen die folgenden Ausnahmen vor:
    • die sogenannte Erwerbsschwelle von 12.500 Euro wurde überschritten oder
    • der Kleinunternehmer hat, solange die Erwerbsschwelle nicht überschritten wurde, zur Erwerbsbesteuerung optiert (durch Angabe seiner Umsatzsteueridentifikationsnummer) oder
    • der Kleinunternehmer hat neue Fahrzeuge oder verbrauchssteuerpflichtige Waren innergemeinschaftlich erworben.
Darüber hinaus gelten folgende umsatzsteuerliche Vorschriften auch für Kleinunternehmer:
  • die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer
  • die innergemeinschaftliche Lieferungen von Fahrzeugen
  • die Steuerschuldnerschaft nach § 13 b UStG (Steuerschuldumkehr) und § 25 b UStG (Dreiecksgeschäft)
Wichtig: Auch im Falle der oben genannten Sonderfälle hat der Kleinunternehmer kein Recht zum Vorsteuerabzug.
Hinweis: Auch einem Kleinunternehmer wird eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) auf Antrag erteilt. Ob er diese verwendet oder nicht, kann bei Lieferungen und Dienstleistungen zu weitreichenden Konsequenzen führen. Denn sobald ein Kleinunternehmer eine USt-IdNr. hat, kann er innergemeinschaftliche Leistungen erbringen oder beziehen und damit zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sein. Bei internationalen Sachverhalten ist es ratsam, vorab einen Steuerberater zu konsultieren.

Stand April 2023
Quelle: IHK Stuttgart
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