Persönliche Kontakte sind Trumpf bei der Nachwuchsgewinnung

DIHK-Umfrage: Azubi-Mangel weitet sich aus

Azubis dringend gesucht – mehr denn je ist das leider für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand für die Zahl der Betriebe, die nicht genug Nachwuchs finden.
Der Untersuchung zufolge konnten 49 Prozent aller Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKs) nicht alle Ausbildungsplätze für das Ausbildungsjahr 2023/2024 besetzen. Das bedeutet eine Steigerung von 2 Prozentpunkten gegenüber dem Jahr zuvor und einen neuen Rekordwert. Knapp 30.000 Ausbildungsbetriebe sind ohne eine einzige Bewerbung geblieben.
Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Betriebe mit Besetzungsschwierigkeiten geben sogar an, sie hätten keine einzige Bewerbung erhalten. Hochgerechnet gingen damit knapp 30.000 Ausbildungsbetriebe leer aus. Besonders betroffen sind die Industrie, das Gastgewerbe, der Handel, die Verkehrsbranche und das Baugewerbe.
Die Zahlen aus der DIHK-Ausbildungsumfrage 2024, an der sich mehr als 13.000 Unternehmen beteiligt haben, unterstreichen nach Worten des stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführers Achim Dercks "die wachsenden Herausforderungen" auf dem Ausbildungsmarkt.
"Die Lage ist für viele Unternehmen angespannt – unabhängig von der aktuell schlechten Konjunktur und den strukturellen Herausforderungen", so Dercks. "Denn trotz schwacher Wirtschaftslage suchen die Betriebe infolge des demografischen Wandels händeringend nach Auszubildenden", berichtet er. "Aber es fehlt in den meisten Branchen an Nachwuchs. Die kleinen Betriebe haben am meisten zu kämpfen. Der Fachkräftemangel fängt bereits bei den Auszubildenden an."
Authentizität der eigenen Belegschaft nutzen
Um junge Menschen für die eigene Branche oder den Beruf zu interessieren, setzen die Unternehmen mittlerweile auf die unterschiedlichsten Möglichkeiten, potenzielle Auszubildende anzusprechen. Die Praxis zeigt, dass vor allem der persönliche Kontakt und die persönliche Ansprache erfolgreich sind. Neben der eigenen Website als wichtigste Plattform (86 Prozent) lernen über 70 Prozent der Betriebe ihre künftigen Azubis durch Initiativen wie Schnuppertage, Job-Messen und Praktika kennen.
"Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Botschafter für den eigenen Betrieb unterwegs", berichtet Dercks. 73 Prozent der Unternehmen nutzen die Authentizität der eigenen Belegschaft, um erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen. Diese analogen Kommunikationskanäle böten die Möglichkeit, tiefergehende und persönliche Beziehungen aufzubauen.
Die Azubi-Suche hat sich aber längst auch ins Digitale verlagert. "Junge Menschen nutzen die Social-Media- und Berufs-Plattformen sehr intensiv. Das ist ihre gewohnte Umgebung, und dort aktiv zu sein, lohnt sich auch für die Betriebe", rät der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. Mehr als die Hälfte der Unternehmen betreiben aktives Marketing über Social Media. Mit innovativen Rekrutierungsmaßnahmen und verbesserten Ausbildungskonzepten ziehen die Betriebe so Aufmerksamkeit auf sich und präsentieren sich modern."
Wichtig für junge Menschen ist auch der Arbeitsalltag im Ausbildungsbetrieb selbst. Deshalb legen die Betriebe vermehrt Wert auf flache Hierarchien, attraktive IT-Ausstattung, finanzielle Anreize, Auslandsaufenthalte oder neue Lern- und Lehrkonzepte. Dercks: "Die Unternehmen verstärken ihre Bemühungen für einen attraktiven Ausbildungsplatz weiter. Mit einem breiten Mix an Maßnahmen engagieren sie sich für die Ausbildung, ihren Nachwuchs und ihre künftigen Fachkräfte."
Hauptursache Demografie
Die Gründe für den Auszubildenden-Mangel insgesamt sind vielfältig. Vor allem drückt der demografische Wandel, denn die jüngeren Generationen werden faktisch schrumpfen. Zudem fehlt den jungen Menschen aber auch die Berufsorientierung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, welchen Beruf sie erlernen wollen, sondern auch um Unsicherheiten, die mit dem neuen Lebensabschnitt zusammenhängen.
"Hilfreich" wäre es nach Dercks' Einschätzung, wenn bereits in den Schulen für die Berufsorientierung ausreichend Zeit eingeplant sei. "Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen müssen im Unterricht eine größere Rolle spielen." Auch die IHK-Organisation setzt ihre bundesweite Azubi-Kampagne "Ausbildung macht mehr aus uns" fort und informiert junge Menschen und deren Eltern über die duale Ausbildung in IHK-Berufen.
Die jungen Schulabgänger müssen aber auch bereit sein für eine Berufsausbildung. Notwendige Voraussetzung dafür ist, dass sie ein Minimum an Mathematik- und Deutschkenntnissen sowie Lernbereitschaft und Umgangsformen mitbringen. Nur so kann die Ausbildung für die Azubis und für die Betriebe gelingen. Die jüngsten Pisa-Studien oder der Nationale Bildungsbericht zeigen jedoch, dass es zunehmend an einer soliden Grundbildung mangelt und sich schulische Leistungen von Jahr zu Jahr verschlechtern.
Betriebe bieten Starthilfe, IHKs Orientierung
"Unser Bildungssystem muss an dieser Stelle besser werden", mahnt Achim Dercks. "Die Unternehmen nehmen aus der Not heraus immer mehr selbst in die Hand und unterstützen junge Menschen mit Startschwierigkeiten auf vielfältigste Weise." Das reiche von Nachhilfe in Deutsch und Mathematik, über sozialpädagogische Dienste bis hin zu Coaching-Programmen zur Verbesserung von Selbstmanagement und Motivation. "Wir müssen gemeinsam die Anstrengungen ausbauen und die potenziellen Azubis und die Betriebe besser zusammenbringen", fährt er fort. "Das geht am besten über praxisnahe und niedrigschwellige Angebote."
Situation in Ostwürttemberg
Auch in der Region Ostwürttemberg spitzt sich die Situation beim Abschluss von neuen Ausbildungsverhältnissen zu. 2024 ging die Anzahl der neuen Ausbildungsverhältnisse gegenüber 2023 um 6,4 Prozent zurück (Stand: 30.9.2024). Die Agentur für Arbeit beklagte ebenfalls das Auseinandergehen der Schere zwischen angebotenen Ausbildungsverhältnissen durch die Unternehmen und den potenziellen neuen Azubis. 3.942 angebotenen Stellen standen lediglich 2.205 Bewerberinnen und Bewerber entgegen. Daraus ist klar ersichtlich, dass der Mangel an potenziellen Azubis ein Hemmschuh für die Sicherung der Fachkräfte in der Region Ostwürttemberg ist. Diese Thematik trägt die Region bei ihrer Präsentation „Ostwürttemberg meets Berlin“ am 14. und 15. Oktober 2024 in die Bundeshauptstadt und diskutiert es mit Vertretern der Politik.
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