Handel
Handelsansiedlung
Aus Sicht der Raumordnung und Landesplanung wird eine flächendeckende und verbrauchernahe Versorgung angestrebt. Diese kann durch Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe wie SB-Warenhäuser oder Fachmärkte oder neuere Entwicklungen wie die Fabrikverkaufszentren (Factory-Outlet-Center) bei falscher Standortwahl nachteilig beeinflusst werden. Durch periphere Ansiedlungen von Einzelhandelsgroßprojekten wird den Städten und dort insbesondere denzentralen Geschäftsbereichen ein wesentliches Element ihrer Zentralität und Versorgungsfunktion entzogen. Die Zulässigkeit von großflächigen Handelsansiedlungen wird daher in vorgeschriebenen Planungsverfahren geprüft und auf der Basis bau- und planungsrechtlicher Vorgaben entschieden.
Die Ansiedlung und Errichtung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen beurteilt sich nach den Grundsätzen und Zielvorgaben von Raumordnung, Landesplanung und Städtebau. Dazu gehört etwa die Orientierung am zentralörtlichen System. Handelsprojekte haben sich demnach in ihrer Größe (Verkaufsfläche bzw. Umsatz) an die jeweilige Versorgungsfunktion und die Versorgungsreichweite des zentralen Ortes anzupassen. Unter städtebaulichen Gesichtspunkten ist im Rahmen der Bauleitplanung darauf zu achten, dass negative Auswirkungen auf Struktur, Entwicklung und Funktion der Innenstädte ausgeschlossen werden. Zu den städtebaulich relevanten Folgeerscheinungen von Handelsansiedlungen zählen insbesondere Beeinträchtigungen der Innenstadt durch Kaufkraft- und Kundenverlagerungen zu nicht integrierten Standorten am Stadtrand oder nachteilige Auswirkungen auf die wohnortnahe Versorgung, auf die Verkehrs- und Umweltsituation, auf die Infrastruktur sowie auf das Orts- und Landschaftsbild.
Begriffsdefintion "großflächiger" Einzelhandel
Großflächigkeit ist im Sinne des § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dann gegeben, wenn ein Einzelhandelsbetrieb 1.200 qm Geschossfläche und mehr, dies entspricht etwa einer Verkaufsfläche ab 800 qm, erreicht. Neben Großbetriebstypen wie den SB-Warenhäusern oder Fachmärkten fallen auch Einkaufszentren als gewachsene oder als Einheit geplante Ansammlungen von Einzelhandel-und Dienstleistungsbetrieben unterschiedlicher Art und Größe und mit einem zentralen Management unter die Bestimmungen des § 11 Abs. 3 BauNVO. Sie sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Das Baugesetzbuch (BauGB), die Baunutzungsverordnung, das Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) und die regionalen Raumordnungspläne geben ein umfassendes Instrumentarium zur räumlichen Steuerung vor und legen Ziele, Grundsätze und Verfahrensweisen zur Überprüfung von Einzelhandelsgroßprojekten fest, die bei Ansiedlungsentscheidungen zu beachten sind.
Planungsziel
Das Planungsziel ist die Erhaltung attraktiver und funktionsfähiger Innenstädte
Standort-und Sortimentsverlagerungen des Einzelhandels in den Rand-oder Außenbereich der Städte tragen zur Reduzierung oder gar zum Verschwinden ganzer Produktgruppen und Branchensegmente bei und haben damit einen Funktions-und Attraktivitätsverlust des Zentrums zur Folge. Daher sollten großbetriebliche Handelsansiedlungen so in Einzelhandelskonzepte und Stadtentwicklungsplanungen einbezogen werden, dass ihre Standorte zur Steigerung der Nutzungs-und Angebotsvielfalt der Innenstadt beitragen und ein Nebeneinander und nicht ein Gegeneinander der Handelsstandorte erreicht wird.
Baurechtliche Steuerungsmöglichkeiten
Dem Spannungsfeld zwischen Innenstadt und Grüner Wiese versucht das bundesweit geltende Bau-und Planungsrecht (insbesondere die BauNVO) dadurch zu begegnen, dass es für Einzelhandelsgroßbetriebe oder Einkaufszentren eine besondere Überprüfung der städtebaulichen und landesplanerischen Auswirkungen vorschreibt. Damit soll sichergestellt werden, dass z.B. die Funktionsfähigkeit der Zentren, die Versorgungsfunktion der Innenstädte und auch die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung nicht beeinträchtigt wird und ferner negative Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr, oder das Orts-und Landschaftsbild vermieden werden.
Damit sind großflächigen Handelsansiedlungen von der gemeindlichen Bauleitplanung her bereits enge Grenzen gesetzt. Entsprechende Vorhaben sind demnach nur in ausgewiesenen Sondergebieten (SO-Gebiet) oder in zentralen Lagen der Kerngebiete, den zentralen Versorgungsbereichen (MKGebiet), zulässig. Zudem erlaubt der Bebauungsplan gezielte Einschränkungen für die Ansiedlung bestimmter Branchen, bestimmter Sortimente oder auch Flächenbegrenzungen, um nachteilige Wirkungen vor allem auf die bestehenden Versorgungsstrukturen und Entwicklungsmöglichkeiten der Innenstadt auszuschließen. Problematisch sind allerdings großflächige Handelsinvestitionen in unbeplanten Innenbereichen gemäß § 34 BauGB. Sie sind dort ohne Bebauungsplan zulässig, wenn sie sich in die Struktur der umgebenden Bebauung einfügen und eine ausreichende Erschließung gewährleistet ist. Sofern in der näheren Umgebung bereits ein großflächiger Handelsbetrieb vorhanden ist, kann eine weitere Ansiedlung daher ohne Berücksichtigung möglicher negativer Auswirkungen auf das Stadtzentrum oder die Nachbargemeinden erfolgen. Daraus ergibt sich Handlungsbedarf, sensible Standortbereiche kritisch zu prüfen und – wo notwendig – so zu überplanen, dass Entwicklungskonzepte nicht durch plan-und regellose Ansiedlungsvorhaben unterlaufen werden.
Ziele der Landesplanung
Generell besteht für kommunale Planungsvorhaben ein Anpassungsgebot an die übergeordneten bzw. übergemeindlichen Ziele der Raumordnung und Landesplanung. Diese sind in den genannten planungsrechtlichen Vorschriften des Landes Rheinland-Pfalz verankert (LEP IV, regionale Raumordnungspläne Rheinpfalz und Westpfalz). Insbesondere das LEP IV gibt einen detaillierten Kriterienkatalog vor, der bei der raumordnerischen Prüfung großflächiger Einzelhandelsvorhaben zu beachten ist. Darin ist bspw. festgelegt, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nach Umfang und Zweckbestimmung vor allem der zentralörtlichen Gliederung und der Funktionsfähigkeit der Innenstädte Rechnung tragen müssen. Insofern wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nicht nur Auswirkungen auf die Standortgemeinde, sondern darüber hinaus auch auf die angrenzenden Gebiete und zentralörtlichen Verflechtungsbereiche benachbarter Zentren haben. Um die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung feststellen bzw. beurteilen zu können, sind beabsichtigte Ansiedlungen von großflächigen Einzelhandelsbetrieben der zuständigen Landesplanungsbehörde mitzuteilen und von dieser einer raumordnerischen Prüfung zu unterziehen.
Zu den übergeordneten Planungszielen gehört es, die
- ökonomische, kulturelle und soziale Attraktivität der Innenstädte von Ober-und Mittelzentren und ihre zentrale Funktion als Einkaufsstandort zu erhalten,
- Mindeststandards in der Grundversorgung im fußläufigen Wohnumfeld und zur Deckung des Bedarfs mit Gütern höherwertigen oder langfristigen Bedarfs im weiteren Umfeld sicherzustellen und
- eine raumordnerisch gewollte zentralörtliche Siedlungsstruktur zu sichern.
Die Zulässigkeitvon Einzelhandelsgroßprojekten beurteilt sich nach den definierten Zielvorgaben des LEP IV. Danach sind z.B. folgende Voraussetzungen (gem. Landesentwicklungsprogramm IV des Landes Rheinland-Pfalz, 2008, S. 96 f., Kap. 3.2.3) zu beachten:
Zentralitätsgebot
Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind grundsätzlich in zentralen Orten anzusiedeln. Betriebe mit mehr als 2.000 qm Verkaufsfläche kommen nur in Mittel-und Oberzentren in Betracht. Dies betrifft sowohl Betriebe, die ganz oder teilweise der Deckung des täglichen Bedarfs dienen, als auch Fachmärkte mit innenstadtrelevanten Sortimenten. Ausnahmsweise sind in Gemeinden ohne zentralörtlicher Funktion mit mehr als 3.000 Einwohnern großflächige Einzelhandelsvorhaben zulässig, wenn dies zur Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung erforderlich ist.
Städtebauliches Integrationsgebot
Die Ansiedlung und Erweiterung von großflächige Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten ist nur in städtebaulich integrierten Bereichen zulässig. Die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten ist auch an Ergänzungsstandorten der zentralen Orte zulässig. Innenstadtrelevante Sortimente sind als Randsortimente auf eine innenstadtverträgliche Größenordnung zu begrenzen. Diese Bereiche (zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des BauGB und Ergänzungsstandorte) sind von den zentralen Orten in Abstimmung mit der Regionalplanung verbindlich festzulegen. Die Regelungen müssen auch eine Liste der innenstadtrelevanten und nicht innenstadtrelevanten Sortimente umfassen.
Nichtbeeinträchtigungsgebot
Durch die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelbetrieben dürfen weder die Versorgungsfunktion der städtebaulich integrierten Bereiche der Standortgemeinde noch die der Versorgungsbereiche benachbarter zentraler Orte wesentlich beeinträchtigt werden.
Agglomerationsverbot
Der Bildung von Agglomerationen nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten außerhalb der städtebaulich integrierten Bereiche ist durch Verkaufsflächenbegrenzungen in der Bauleitplanung entgegenzuwirken. Haben sich bereits Agglomerationen außerhalb der städtebaulich integrierten Bereiche gebildet, so sind diese als Sondergebiet des großflächigen Einzelhandels in der Bauleitplanung auszuweisen und in ihrem Bestand festzuschreiben.
Die Planungsziele und die Bewertungsmaßstäbe für Ansiedlungsvorhaben zeigen, dass das Bau-und Planungsrecht großflächige Handelsansiedlungen nicht verhindern, sondern nur die freie Standortwahl nach raumordnerischen und städtebaulichen Gesichtspunkten leiten will. Bisher haben auch nicht Mängel im instrumentellen Bereich der Beurteilung großflächigen Einzelhandels zu städtebaulichen Fehlentwicklungen geführt, sondern in erster Linie Mängel in der konsequenten und koordinierten Anwendung. Die Erkenntnis, dass Einzelhandelsgroßprojekte an städtebaulich nicht integrierten Standorten die Urbanität der Innenstädtenachhaltig gefährden können, erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung von Handelsprojekten und der erwarteten Vor-und Nachteile durch die Entscheidungsträger in Planung und Politik.