Künftiges Energiesystem rasch definieren

Ergebnisse des IHK-Energiewende-Barometer

Bei Energieeffizienz und Klimaneutralität wirkt die Wirtschaft in Baden-Württemberg tatkräftig und damit vielfältig am Gelingen der Energiewende mit. Die politischen Rahmenbedingungen machen den Unternehmen aber schwer zu schaffen. Hohe Preise und fehlende Planbarkeit der Energieversorgung sind zunehmend ein Produktions- und Investitionshemmnis. Die Unternehmen ziehen im aktuellen IHK-Energiewende-Barometer eine negative Bilanz.
„Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dass die Region am 14. und 15. Oktober das Thema Energiewende in Berlin bei der Präsentation Ostwürttembergs anspricht und den Dialog mit der Bundespolitik sucht“,
sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler.
Die zentrale Frage des IHK-Energiewende-Barometers lautete:
„Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?“.
Auf einer Skala von minus 100 für ‚sehr negativ‘ bis plus 100 für ‚sehr positiv‘ ergibt sich dabei im Land ein Wert von minus 22. Das ist zwar ein leichtes Plus gegenüber dem durch Ukrainekrieg und Energiepreiskrise ausgelösten historischen Tief von 2023 – letztlich verharrt der Wert aber weiterhin deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt und markiert den zweitschlechtesten Wert in der Geschichte des Energiewende-Barometers. In Baden-Württemberg fällt die Bilanz zur Energiewende zudem noch etwas negativer aus als bundesweit (minus 20). Zudem bleibt die heimische Industrie (minus 31,3) ebenso wie die Industrie bundesweit bei ihrer noch deutlich pessimistischeren Bewertung als die Gesamtwirtschaft.
„Das Vertrauen in die Energiepolitik ist stark angeschlagen. Die baden-württembergischen Unternehmen sehen in den bisherigen energiepolitischen Maßnahmen keine Grundlage zur Entwarnung. Vielmehr werden nach wie vor deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit erkannt. Gerade mit Blick auf den Wirtschaftsstandort BW mit seiner starken Industrie ist das besorgniserregend“,
fasst Dr. Jan Stefan Roell, BWIHK-Vizepräsident und energiepolitischer Sprecher, die Ergebnisse zusammen.

Investitionen werden zurückgestellt

Genauso geht aus dem Barometer hervor, dass die gegenwärtige Energiewirtschaft und -politik und die damit verbundenen, hohen Preise auch auf die Investitionsfähigkeit der Unternehmen drücken. Für immer mehr Betriebe ist zudem die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland bzw. die Einschränkung der Produktion im Inland das Mittel der Wahl. Jeder sechste Betrieb über alle Branchen denkt inzwischen daran. In der Industrie fallen die Anteile mit 38,5 (gesamt) bzw. mehr als 52 Prozent (500 plus-Beschäftigte) noch deutlich höher aus. Diese Werte nehmen seit Jahren zu und erreichen bei der diesjährigen Umfrage einen neuen Branchen-Höchstwert.
„Die Wirtschaft benötigt dringend stabile Rahmenbedingungen mit einer verlässlichen Energieversorgung und wettbewerbsfähigen Preisen. Sie muss wissen, welches Energiesystem zu welchen Konditionen zukünftig verfügbar ist“,
erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler.
Aus Sicht Ostwürttembergs ist dabei ein flächendeckendes Wasserstoff-Kernnetz zwingend notwendig.
„Dieses Kernnetz muss die planfestgestellte SEL-Pipeline beinhalten, die Ostwürttembergs energieintensive Unternehmen mit dem klimafreundlichen Energieträger Wasserstoff versorgt. Auch dieses Thema wollen wir in Berlin ansprechen und Lösungswege für eine klimaneutrale Wirtschaft aufzeigen. Dazu brauchen wir die Hilfe der Politik“,
betont Rentschler.

Fehlende Planbarkeit hemmt Transformation

Die Unternehmen sind sich bewusst, dass ihnen zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität eine Schlüsselrolle zukommt. Sie arbeiten auch seit Jahren an der Optimierung ihrer Energieversorgung und ihres Energieverbrauchs. Vor allem bei der Steigerung der Energieeffizienz wurden bereits von sehr vielen Unternehmen verschiedenste Maßnahmen umgesetzt. Eine fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit (64 Prozent), zu viel Bürokratie (62 Prozent) sowie langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren (48 Prozent) stehen als größte Hemmnisse noch mehr betrieblichen Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität entgegen.
„Die Haupthemmnisse für unternehmerische Transformationsbemühungen liegen in Handlungsfeldern, die von der Politik direkt geändert werden könnten. Das muss aber endlich auch konsequent passieren, die Wirtschaft steht bereit“,
appelliert auch BWIHK-Vizepräsident Dr. Jan Stefan Roell.

Jetzt anpacken: Ausbau der Energieinfrastruktur

Nach Auffassung der Wirtschaft gibt es auch bei den energiepolitischen Rahmenbedingungen für die Energiewende noch einiges zu tun, insbesondere beim Ausbau der Energieinfrastruktur. Auf diesen Ausbau beziehen sich gleich drei der Top-Fünf-Politikmaßnahmen mit den höchsten Zustimmungswerten der baden-württembergischen Unternehmen: Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge (94 Prozent Zustimmung), der Zugang zu Wasserstoff (73 Prozent Zustimmung) sowie die Überwindung der Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen (83 Prozent Zustimmung). Ebenso sind die Energie- und Strompreise stark im Fokus: Neben der schon erwähnten Eigenerzeugung sehen 79 Prozent der heimischen Betriebe die Senkung von Steuern und Abgaben auf den Strompreis an vierter Stelle der Forderungen. 67 Prozent verlangen zudem, dass die einheitliche Strompreiszone erhalten bleiben sollte – ein Anstieg um knapp 10 Prozentpunkte gegenüber 2023.
„Mit konkreten Projekten wollen wir bei der Präsentation der Region in Berlin aufzeigen, dass wir gewillt sind, bei der Energiewende anzupacken, um Verbesserungen für unsere Unternehmen rasch herbeizuführen“,
schließt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler