Die IHK Ostwürttemberg und das Digitalisierungszentrum (digiZ) Ostwürttemberg haben einen Volltreffer gelandet
Kongress „Künstliche Intelligenz und 5G in Unternehmen“
Mit dem Kongress „Künstliche Intelligenz und 5G in Unternehmen“ haben die IHK und das Digitalisierungszentrum (digiZ) Ostwürttemberg einen Volltreffer gelandet. Die Veranstaltung am digiZ-Standort Aalen war lange zuvor bereits ausgebucht, es gab sogar eine Warteliste. Am Ende dürften die vielen Besucherinnen und Besucher aus Unternehmen der Region sicher überzeugt gewesen sein: An der Künstlichen Intelligenz (KI) wird kaum ein Betrieb für eine gedeihliche Zukunft vorbeikommen, auch wenn die Einsatzmöglichkeiten und -notwendigkeiten von Branche zu Branche sehr unterschiedlich sein können und das Thema daher wohl überlegt, aber ohne großes Zögern angegangen werden sollte. Weiter klafften da bei den Akteuren auf der Bühne schon die Ansichten über die Notwendigkeit, über Sinn und Nutzen von 5G auseinander.
In seiner Begrüßung mahnte IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler die Unternehmen in Ostwürttemberg geradezu, in Sachen KI mutig zu sein und voranzumarschieren. Auch wenn sich die Region Heilbronn als landesweiter KI-Hotspot massiv an die Spitze stelle. Ins gleiche Horn stieß Ostalb-Landrat Joachim Bläse. Auch bei der KI werde Baden-Württemberg nur funktionieren, wenn alle Regionen mit dabei seien. Selbstkritisch stellte Bläse aber auch fest, wie die öffentliche Verwaltung im Land als Ganzes die Digitalisierung derzeit umsetze, damit tue sie sich und niemandem einen Gefallen.
An der Notwendigkeit, KI einzusetzen, ließ Sinanudin Omerhodzic in seinem Grundsatzvortrag keinerlei Zweifel.
„KI ist die Technologie, welche die größten Veränderungen für die Menschheit in den nächsten 20 Jahren bringen wird. Entweder wir meistern sie an der Front oder wir werden überrollt. Aufhalten können wir die Entwicklung nicht“,
sagte der Technologievorstand von Aldi Nord, der im Herbst 2020 dort angetreten ist, den Handelskonzern in die digitale Zukunft zu führen. Zuvor war er zweiter Mann an der Spitze der Hartmann-Gruppe und auch Mitglied im Digitalisierungsausschuss der IHK Ostwürttemberg. Für den ersten digitalisierten Aldi-Markt im niederländischen Utrecht, der vollständig ohne Kassen auskommt, gewann Omerhodzic den Innovation Award beim CIO des Jahres 2022. Schon jetzt, so schilderte Omerhodzic Beispiele, erlaube KI es Aldi Nord, 200 Tage im Voraus zu prognostizieren, wann wie viele Kunden was einkaufen werden. Das sei hocheffizient und zudem sehr nachhaltig.
„Dabei erfahren wir niemals persönliche Daten der Kunden“,
betonte Omerhodzic.
Bei der Frage, ob KI Fluch oder Segen sei, verwies der Top-Manager auf deren Rolle bei der medizinisch sehr hilfreichen Entwicklung künstlicher Organe für den Menschen, aber auch auf ethische Grundfragen beim autonomen Fahren. Etwa die, welche Entscheidung ein Auto in einer unausweichlichen, lebensgefährlichen Situation treffen solle. Grundvoraussetzung für alle künftigen KI-Anwendungen ist für Omerhodzic der 5G-Ausbau. Aber schon jetzt lägen hier Deutschland und Europa weit zurück, während andere Regionen der Welt in Sachen 5G „rasante Entwicklungen“ zeigten.
Den Einsatz von KI in einem Energieversorgungsunternehmen beleuchtete Matthias Törner, Leiter IT bei der EnBW ODR AG. Unter anderem könne KI hier bei Verbrauchsprognosen und bei der Qualitätssicherung, in der Leitungsüberwachung, bei der Kundenkommunikation oder der Cyberabwehr sehr hilfreich sein. Wenn man etwa das Leitungsnetz per Drohnen befliege und KI anschließend die gewonnenen Erkenntnisse auswerte, erspare dies das aufwendige und auch gefährliche Erklettern unzähliger Strommasten durch Wartungsteams. Aber auch Törner ließ, wie zuvor schon Omerhodzic, daran keinen Zweifel: „KI darf weder rumschnüffeln noch Interna ausspähen.“ Vielmehr könne KI zunehmend „lernen, was wir wollen und uns darin unterstützen“.
Und so werde, wie Törner sagte,
„aus einem Sauhaufen von Apps auf dem Handy“ ein Smartphone, das als vollkommen digitaler Partner ganz ohne sichtbare Apps auskomme, wie es die Deutsche Telekom jüngst beim Mobile World Congress (MWC) in Barcelona präsentiert habe.
Spannende Podiumsdiskussion mit (von links) Heike Niederau-Buck (Voith-Gruppe), Andreas Züger (Hensoldt Optronics), Prof. Dr. Stephan Ludwig (Hochschule Aalen), Sinanudin Omerhodzic (Aldi Nord) und Moderator Felix Unseld (Zentrum für digitale Entwicklung).
In der von Felix Unseld vom Zentrum für digitale Entwicklung in Westhausen moderierten Podiumsdiskussion fielen zunächst kritische Blicke auf die 5G-Entwicklung. Ganz abgesehen von den immer noch existenten riesigen Schwächen im Datennetz Ostwürttembergs liefere 5G bis heute nicht das, was versprochen worden sei, und werde es vermutlich auch nie tun, sagte Prof. Dr. Stephan Ludwig von der Hochschule Aalen. Für 5G gebe es in ihrem Unternehmen bislang gar keine Einsatzfelder, sagte Heike Niederau-Buck, Chief Information Officer (CIO) der Voith-Gruppe und Vorsitzende des Digitalisierungsausschusses der IHK.
„In der Halle bleiben wir jedenfalls bei WiFi“,
erklärte sie weiter.
Und auch Andreas Züger vom Rüstungskonzern Hensoldt Optronics stellte fest: „Für uns ist WiFi mehr als genügend.“ Um freilich an späterer Stelle auch in Sachen KI zu erklären, weil das Unternehmen Dinge entwickle und produziere, „die nicht in die falschen Hände gelangen sollten“, könne es offene Systeme gar nicht nutzen.
Sinanudin Omerhodzic sagte, die Effizienz, die man durch die neuen Technologien erreichen könne, werde entscheidend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sein. Jede Sekunde, jeder Quadratmeter und jeder Millimeter an Optimierung zählten dabei.
„Das Ding ist und im weltweiten Vergleich aber längst schon so entglitten, dass ich nicht mehr entspannt bin“,
sagte Omerhodzic.
Auch Niederau-Buck fürchtete, dass etwa die KI-Regulierung durch die EU den Kontinent von der restlichen Entwicklung in der Welt abhängen werde, so notwendig Regeln auch seien. Professor Ludwig riet dazu, die Region müsse ihre KI-Expertise so bündeln, „dass nicht jedes Unternehmen das Rad neu erfinden muss“.
„Schauen Sie, was es schon gibt und versuchen Sie nicht, alles selbst neu zu entwickeln. Und fangen Sie klein an“, riet Niederau-Buck den Zuhörerinnen und Zuhörern im Saal. „Wir haben keine andere Chance, wir müssen uns mit KI beschäftigen“,
fasste Ludwig seine Überzeugung zusammen.
Am Nachmittag rückte Sarah Zickler in ihrem Impulsvortrag zunächst die Kommunikations-KI ChatGPT in den Mittelpunkt. Zickler ist Immobilienunternehmerin und FDP-Stadträtin in Reutlingen, Generalsekretärin des Liberalen Mittelstands Baden-Württemberg und hat in ihrem 2023 erschienenen Buch „ChatGPT-4 Entmystifiziert“ laut Untertitel einen „umfassenden Leitfaden“ publiziert, „wie Künstliche Intelligenz unsere Zukunft gestaltet“. KI biete „wahnsinnig viele Einsatzmöglichkeiten“, sagte sie, diese seien aber sehr unternehmensabhängig. Am Ende lautete auch ihr Rat:
„Nutzen Sie die KI, arbeiten sie sich selbst ein und bleiben sie up to date“.
Führungen durch den Schauplatz Industrie 4.0 des digiZ und eine Ausstellung des Center of Competence (COC) von Zeiss rundeten den Kongress ebenso ab wie Workshops mit Fallbeispielen aus der Praxis zur Anwendung von KI.
Eine Führung zur praktischen KI-Anwendung führte durch eine Ausstellung des Center of Competence (COC) von Zeiss.
© Eckard Scheiderer