Migrantenschicksale - Giovanni D'Onofrio

Mit Alfa Romeo kam der Erfolg

Giovanni D'Onofrio hilft sein Verkaufstalent: Auf der Ostalb gründet er ein Autohaus und schlägt hier Wurzeln

Blutjung, wie er selbst sagt, gerade mal 21 Jahre alt, ist er vor genau 60 Jahren nach Deutschland gekommen. Kein Wort Deutsch hat er gesprochen, aber der Armut und der geringen Perspektive in seiner italienischen Heimat wollte er entkommen. Heute darf Giovanni D'Onofrio zufrieden und glücklich auf sein Lebenswerk zurückblicken. Auf ein florierendes Autohaus nämlich mit einem treuen Kundenstamm, das inzwischen sein Sohn Sandro leitet und dem er mit Rat und Tat zur Seite steht. Die deutsche Sprache ist für Giovanni D'Onofrio inzwischen längst kein Problem mehr. Er hat auf der Ostalb, wo seine Familie lebt, Wurzeln geschlagen, Italien aber ist in seinem Herzen geblieben und mindestens zwei Mal im Jahr fährt er in die alte Heimat, wo auch ein Teil seiner Familie lebt. Seine Geschichte steht für viele Migrantenschicksale früherer Jahrzehnte.
Giovanni D'Onofrio hat in Colletorto, einem kleinen Ort in der Region Molise in Mittel-Süditalien, das Licht der Welt erblickt und ist mit zwei Brüdern aufgewachsen. Der Älteste sollte die mittelgroße elterliche Landwirtschaft übernehmen, für Giovanni, den Jüngsten, waren damals die Perspektiven in der armen Gegend nicht sonderlich vielversprechend. Und so verließ er mit 17 Jahren sein Elternhaus, kam mit einem Koffer voller Träume in Mailand an und verdiente dort als Kellner sein erstes Geld. Dreieinhalb Jahre später, als er zur italienischen Armee eingezogen werden sollte, riet ihm der Vater,  - von dem D'Onofrio nach eigenem Bekunden die Gabe geerbt hat, gut mit Menschen umgehen zu können -, in Deutschland sein Glück zu versuchen. In einem Land also, in dem er noch nie gewesen war und dessen Sprache er nicht beherrschte.
Erste Station war Schönaich bei Böblingen, wo bereits ein Bruder und einige Landsleute lebten. Dort nahm der junge „Gastarbeiter“, wie es damals hieß, Pickel und Schaufel in die Hand, zog Stiefel an und packte auf dem Bau kräftig mit an, verdiente so sein  eigenes Geld. „Damals gab es kein Begrüßungsgeld oder sonst etwas, was einem angeblich zustand“, erinnert er sich zurück.
Ein halbes Jahr später kam D'Onofrio über Landsleute nach Wasseralfingen und fand in der Maschinenfabrik Alfing Kessler einen neuen Arbeitsplatz. Anfangs als Hilfsarbeiter, aber sein Meister bemerkte schnell, dass es schade wäre, den jungen Italiener nur die Schubkarren schieben zu lassen. Er lernte ihn als Dreher an und ließ ihn Maschinen bedienen. 1967 meldete Giovanni D'Onofrio einen Gebrauchtwagenhandel im Nebenberuf an und begann Autos zu verkaufen. Eine umgebaute Scheune im leerstehenden ehemaligen Bauernhof seiner Schwiegereltern – 1967 hatte er Ida, eine waschechte Schwäbin geheiratet – war sein erstes „Autohaus“. Einen Ausstellungsraum gab es nicht, aber die Geschäfte liefen trotzdem gut.
„Ich habe gemerkt, das liegt mir“,
erzählt D'Onofrio. Und so gab er 1970 seinen Arbeitsplatz bei Alfing auf, um sich ganz dem Geschäft mit Gebrauchtwagen zu widmen.
1972 gelang es ihm, einen Vertrag für eine Alfa-Romeo-Vertretung zu bekommen. Er wollte die Automarke verkaufen, für die er schon seit je her geschwärmt hat. Heute noch bekommt er glänzende Augen und schwelgt in den höchsten Tönen, wenn er sie vorstellt und ihre Vorzüge preist. Dass er zweifellos ein Verkaufstalent hat und tatsächlich für Alfa Romeo brennt, mag eine beeindruckende Zahl verdeutlichen: Am 18. Mai 1972 unterschrieb er den zunächst auf ein halbes Jahr befristeten Vertrag mit Alfa Romeo, am Endes desselben Jahres hatte er bereits 18 Autos verkauft. Italienische Fahrzeuge, die damals in Deutschland noch ein kleines Imageproblem hatten.
Die Geschäfte entwickelten sich gut und so konnte D'Onofrio 1977 in seine neuen Räume am jetzigen Standort im Aalener Stadtteil Oberalfingen einziehen. „Im Letten“ hatte das Autohaus D'Onofrio ab diesem Zeitpunkt eine moderne Werkstatt und einen Verkaufsraum. Und es lief. „Ich habe in den 70er-Jahren viele Autos verkauft, ohne Verkäufer, ohne Computer“, blickt Giovanni D'Onofrio zufrieden zurück. 1986 übernahm er zusätzlich die Suzuki-Vertretung und 2017 einen Fiat-Service.
Inzwischen bringen aber auch zahlreiche stolze Besitzer von Oldtimern aus nah und fern  ihre Schätze nach Oberalfingen, um sie im Autohaus reparieren, restaurieren und auf Hochglanz bringen zu lassen. Keine Frage, dass auch Giovanni D'Onofrio selbst über solche Schätze verfügt und sie gerne dem Besucher voller Stolz präsentiert. Sandro D'Onofrio hat übrigens inzwischen auch die legendäre Vespa, auf der viele Römerinnen und Römer gerne durch ihre Hauptstadt flitzen, ins Verkaufsprogramm aufgenommen.
1992 wurde die Ausstellungshalle vergrößert und der neue Verkaufsplatz eingeweiht. Und langsam zeichnete sich auch ein Generationswechsel ab. 1994 stieg Sohn Sandro nach erfolgreich absolviertem Studium als Wirtschafts-Diplomingenieur an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen in den Familienbetrieb ein, den er nun schon seit einigen Jahren verantwortlich leitet.
Senior Giovanni D'Onofrio steht ihm und dem ganzen Team mit Rat und Tat zur Seite, ist nach wie vor regelmäßig im Betrieb anzutreffen, gönnt sich aber natürlich viel mehr Freizeit als früher und ist als stolzer Großvater gerne mit seinen Enkeln zusammen.
„Ich habe meine Geschäfte immer ehrlich und zuverlässig betrieben“,
blickt er zurück,
„habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen und gegen niemand prozessiert. Fast alle Kunden konnte ich zufriedenstellen, manchmal gelingt es eben nicht. Es ist mir immer darum gegangen, fair und kulant zu sein und eine freundschaftliche Lösung zu finden.“
Tausende Autos hat er verkauft und wer mit ihm spricht, spürt sofort seine Liebe und Leidenschaft für das Automobil. Diese Passion hat er an seinen Sohn Sandro weitergeben können. Und seine Philosophie: Die Kundin oder den Kunden erwarten kompetente und freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie in allen Fragen kompetent beraten und ihnen eine unkomplizierte Abwicklung garantieren. „Erst der Kunde, dann das Auto“, lautet das Motto. Die Zufriedenheit der Kundin oder des Kunden steht an erster Stelle.
Geblieben ist natürlich aber auch die Liebe zu „bella Italia“. Und so steht nicht selten zu Beginn eines Gesprächs mit Giovanni D'Onofrio ein echt italienischer caffè, in Deutschland als Espresso bekannt. Vom Seniorchef höchst selbst zubereitet.