Im Fokus

Konjunkturelle Einblicke in die Bauwirtschaft

Aktuelle IHK-Konjunkturumfrage

Die ausgeprägte „Sonderkonjunktur“ im öffentlichen und privaten Baubereich ist ausgelaufen – auch wenn die letzten beiden Konjunkturumfragen eine positivere Lageeinschätzung als im Jahr 2023 aufzeigen. Während im Herbst kein Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit „gut“ bewertete, waren es mit 24 % nun fast ein Viertel. Mehr als die Hälfte geben einer befriedigenden Geschäftslage an. Verantwortlich dafür ist – im Vergleich zum Jahresbeginn – eine gestiegene bzw. gleichbleibende Bauproduktion sowie eine stabile Ertragslage. Insbesondere der Tiefbau und das Ausbaugewerbe tragen zu den positiven Impulsen bei. Allerdings weisen die Auftragseingänge als Frühindikator auf eine Verschlechterung der konjunkturellen Lage hin: 90 % der befragten Unternehmen gehen von fallenden bzw. gleichbleibenden Auftragseingängen aus. Zudem schätzen die Bauunternehmen die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung höher ein als zu Jahresbeginn 2024: TOP-Risiko ist die Inlandsnachfrage (+26,5 Prozentpunkte), die Wirtschaftspolitik (+15,1 Prozentpunkte), die Finanzierung (+9,2 Prozentpunkte) und die Rohstoffpreise (+15,8 Prozentpunkte). Lediglich 41 % der Bauunternehmen sehen den Fachkräftemangel als Risiko (-8,8 Prozentpunkte).
Risiken, Mehrfachnennungen mögl. (in %)
Dies spiegelt sich auch in den Erwartungen zu Beschäftigung und Investitionen wider: Mehr als die Hälfte der Bauunternehmen gehen von fallenden Beschäftigtenzahlen aus. Keine Investitionstätigkeit geben 18 % der Unternehmen an. Die 35 %, die investieren wollen, geben primär als Hauptmotiv Ersatzbedarf, Digitalisierung und Rationalisierung an. Kapazitätserweiterungen tätigt weiterhin kein Unternehmen.

Nachfrageseite und ihre Akteure
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Auftragseingang spiegeln die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage wider und zeigen die derzeitige Entwicklung im Bauhauptgewerbe: Insgesamt ist der reale (preisbereinigte) Auftragseingang im April 2024 gegenüber März 2024 kalender- und saisonbereinigt um 1,5 % zurückgegangen. Dabei stieg der Auftragseingang im Tiefbau um 0,9 %, während er im Hochbau um 4,0 % fiel. Im Vergleich zum Vorjahresmonat April 2023 stieg jedoch der reale, kalenderbereinigte Auftragseingang um 2,3 %. Der Auftragseingang im Tiefbau stieg um 7,9 %, im Hochbau nahm er dagegen um 4,2 % ab.
(Quelle: Destatis)

Erklärt werden kann dies durch die schwache Nachfrage der privaten Haushalte. Sie wirkt sich vor allem auf Neugeschäfte im Wohnbau aus, sodass die Auftragspolster in den Unternehmen sukzessive abgebaut werden. Eine Unterauslastung der aufgebauten Kapazitäten sowie weitere Produktivitätsverluste sind zu erwarten. In Pandemiezeiten flossen die Extraersparnisse der privaten Haushalte noch in die eigene Immobilie – hohe Bauzinsen sowie Energiepreise, gestörte Lieferketten und die damit einhergehenden Materialknappheiten führten zu Preissteigerungen und einem Nachfrageeinbruch. Diese Nachfrageschwäche kostet den Hochbau Kraft: Das Statistische Bundesamt errechnete für April 2024 lediglich 17.600 genehmigten Wohnungen und damit 17 % weniger als im gleichen Vorjahresmonat bzw. 43,5 % weniger als im April 2022. Somit setzte sich der Trend sinkender Baugenehmigungen fort. (Quelle: Destatis).

Das DIW Berlin geht jedoch davon aus, dass mittelfristig der Wettbewerb um Aufträge zu sinkenden Preisen und Bauzinsen führen könnte. Die Nachfrage dürfte weiter zulegen – auch aufgrund der weiter steigenden verfügbaren Realeinkommen der Haushalte und dem ungebrochen hohen Bedarf. Den Tiefbau dagegen stützen vor allem (Groß-)Projekte der Energie- und Mobilitätswende im öffentlichen Bereich. Der Wirtschaftsbau verzeichnete – insbesondere aufgrund der schwachen Konjunkturentwicklung – im 1. Quartal hingegen ein Minus von einem Prozent. (Quelle: DIW Berlin).

Angebotsseitige Hemmnisse
Eine Studie des IW Köln im Auftrag der BAUINDUSTRIE geht auf die angebotsseitigen Herausforderungen und Chancen ein. Produktivitätsfortschritte und günstigeres Bauen werden durch die oft gewünschte Trennung von Planen und Bauen verhindert wie auch durch die losweise Vergabe von Bauaufträgen, die detaillierten Standards und Normen, die Rechtsunsicherheiten bei Innovationen und den Wunsch nach größtmöglicher Individualität der Bauwerke. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten jedoch in Wohn- und Nichtwohnbauten pro Jahr zusätzlich mindestens 33 Milliarden Euro investiert werden, besser 66 Milliarden Euro. Um die nach IW-Schätzungen erforderliche Zahl von 355.000 Wohnungen pro Jahr bis 2030 zu erreichen, müssten die Investitionen in den Wohnungsbau um gut 20 Milliarden Euro real jedes Jahr, gemessen am Niveau von 2022, steigen. Im öffentlichen Bau – insbesondere zur dringend benötigten Sanierung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der kommunalen Infrastruktur – müssten bis 2030 die Investitionen jährlich um sogar 75 Milliarden Euro gesteigert werden. Tatsächlich ist seit dem Hochpunkt im Jahr 2021 die Wertschöpfung des Baugewerbes bis Ende 2023 um real 15 % gesunken.
(Quelle: IW Köln)

Weiterhin wurden im 1. Quartal 2024 bei den Amtsgerichten in Baden-Württemberg insgesamt 624 Unternehmensinsolvenzen beantragt und damit 161 Insolvenzverfahren oder gut ein Drittel (34,8 %) mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dabei war das Baugewerbe weiter am stärksten von Insolvenz betroffen: Insgesamt wurden 105 Anträge und damit unter allen Wirtschaftsbereichen die meisten Insolvenzverfahren aus diesem Bereich gestellt.
(Quelle: Statistisches Landesamt BW)