Handel

Bitte ein BID - eine Erfolgsgeschichte

Die Rede ist von den Business Improvement Districts, kurz BIDs genannt. Sie haben Ende der 70er und vor allem seit den 80er Jahren zunächst in Kanada und sehr schnell auch in den Vereinigten Staaten ihren Siegeszug in fast allen Städten des nordamerikanischen Kontinents angetreten.
“Private instead of public“ lautet seitdem die Devise, nach der Haus- und Grundbesitzer zusammen mit ihren Mietern aus Handel und Dienstleistungsgewerbe nach neuen Wegen suchen, die angesichts enger werdender finanzieller Handlungsspielräume drastisch reduzierten öffentlichen Leistungen z.B. bei der Sicherheit, Sauberkeit und Stadtbildpflege selber in die Hand zu nehmen. Seitdem sich privat organisierte Standortgemeinschaften in Eigeninitiative und mit Eigenfinanzierung um die Erhaltung, Gestaltung und Imageverbesserung ihrer Stadtquartiere bemühen, sind viele urbane Brennpunkte in den Innenstädten wieder zu attraktiven Wohn- und Geschäftsvierteln avanciert.
Der Erfolg der ersten Business Improvement Districts bei der nachhaltigen Revitalisierung des eigenen Geschäftsbezirks hat schnell Nachahmer gefunden. Zuverlässige Quellen sprechen von 800, Pressemeldungen sogar von bis zu 1.500 BIDs, die sich inzwischen in US-amerikanischen Städten etabliert haben. Alleine die Stadt New York zählt 44 solcher BIDs, angefangen vom berühmten - aber noch vor wenigen Jahren eher „berüchtigten“ - Times Square über die angesichts der hohen Kriminalitätsraten ehemals verwaisten und nun wieder belebten und beliebten Parks und Plätze des Union Square oder Bryant Parks bis hin zu dem alten Einwanderungsviertel der Lower East Side, wo attraktive Läden und kleingewerbliche Unternehmen wieder Einzug gehalten haben und dem Stadtteil seit Anfang der 90er Jahre zu neuer Attraktivität für Besucher und Touristen verhelfen.

Ein amerikanisches Modell für Europa?

Auch wenn die Probleme in europäischen Städten im Vergleich mit Nordamerika noch eher „harmlos“ erscheinen: die Parallelen zu den negativen urbanen Entwicklungsprozessen in der Neuen Welt sind offensichtlich. Auch in Europa leiden die Stadtzentren unter einem zunehmenden Bedeutungs- und Funktionsverlust und sinkender Attraktivität für Kunden und Besucher, ausgelöst durch Verkehrsprobleme, unzureichende Sicherheit und Sauberkeit und die Verlagerung des Handelsangebots an Einkaufsstandorte am Stadtrand. Und wie in Nordamerika setzen die leeren öffentlichen Kassen den Städten und Gemeinden sehr enge Handlungs- und Gestaltungsspielräume, was die Verwaltungen zwingt, ihr Leistungsspektrum immer mehr auf Kernaufgaben zu reduzieren. Und auch die Bereitschaft der innerstädtischen Handels- und Gewerbebetriebe z.B. im Rahmen von Stadtmarketing nicht nur Ideen zu entwickeln, sondern diese auch mit finanziellem Engagement in die Tat umzusetzen, scheitert nicht nur an der konjunkturbedingten Umsatzmisere der Unternehmen, sondern ebenso an dem fehlenden Engagement vieler Trittbrettfahrer als Folge auch der zunehmenden Filialisierung unserer Innenstädte.
Daher überrascht es nicht, dass das Konzept der BIDs seit wenigen Monaten auch in England auf großes Interesse stößt und bereits in ersten Pilotprojekten erprobt wird. Auch Nordrhein-Westfalen will diesen Weg beschreiten und durch ein landesweites BID-Programm fördern.

Gestalten statt verwalten

Worin liegt der Erfolg der amerikanischen BIDs und der Reiz, auch in Deutschland nach dem Vorbild der Amerikaner neue Formen der Stadtentwicklung zu erproben? Zunächst in der weitgehend verwaltungsunabhängigen Selbstorganisation eines Stadtquartiers, was die Fragen der Gestaltung des Umfeldes und die Erhaltung und Unterhaltung des öffentlichen Raumes anbelangt. Neben die Pflege und Verbesserung der Stadt- und Straßenmöblierung oder der Ausschilderung im eigenen Geschäftsbezirk treten Aufgaben wie die Parkraumbereitstellung und –bewirtschaftung, die Organisation von Events, regelmäßige Werbemaßnahmen, die Reinhaltung der Straßen, Wege und Plätze oder die Sorge für Ordnung und Sicherheit.

Um dieses Leistungsangebot dauerhaft sicherzustellen, bedarf ein BID einer kontinuierlichen und gesicherten Finanzierung, die nur durch eine selbstverpflichtende Eigenfinanzierung durch die Haus- und Grundbesitzer bzw. deren Mieter gewährleistet werden kann. Im Falle der nordamerikanischen BIDs werden die Beiträge nach einem vereinbarten Berechnungsschlüssel und abgestimmt auf den genehmigten Businessplan jährlich zusammen mit der Grundsteuer durch die Stadtverwaltung eingezogen und direkt an die Organisation bzw. das Management des jeweiligen BIDs weitergeleitet. Nach Erfahrungswerten in New York belaufen sich die jährlichen BID-Abgaben für ein kleineres Ladengeschäft auf durchschnittlich 100 $ pro Monat, wobei die Bandbreite der Abgaben je qm Geschäftsfläche zwischen 1,5 – 6,5 US-Dollar pro Jahr liegt. Damit kann sich ein BID-Manager - anders als ein Stadtmanager in Deutschland - um seine eigentlichen Aufgaben kümmern, ohne seine Kräfte in der langwierigen Beschaffung von Finanzmitteln und der Suche nach geeigneten Sponsoren aufzuzehren.
Die Stadtverwaltung wird aber nur zum Erfüllungsgehilfen der BIDs, wenn zuvor eindeutig geklärt und nachgewiesen ist, dass die Mehrheit der Grundbesitzer und ggf. auch der Mieter eines Geschäftsviertels der Erhebung einer zweckgebundenen Sonderabgabe und der vorab vereinbarten Verwendung der Mittel zustimmt. Und für den Fall, dass ein BID seine Ziele und Aufgaben verfehlen sollte, was eine regelmäßige Berichterstattung und Überprüfung voraussetzt, wird jeder BID für eine meist 5-jährige Laufzeit befristet eingerichtet. Diese sogenannte „Sunset-Clause“ soll verhindern, dass der Abgabenmechanismus zum Automatismus wird und sich im Sinne eines „Gewohnheitsrechts“ verstetigt . Allerdings wird man in den USA meist vergeblich nach Beispielen suchen, wo ein BID wegen Erfolglosigkeit gescheitert ist, was nicht heißt, dass BIDs immer konfliktfrei und kritiklos arbeiten und akzeptiert werden.

Trotz Skepsis und Kritik sind BIDs ohne Alternative

Der Gedanke der BIDs wird aufgrund der vorausgesetzten Pflichtfinanzierung in Deutschland sicherlich nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen. Aber wie viele Stadtmarketingprozesse zeigen, deren Arbeit durchaus große inhaltliche Parallelen zu der Tätigkeit der BIDs erkennen lässt, ist die Finanzierung in vielen Fällen ein limitierender Faktor, der einem nachhaltigen Erfolg nach dem alten Grundsatz „ohne Moos nichts los“ häufig enge Grenzen setzt. Und dass das bisher geltende Prinzip der Freiwilligkeit bei der Finanzierung von Stadtmarketingaktivitäten nicht ausreicht bzw. immer wieder zur Frustration bis hin zur Demotivation führt, zeigt das allerorts beklagte Problem der Trittbrettfahrer.
Auch in den USA finden BIDs nicht immer uneingeschränkte Zustimmung, so dass manchmal Monate und auch Jahre vergehen können, bis ein BID die Genehmigung der Stadtverwaltung erhält. Es ist allerdings weniger die Abgabenpflicht, die hier kritisiert wird, da der nachweislich erkennbare wirtschaftliche Erfolg für alle BID-Anlieger ein überzeugendes Gegenargument für die BID-Befürworter ist. So sind es eher kritische Stimmen, die sich gegen eine Privatisierung des öffentlichen Raumes und die damit verbundene soziale Entmischung bei den Besuchern und Nutzern der Stadtquartiere richten. Die Verdrängung von Obdachlosen und Bettlern, die Verlagerung von Kriminalität, Prostitution und Drogensüchtigen wird nicht als Lösung des Problems gesehen, sondern es wird vielmehr eine Verschiebung des Problems in andere Stadtbezirke befürchtet. Andere Stimmen äußern die Sorge, dass sich die Stadtverwaltungen durch die privat finanzierten „öffentlichen Leistungen“ vollends aus ihren öffentlichen Pflichtaufgaben wie z.B. der Stadtreinigung oder der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit zurückzieht.
Bei aller BID-Euphorie, die zunehmend auch Deutschland erfasst, ist die aufgezeigte Skepsis gegenüber BIDs durchaus ernst zu nehmen und eine kritische Auseinandersetzung angezeigt. In den USA werden Kritiker aber sehr pragmatisch mit den Fakten konfrontiert. Dort zählt der wirtschaftliche Erfolg der BIDs, gemessen an den Leerständen, die gegen Null tendieren, an der Besucherfrequenz, die wieder Kaufkraft in die Kassen des Handels spült, an der Kriminalitätsrate, die i.d.R. ohne erkennbare Verlagerungstendenzen drastisch zurückgefahren wurde und an der hohen Akzeptanz, die BIDs nicht nur bei Geschäftsleuten, sondern auch bei den Bewohnern erfahren. Und was die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen anbelangt, vertraut kaum ein Amerikaner auf die Leistungsfähigkeit der Verwaltung, sondern eher auf das Prinzip Selbsthilfe.
Die Erfahrungen amerikanischer Städte überzeugen, dass Innenstädte mit selbstfinanzierten und daher schlagkräftigen BIDs nachhaltige Chancen und Perspektiven im Wettbewerb durch die Verbesserung ihrer Standort- und Rahmenbedingungen haben. Eine Erkenntnis, die uns in Deutschland zum Nachdenken, besser noch zum Nachahmen, anregen sollte.