Serie Migrantenschicksale

In zwei Kulturen zuhause

Senel und Ali Yilmaz kamen als Gastarbeiter nach Deutschland, ihr Sohn Bülent engagiert sich für die Verständigung der Nationen.

Anfang der 1960er-Jahre hat die Bundesrepublik mit der Türkei ein Anwerbeabkommen geschlossen. Danach kamen auch von dort, wie zuvor bereits aus Italien, Spanien oder Griechenland so genannte Gastarbeiter nach Deutschland. 1969 entschlossen sich Senel und Ali Yilmaz, für einige Jahre ins ferne „Almania“ zu gehen, dort Geld zu verdienen und dann in die Heimat zurückzukehren. Sie sind „Gastarbeiter“ der ersten Generation und leben immer noch in Deutschland, verbringen aber jedes Jahr im Sommer einige Monate in ihrem Ferienhaus an der türkischen Ägäis. Ihre vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter, wurden in Deutschland geboren, drei von ihnen sind auch hier geblieben. Halit Yilmaz dagegen ist in der angestammten Heimat erfolgreich im Tourismus tätig und besitzt dort mehrere Hotels. Ihr Jüngster, Bülent, lebt mit seiner Familie im Ellwanger Teilort Schrezheim und engagiert sich sehr für das Zusammenleben der Nationen und die Integration der Mitbürger mit ausländischen Wurzeln.
Doch zurück zu Senel und Ali Yilmaz. Als sie sich 1969 entschlossen, Istanbul den Rücken zu kehren und für einige Jahre in Deutschland ihr Glück zu versuchen, kannten sie sich zwar, waren aber noch nicht verheiratet. Senel Yilmaz ist gelernte Krankenschwester. Ihre erste Station in Deutschland war Bad Windsheim. Dort heiratete sie Ali Yilmaz. Und dort wurden auch ihre Kinder geboren. 1979, Bülent war gerade ein Jahr alt, zogen sie nach Ellwangen. Senel Yilmaz hatte bei Varta eine Stelle gefunden und blieb dem Unternehmen 35 Jahre lang treu, Ali Yilmaz arbeitete gar 40 Jahre in der Gesenkschmiede Schneider (GSA) in Aalen. Die Eheleute fanden eine Wohnung in Ellwangen, lebten sparsam, hielten ihr Geld zusammen, denn sie hatten ja ein Ziel. Jedes Jahr verbrachten sie ihren Urlaub in der Türkei, besuchten Freunde und Verwandte und genossen sechs Wochen lang die Heimat.
Geänderte Lebensplanung
Dass es eine so lange Zeit in Deutschland werden würde, war in ihrer Lebensplanung eigentlich gar nicht vorgesehen. Die beiden wollten sich in der Fremde ein bisschen Wohlstand erarbeiten, um dann in die Heimat zurückzukehren. Dorthin, wo sie viele Verwandte hatten und auch Immobilien. Aber irgendwie hat es nie richtig gepasst und so wurde die Rückkehr immer wieder hinausgeschoben – bis sich das Thema erledigt hatte.
Nicht zuletzt, weil auch drei der vier Kinder Wurzeln in Deutschland geschlagen haben. Der Älteste, Erol Yilmaz, hat inzwischen ein Stuckateurgeschäft in Waiblingen, die Tochter Mine lebt mit ihrer Familie in Schwäbisch Gmünd. Bülent, ihr Jüngster, ist wie seine Geschwister ein typisches Gastarbeiterkind der zweiten Generation. Er wuchs zwar in Deutschland auf, ist aber in beiden Kulturen zuhause. Er spricht nicht nur perfekt deutsch, sondern schwäbelt auch, er spricht aber natürlich auch perfekt türkisch. Und er hat den türkischen Pass. „In der Türkei habe ich meine Wurzeln“, sagt er. Seine Frau Yvonne und die beiden Kinder haben den deutschen Pass. Multikulti par excellence eben.
Ausbildung zum Friseur absolviert
Bülent Yilmaz hat an der Buchenbergschule in Ellwangen seinen Hauptschulabschluss gemacht, war anschließend zwei Jahre auf der hauswirtschaftlichen Realschule und strebte beruflich in Richtung Hotelfachmann. Doch schon bald merkte er, dass dies doch nichts für ihn ist. Er ließ sich im Salon Gold in Aalen zum Friseur ausbilden, legte im Jahr 2000 erfolgreich die Meisterprüfung ab und eröffnete 2004 in Aalen seinen eigenen Salon. 2020 kam ein weiterer in Ellwangen dazu.
Bülent Yilmaz hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut. Und das nutzt er für sein großes Anliegen, die Integration. Die ist, davon ist er überzeugt, eine Sache beider Seiten, der Einheimischen und der Migranten. Bülent Yilmaz kennt dank seiner türkischen Wurzeln beide Kulturen und sagt, man muss sich gegenseitig akzeptieren und auf den gleichen Nenner, auf Augenhöhe kommen. Wo könnte das besser geschehen als im Sport?
Gelebte Integration
Dass es dort wunderbar funktioniert, dafür ist das jährliche „Spiel der Nationen“ in Ellwangen das beste Beispiel. Dort kommen sich Migranten und Einheimische näher, nicht nur im Rahmen des Sports. Nach dem Spiel folgt die dritte Halbzeit, hier kommen alle zusammen bei Essen und Trinken und lassen die Veranstaltung gemeinsam bei gutem Austausch ausklingen. Im vergangenen Jahr war es die elfte Auflage des „Spiels der Nationen“ und Yilmaz war erneut mit vollem Einsatz dabei. Mit Michael Schiele, zuletzt Trainer bei Eintracht Braunschweig und wohnhaft auf dem Härtsfeld, hatte er wieder einmal einen prominenten Gast gewinnen können.
Yilmaz hatte auch attraktive Preise an Land ziehen können. Beim Luftballon-Wettbewerb gab es ein Trikot des damaligen Meisters Bayern München als Preis, beim Torwandschießen konnte man ein Trikot des Vizemeisters Borussia Dortmund gewinnen und beim Jonglier-Wettbewerb hatte man die Chance, ein Trikot des neuen Bundesligisten 1. FC Heidenheim ergattern. Außerdem gab es sechs Trikots der deutschen Nationalmannschaft. Der Integrationsbeauftragte der Stadt Ellwangen, Jürgen Schäfer, bringt es so auf den Punkt: „Ohne Bülent Yilmaz wäre diese Veranstaltung in der Form gar nicht möglich. Er pflegt unglaublich gute Beziehungen und es macht einfach riesig Spaß mit ihm.“
Das alles stemmt Yilmaz neben seinem fordernden Beruf als Unternehmer. Aber das ist immer noch nicht alles: Zusätzlich hat er seit 2017 die GmbH mit seinen beiden Partnern Suat Korkut und Ümmet Öztürk. Gemeinsam produzieren und vertreiben sie Kosmetika und weitere Produkte aus der Türkei in Europa.