Markus Frei, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ostalb, im Interview zum Wohnungsbau

„Es muss sich eine geschlossene und umfassende Wohnungsbauoffensive in Deutschland formieren“

Markus Frei, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ostalb, hat die Entwicklungen bei den Finanzierungen von Wohnbauprojekten im Blick. Nachdem sich die Rahmenbedingungen nach der Nullzinsphase gravierend geändert haben, sind Baufinanzierungen schwieriger geworden. Das Vollversammlungsmitglied informiert regelmäßig im Expertenkreis Wohnen und Bauen über aktuelle Entwicklungen. Im Interview zeigt er Probleme auf und gibt Lösungsansätze.

Herr Frei, wie stellt sich die aktuelle Situation bei Wohnungsbaufinanzierungen dar? Welche Entwicklung wird erwartet?

Zum Glück entwickelten sich die Wohnbaufinanzierungen in den ersten fünf Monaten 2024 wieder erfreulicher, sind jedoch immer noch weit vom Niveau des Jahres 2021 und den Jahren vor dem Zinsanstieg entfernt. Viele Finanzierungen sind vor allem deshalb möglich, weil eine hohe Eigenkapitalbasis vorhanden ist, sprich die Bauherren frühzeitig angefangen haben anzusparen.

Der Immobilienmarkt für Gebrauchtobjekte/Wohnungen hat sich stärker erholt, da hier das Preisniveau etwas nachgelassen hat. Wichtig ist hier, dass genau auf den Energieausweis geschaut wird und man auch die Kosten für energetische Maßnahmen einrechnet. Zudem hat die jüngst beschlossene degressive Abschreibung positiv im Markt gewirkt, das heißt bei Neubauten und Vermietungsobjekten können über fünf Jahre fünf Prozent p.a. abgeschrieben werden.

Und die Kehrseite der Medaille?

Eindeutig negative Entwicklung der vergangenen zwei bis drei Jahre ist in diesem Umfeld das weitere Ansteigen der Mieten. Nach vorne gerichtet ist zu hoffen, dass die EZB, nach dem jüngsten ersten 0,25-Prozent-Schritt, in 2024 die Zinsen um 0,75 Prozent senkt und dies sich dann auch positiv auf die Zinssätze am Kapitalmarkt auswirkt, denn dieser ist entscheidender als der reine EZB-Zins.

Aktuell hat sich in den vergangenen Wochen der Marktzinssatz, trotz EZB-Zinssenkungserwartungen, verschlechtert. Dies korreliert mit den vermutlich später startenden Zinssenkungen in den USA, durch die dortige Notenbank FED. Weitere Hilfen und Programme von Bund und Land würden den Immobilienmarkt ebenfalls unterstützen. Leider ist diesbezüglich nichts Konkretes in Sicht. Folglich werden wir in den nächsten Monaten eine Seitwärtsbewegung, bestenfalls eine marginale Verbesserung am Immobilienmarkt sehen.

Wie realistisch ist eine Steigerung der Anzahl von Neubauwohnungen in den kommenden Jahren?

Das ist die zentrale und elementare Frage. Denn mit der Zahl der Neubauwohnungen hängt auch unmittelbar das Mietniveau und das Wohnraumangebot zusammen, was wiederum ein Thema für den regulierten Zuzug von Fachkräften sein wird. Je nachdem welche Statistik man betrachtet, ob eine politische oder eine von den Immobilienverbände, fehlen in Deutschland aktuell etwa eine Million Wohnungen.
 
Es war von der Bundesregierung bisher geplant, dass jährlich etwa 400.000 Wohnungen dazu kommen. Diese Zahl ist im aktuellen Umfeld allerdings nicht realistisch und man geht inzwischen von nur noch 200.000 bis 250.000 neuen Wohnungen p.a. aus. Das Ziel von einer Million neuen Wohnungen, entsprechend dem aktuellen Bedarf, ist also noch nicht greifbar und in weiter Ferne.

Folglich müssten bereits heute weitere Anstrengungen von allen Beteiligten, inklusive der Politik, unternommen werden, um schneller aus der schwierigen Lage am Immobilienmarkt herauszukommen, das heißt es muss sich eine geschlossene und umfassende Wohnungsbauoffensive in Deutschland formieren. Aktuell laufen hierzu viele Bestrebungen, unter anderem die „Arbeitsgruppe Wohnen und Bauen“ der IHK Ostwürttemberg, die stellvertretend für die anderen IHKs im Land die notwendigen Maßnahmen bündelt und auf DIHK-Ebene weiter transportiert, um konkrete Unterstützung von Bund und Ländern zu erzielen.

Was muss also passieren?

Wichtig ist nun, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie Entbürokratisierung, zusätzliche öffentliche, staatliche Förderung und weitere steuerliche Erleichterungen, auch schnell greifen, denn die Vorlaufszeiten sind hier eben nicht zwei oder drei Monate wie in anderen produzierenden Branchen, sondern eher zwei bis drei Jahre. Deshalb werden wir nun erst einmal eine Lücke sehen, es ist sprichwörtlich fünf vor zwölf.

Wenn keine Aufträge da sind, wird die wirtschaftliche Situation von Unternehmen am Bau schwieriger und gegebenenfalls findet eine Fachkräfteabwanderung statt, die dann nochmals längerfristige negative Folgen nach sich ziehen würde. Daher ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten und hängt davon ab, wie schnell der nun überfällige Schulterschluss aller Beteiligten mitsamt der Politik erfolgen wird.

Gibt es neue Entwicklungen im Bauträgergeschäft?

Ein Trend, der nun schon einige Jahre anhält, ist sicher die Bauweise komplett oder in großen Teilen mit Holz. Beton ist aktuell trotzdem sicherlich nicht ganz weg zu denken, wird teilweise aber durch Holz substituiert, um eine bessere CO2-Bilanz beim Bau zu erzielen, sprich eine noch nachhaltigere Bauweise. Zudem wird neben den klassischen Bauformen auch von vielen Fertighausherstellern mittlerweile sehr darauf geachtet, dass recyclebares Material zum Einsatz kommt.

Letzten Endes hat sich die Angebotspalette für Bauinteressierte oder auch für Käufer von Eigentumswohnungen in den vergangenen Jahren deutlich erweitertet und ist sehr weitgehend individualisiert.

Ein weiterer Trend, der noch nicht den finalen Durchbruch erzielt hat, sind sicher Tiny-Häuser. Wir haben hier in der Region auch gute Produzenten, die von steigenden Absatzzahlen sprechen, da diese kleinen Häuser eine deutlich günstigere, weniger Fläche verbrauchende und auch energieeffizientere Alternative zu „vollformatigen“ Einfamilienhäusern sind und auch für generationenübergreifendes Wohnen eine Rolle spielen können.

Welche weiteren Trends gibt es?

Im Geschosswohnungsbau könnte sich ein Trend entwickeln, der unter dem Begriff „serielles Bauen“ zu finden ist. Die Idee dahinter ist eine standardisierte Bauform mit standardisierter Grundausstattung, die dann „am Fließband“ durchgeführt wird – egal, ob via Holzbauweise oder Betonbau. Der Vorteil sind hier Skaleneffekte durch die „serielle“ Fertigung. Am Markt finden sich hier bereits die ersten Anbieter und Projekte. Diese Bauform ist etwas günstiger für Käufer oder Mieter, hat jedoch den Nachteil, dass nicht alles ganz so individuell gestaltet werden kann, wie bisher bei uns üblich.

Hinsichtlich der Technikausstattung von Wohnungen gibt es zwar den Smart-Home-Trend mit komfortabler Usability, dieser hakt seit einigen Jahren allerdings und wird mittlerweile mit Blick auf die Datensicherheit teilweise hinterfragt. Das zentrale Problem ist die Fragestellung, ob ich auch in meinem Zuhause digitalen Spuren hinterlassen will. Eventuell gibt es sogar schon wieder einen entgegengesetzten Trend, weg vom Smart Home. Aktuell gibt es hier noch keine eindeutige Weichenstellung, in welche Richtung die Reise beziehungsweise die weitere Entwicklung geht.

Gibt es weitere wichtige Punkte?
 
Als letzten Punkt sehe ich noch die Heiztechnik und PV-Anlagen: Hier kommt im privaten Sektor und teilweise auch im Geschosswohnungsbau der Trend zur Autarkie, das heißt ich habe meine Wärmepumpe, habe meine PV-Anlage und meinen Speicher im Keller. Den überschüssigen Strom speise ich ins Netz oder lade mein Elektrofahrzeug. Hier gibt es mittlerweile Komplettanbieter, die dies als Paket konfigurieren und komfortabel in das Haus integrieren. Einziger Nachteil sind die noch relativ hohen Investitionskosten, die sich erst über die Zeit amortisieren.

Im Übrigen gibt es solche Kombinationen auch für den gewerblichen Bereich. Hier wird zudem ein Wasserstofftank und eine Elektrolyseeinrichtung benötigt, dann kann diese Technologie auch für mehrere Geschosse oder ganze Bürogebäude verwendet werden.

Welche grundsätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für Unternehmen, die Wohnungen für ihre Mitarbeiter bauen möchten?

Leider gibt es bislang keine speziellen Förderprogramme für Mitarbeiterwohnungen. Es greifen die Standardprogramme der KfW oder der L-Bank inklusive der Energieeffizienzprogramme sowie der verschiedenen Zuschüsse von Bafa und KfW, je nach Wahl des Energieträgers im Zusammenhang mit dem Heizungsgesetz. Von der Kreissparkasse Ostalb gibt es ein eigenes Sonderprogramm, das bei Finanzierungen eingebunden werden kann und mit dem wir die Schaffung von Wohnraum im Ostalbkreis fördern wollen.

Bei der Einbindung von öffentlichen Fördermitteln ist in der Regel der Förderantrag bei der Sparkasse vor Vorhabensbeginn zu stellen. Aktuell hilft auch beim Bau von Mitarbeiterwohnungen die neue degressive Abschreibung mit fünf Prozent p.a. auf fünf Jahren. Leider sind diese Förderbausteine insgesamt bei Weitem nicht ausreichend, weshalb dieses Thema auch auf der Liste steht, mit welcher wir aus der IHK-Gruppe „Wohnen und Bauen“ weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen nachdrücklich und schnell fordern.

Welche speziellen Dinge müssen beim Bau von Mitarbeiterwohnungen durch Unternehmen bedacht werden? Welche Rolle spielen dabei Fördermittel?

Die Kreissparkasse Ostalb hat in den vergangenen Jahren mehrere Unternehmen beim Bau von Mitarbeiterwohnungen begleitet. Wichtig ist es, auf die Größe und den Zuschnitt der Wohnungen zu achten, damit diese Drittverwendungsfähig sind und auch einer anderen Nutzung zugeführt werden können. Oftmals statten die Unternehmen die Wohnungen mit einer Einbauküchenzeile aus. Der Mietpreis muss unterm Strich idealerweise angemessen für den Arbeitgeber und Investor und gleichzeitig attraktiv für den Mitarbeiter und Mieter sein.


Welche Herausforderungen sehen Sie beim Bau von Mitarbeiterwohnungen aus Sicht der Finanzierung?

Die Herausforderungen sind vergleichbar mit denen der Kapitalanleger. Durch die hohen Baupreise und die gestiegenen Zinskosten ist es herausfordernd, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften. Ein entsprechender Eigenmitteleinsatz ist meistens erforderlich und empfehlenswert. Beim Bau vom Mitarbeiterwohnungen steht aber nicht immer die Rendite im Vordergrund, sondern er dient maßgeblich der Mitarbeitergewinnung und -bindung und soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken.