Innovation, Umwelt und Existenzgründung
Wegzugsbesteuerung
Die aktuelle Verschärfung des § 50i Einkommensteuergesetzes (EStG) schränkt alle deutschen Familienunternehmen erheblich ein. § 50i EStG bedarf deshalb dringend einer erneuten Änderung.
Worum geht es?
Deutsche Familienunternehmen sind darauf angewiesen, die nachwachsende Generation frühzeitig an das Unternehmen heranzuführen. Dazu gehört – jenseits aller steuerlichen Überlegungen – die frühe Einbindung in den Kreis der Gesellschafter des Unternehmens. Um als Gesellschafter, erst Recht als geschäftsführender Gesellschafter, auf Dauer der unternehmerischen Verantwortung gerecht werden zu können, ist es unabdingbar, dass die nächste Generation bei Dritten und/oder im eigenen Unternehmen internationale Erfahrung sammelt. Diese notwendige Internationalisierung der Nachfolgegeneration wird durch die aktuelle Verschärfung des § 50i EStG faktisch verhindert!
Verzieht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ins Ausland, so kann der deutsche Fiskus nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Gewinne aus einer späteren Veräußerung der Anteile nicht mehr besteuern. Deshalb führt er im Zeitpunkt des Wegzuges eine Besteuerung der stillen Reserven durch (sog. Entstrickungsbesteuerung). Dies hat für die Gesellschafter erhebliche Liquiditätsabflüsse zur Folge. Um diese zu vermeiden, wurden bislang die Gesellschaftsanteile üblicherweise einer deutschen Personengesellschaft übertragen, so dass auch bei einem Wegzug die Anteile an der Kapitalgesellschaft in Deutschland verbleiben und keine Entstrickungsbesteuerung notwendig wird.
Der Bundesfinanzhof hat diese Praxis jedoch verworfen und festgestellt, dass nach den DBAs das Besteuerungsrecht nicht Deutschland, sondern dem Zuzugsstaat zusteht. Das gelte auch dann, wenn die Anteile in einer deutschen, gewerblich geprägten/infizierten Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG gehalten werden. Darauf reagierte der Gesetzgeber: Um zu vermeiden, dass Anteile nunmehr steuerfrei aus Deutschland verlagert werden, wurde § 50i EStG 2013 neu eingefügt. Er schreibt ausdrücklich fest, dass die Steuern in diesen Fällen weiterhin Deutschland zustehen – auch entgegen den DBAs. Die hierdurch gewährleistete steuerliche Verhaftung der Anteile ist akzeptabel, da die stillen Reserven während der Steuerpflicht in Deutschland entstanden sind.
In einem weiteren Gesetzgebungsverfahren („Kroatienbegleitgesetz“ vom 31.07.2014) hat der Gesetzgeber jedoch § 50i EStG aktuell erheblich verschärft. Eine steuerneutrale Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen in Personengesellschaften ist durch Gesellschafter, die im Ausland leben, seitdem nicht mehr möglich. Ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26.09.2014 zur „Anwendung von DBAs auf Personengesellschaften“ spricht § 50i EStG zwar an, bietet den Familienunternehmen allerdings nicht die notwendige Rechtssicherheit. Eine solche kann nur durch die Korrektur von § 50i EStG hergestellt werden.
Was bedeutet die Verschärfung des § 50i EStG für die Unternehmen?
Wirtschaftlich notwendige unternehmensinterne Umstrukturierungen und Übertragungen sind in den beschriebenen Fällen nur noch unter Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven möglich. Dies trifft in erster Linie Familienunternehmen, deren Mitglieder zumindest teilweise im Ausland - hier in Staaten mit Doppelbesteuerungsabkommen - wohnen, z.B. wegen der Ausbildung der schon geringfügig beteiligten (mindestens 1 %) Kinder oder aber auch, um ausländische Aktivitäten des Betriebes zu leiten. Das betrifft auch Schenkungen und Erbschaften, selbst bei einem inländischen Nachfolger.
Aus DIHK-Sicht ist ein Besteuerungszugriff im Umstrukturierungs- bzw. Wegzugszeitpunkt nicht erforderlich. Denn auch nach einem Wegzug eines Gesellschafters ins Ausland besteht das deutsche Besteuerungsrecht grundsätzlich fort. Die Verschärfung des § 50i EStG ist weder für den Fiskus noch für die Familienunternehmen zielführend.
Aus DIHK-Sicht ist ein Besteuerungszugriff im Umstrukturierungs- bzw. Wegzugszeitpunkt nicht erforderlich. Denn auch nach einem Wegzug eines Gesellschafters ins Ausland besteht das deutsche Besteuerungsrecht grundsätzlich fort. Die Verschärfung des § 50i EStG ist weder für den Fiskus noch für die Familienunternehmen zielführend.
Etwaige missbräuchliche Gestaltungen im Zusammenhang mit § 50i EStG sollten – wie international üblich – über die allgemeine Missbrauchsnorm des § 42 Abgabenordnung gelöst werden. Eine Verschärfung wie mit dem Kroatienbegleitgesetz vom 31.7.2014 vorgenommen, ist insofern weder notwendig noch zielführend.
Was ist notwendig?
Die Verschärfung des § 50i Einkommensteuergesetz muss rückgängig gemacht werden! Sie schadet den Familienunternehmen in Deutschland, weil sie notwendige Umstrukturierungen bzw. eine Internationalisierung behindert. Konkret wird den Unternehmen erschwert, dass die Nachfolgegeneration die dringend notwendigen internationalen Erfahrungen machen. Zudem tritt die Besteuerung durch die Verschärfung rückwirkend in Kraft und löst problematische Nachbesteuerungen für den Mittelstand aus. Dies kann weder strukturell im Hinblick auf die Bedeutung des Mittelstandes für Deutschland gewollt sein. Noch passt eine solche Regelung in eine Zeit, in der die Politik händeringend nach Möglichkeiten sucht, zusätzliche Investitionsanreize zu setzen.
Völkerrechtliche Verträge – hier Doppelbesteuerungsabkommen – sollte der deutsche Gesetzgeber nicht durch nationale Gesetze aushebeln. Missbräuchliche Gestaltungen sollten über die allgemeine Missbrauchsnorm des § 42 Abgabenordnung gelöst werden.
Stand: November 2023