IHK Ostwürttemberg

Lourans Albarawi: 2015 von Syrien nach Deutschland

Lourans Albarawi fühlt sich in Ostwürttemberg inzwischen sehr wohl und hat mittlerweile sogar die Deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Geboren und aufgewachsen ist er in der syrischen Hauptstadt Damaskus, wo er auch zur Schule gegangen ist. Bis zur elften, der vorletzten Klasse hat er dort ein naturwissenschaftliches Gymnasium besucht. 2015, da war er 17 Jahre alt, stellte sich für ihn angesichts des seit vier Jahren tobenden Krieges in seiner Heimat die Frage, ob er in Syrien die Schule abschließt und riskiert, danach in die Armee eingezogen zu werden. Oder ob er als Minderjähriger und damit nicht Wehrpflichtiger das Land verlässt in der Hoffnung, damit eine Chance zu haben, seine Familie nachzuholen.
In der Familie fiel die Entscheidung für die Flucht und so flog Albarawi nach Istanbul, denn in die Türkei konnte er ohne Visum einreisen. Sein eigentliches Ziel war jedoch Europa. In der Millionenstadt fand er schließlich Schmuggler, die ihn zusammen mit 100 Erwachsenen und 70 Kindern in einem Boot von der Türkei übers Meer nach Italien bringen wollten. Dass er sich auf eine lebensgefährliche Reise begab, dessen war sich Albarawi bewusst. Sechs Tage waren sie auf dem Wasser, unterwegs ging immer wieder der Motor aus. Schließlich wurden sie von einem belgischen Schiff aufgenommen und konnten in Süditalien an Land gehen - mit nicht viel mehr als den Kleidern auf dem Leib. Er sprach gut Englisch und ein bisschen Französisch, aber kein Wort Deutsch.
In Süditalien wollte Albarawi aber nicht bleiben. Zusammen mit Landsleuten schlug er sich nach Mailand durch. Dort fand er einen Schmuggler, der bereit war, ihn für 500 Euro nach München zu bringen. Weil er gehört hatte, dass in Karlsruhe Asylanträge schnell bearbeitet würden, begab er sich dort zur zentralen Aufnahmestelle. „Fünf Tage lang hat sich dort niemand für mich und mein Schicksal interessiert“, erzählt der junge Mann. Aber dann kam er in Kontakt mit einer Mitarbeiterin, die ihn in ein Wohnheim vermittelte. Dass er damit fast schon das große Los gezogen hatte, wurde ihm klar, als er sah, wie volljährige Flüchtlinge untergebracht waren. „Ich hatte ein eigenes kleines Zimmer“, erzählt er, „ein Betreuer hat sich um uns gekümmert.“
Im Juli 2015 wurde Albarawi Heidenheim als Wohnort zugewiesen. Im Schulverbund im Heckental besuchte er eine Vorbereitungsklasse für Migranten, um die deutsche Sprache zu lernen. Auch ein bisschen Mathematik und Englisch sollte es sein, aber es zeigte sich rasch, dass Albarawi hier deutlich unterfordert war dank des Besuchs eines naturwissenschaftlichen Gymnasiums in seiner syrischen Heimat. „Du gehörst auf eine andere Schule“, sagte seine Lehrerin. Sie meinte das Gymnasium, aber das war ihm damals nicht klar, kannte er doch das deutsche Schulsystem nicht.
Schließlich landete er in Heidenheim auf dem Wirtschaftsgymnasium und hatte bei einem Workshop auch Kontakt zur IHK Ostwürttemberg, die zu der Zeit einem Geflüchteten die Chance einer Ausbildung geben wollte. Albarawi wollte zwar studieren, machte dann aber doch ein Praktikum und eine dreijährige Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement, die er mit einem Preis abschloss. Es schloss sich berufsbegleitend eine Ausbildung als Wirtschaftsfachwirt an. In dieser Zeit arbeitete er im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der IHK mit. Inzwischen ist er im Digitalisierungszentrum der IHK tätig und studiert Betriebswirtschaft und Marketingmanagement mit Schwerpunkt Medien und Kommunikation an der DHBW in Heidenheim. Überflüssig zu sagen, dass er längst akzentfrei Deutsch spricht.
Auch seine Familie hat inzwischen Syrien verlassen. Sein Vater kam 2015 in der großen Fluchtbewegung über die Balkanroute nach Deutschland und hat in Nürnberg eine Arbeitsstelle und eine Wohnung gefunden. Später konnte er seine Frau und seinen zweiten Sohn zu sich holen.
Seit Anfang April 2023 ist Albarawi wieder bei der IHK: Er schreibt nun an seiner Bachelorarbeit, die bis Juni fertig sein soll. Darin entwickelt er ein Marketingkonzept für das IHK-Bildungszentrum in Aalen.