Berufsausbildung

Schwangerschaft und Ausbildung

Kaum ein Ereignis verändert das Leben so nachhaltig, wie eine Schwangerschaft. Für junge Frauen, die sich gerade in einer Ausbildung befinden, ist eine Schwangerschaft erst einmal ein Problem. Denn neben all den ungeklärten Fragen zur bevorstehenden Elternschaft müssen sie sich auch weiterhin um ihre Ausbildung, Berufsschule und die damit verbundenen finanziellen Aspekte kümmern.

Aber auch für den Ausbildungsbetrieb ergeben sich Fragen, was alles beachtet werden muss bzw. welche Rechte und Pflichten gegenseitig bestehen und ob und wie die Ausbildung fortgeführt werden kann.

1. Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle

Die rechtliche Grundlagen regeln das Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG) und das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG).
Grundsätzlich empfiehlt sich für die Auszubildende
und für den Ausbildungsbetrieb (Pflicht zur Meldung einer Schwangerschaft)
eine Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle:

"Fachgruppe Mutterschutz
beim Regierungspräsidium Stuttgart, Abteilung 5 Ref. 54.3,
Tel. 0711 904-15499


oder über das Internet:
rp.baden-wuerttemberg.de


Die nachfolgenden Informationen sollen vorab Antworten auf Fragen geben.
Für die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch keine Haftung übernommen werden:

2. Mitteilungspflicht der Auszubildenden an den Ausbildungsbetrieb

  • Sobald einer Auszubildenden der Zustand einer Schwangerschaft bekannt ist, soll diese dem Arbeitgeber, auch zum Eigenschutz der Mutter und des Kindes mitgeteilt werden.
  • Der Arbeitgeber darf eine ärztliche Bestätigung oder eine Bestätigung der Hebamme über die Schwangerschaft und den Geburtstermin verlangen. Die Kosten dafür trägt der Arbeitgeber.

3. Anzeigepflicht des Ausbildungsbetriebes

  • Der Ausbildende/Ausbildungsbetrieb hat die zuständige Aufsichtsbehörde (Regierungspräsidium Stuttgart) unverzüglich von der Mitteilung der werdenden Mutter zu benachrichtigen.
  • Gefährdungsbeurteilung: vor einer Weiterbeschäftigung hat der Ausbildungsbetrieb für alle Tätigkeiten zu prüfen, ob unverantwortbare Gefährdungen für die Schwangere vorliegen, und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen. Dazu gehören auch Maßnahmen für den Schutz der psychischen Gesundheit der Schwangeren und ihres Kindes. Der Ausbildende/Ausbildungsbetrieb hat die Schwangere über die Gefährdungsbeurteilung und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu informieren.
  • Der Ausbildende/Ausbildungsbetrieb oder der Arzt können Beschäftigungsverbote zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen aussprechen. In Zweifelsfällen oder bei Unklarheiten kann die Aufsichtsbehörde hinzugezogen werden.
  • Der Ausbildende/Ausbildungsbetrieb hat die Kenntnis über die Schwangerschaft vertraulich zu behandeln.
    Ausnahme: Er muss Betriebs-/Personalrat, Werksfürsorge und Aufsichtsbehörde informieren.

4. Freistellung zur Vorsorgeuntersuchung / mögliches Beschäftigungsverbot

  • Für Vorsorgeuntersuchungen muss der Ausbildende/Ausbildungsbetrieb die Auszubildende von der Arbeitszeit freistellen und die Zeit als Ausbildungszeit anrechnen.
  • Ausbildende/Ausbildungsbetrieb oder der Arzt können ein Beschäftigungsverbot aussprechen, wenn die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet ist (beispielsweise an Tankstellen oder in der Tierpflege).
    Bitte informieren Sie sich vorher bei der Fachgruppe Mutterschutz im Regierungspräsidium Stuttgart

5. Arbeitszeiten

Während der Schwangerschaft und Stillzeit dürfen Auszubildende nicht
  • mit Mehrarbeit über 8 ½ Stunden (Jugendliche unter 18 Jahren 8 Stunden),
  • Nachtarbeit (zwischen 20.00 und 6.00 Uhr),
  • und an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
  • Ausbildungsveranstaltungen bis 22 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen sind unter bestimmten Bedingungen (siehe Mutterschutzgesetz) möglich.

6. Kündigungsschutz

Eine Kündigung durch den Ausbildende/Ausbildungsbetrieb ist unzulässig
  • während der Schwangerschaft
  • bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung (auch bei einer Fehlgeburt ab der 12. Schwangerschaftswoche).
  • wenn dem Ausbildende/Ausbildungsbetrieb innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Schwangerschaft oder Entbindung angezeigt wird.

7. Mutterschutzfristen

  • vor der Entbindung: 6 Wochen*
  • nach der Entbindung: 8 Wochen regulär/12 Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten
Bei einer Frühgeburt verlängert sich der Mutterschutzurlaub um die Frist, die vor der Entbindung nicht in Anspruch genommen werden konnte.

* Auf ausdrückliche Bereiterklärung der werdenden Mutter, darf diese bis zur Geburt arbeiten. Die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden. Auf ausdrücklichen Wunsch gegenüber der Ausbildungsstelle kann die Auszubildende in der Schutzfrist nach der Entbindung an schulischen Veranstaltungen teilnehmen. Auch diese Bereitschaftserklärung kann jederzeit widerrufen werden.

Die Mutterschutzfristen gelten als Fehlzeiten, unterbrechen jedoch nicht die Vertragslaufzeit, wie bei der Elternzeit.

Mehr zum Thema Mutterschutz seit 1. Januar 2018

8. Stillpausen

Auf Anfrage ist stillenden Müttern die zum Stillen erforderliche Zeit auch während der Ausbildungszeit zu gewähren. Diese sind:
  • bis 8-Stunden-Tag: mindestens 2 x 30 Minuten oder 1 x 60 Minuten pro Tag
  • mehr als 8 Stunden: 2 x 45 Minuten oder 1 x 90 Minuten pro Tag.
  • falls es in der Nähe des Arbeitsplatzes keine Gelegenheit zum Stillen gibt: 2 x 45 Minuten oder 1 x 90 Minuten pro Tag.
  • Stillzeiten dürfen nicht vor- oder nachgearbeitet oder auf die Ruhepausen angerechnet werden.

9. Besuch der Berufsschule

Wird die Ausbildung nur um die Zeit des Mutterschutzes unterbrochen, empfiehlt sich während dieser Zeit möglichst ein Fortbesuch der Berufsschule (wenn keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen), der auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter auch während der Schutzfrist nach der Entbindung zulässig ist.

10. Teilnahme an Prüfungen

Sofern die generellen Voraussetzungen zur Teilnahme an der Prüfung erfüllt sind, kann an der Prüfung auch während des Mutterschutzes, sowohl vor als auch nach der Entbindung, teilgenommen werden.
Ausnahme: Die Inhalte der praktischen Prüfung stellen eine gesundheitliche Gefährdung von Mutter und Kind dar (beispielsweise der Beruf Tierpfleger).

11. Elternzeit

Zusammen stehen Mutter und Vater 3 Jahre Elternzeit zu. Sie können selbst entscheiden, wie sie diese 36 Monate untereinander aufteilen und ob sie die Zeit ganz ausschöpfen. Die Elternzeit muss nicht am Stück genommen werden, sondern kann in bis zu vier Abschnitte aufgeteilt werden.
Wer Elternzeit beanspruchen will, muss diese spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber (oder Ausbildenden) verlangen und gleichzeitig mitteilen, für welchen Zeitraum Elternzeit genommen werden soll.
Ab dem Zeitpunkt, von dem an ein Auszubildender Elternzeit verlangt, höchstens jedoch acht Wochen vor der Elternzeit und auch während der Elternzeit, kann das Ausbildungsverhältnis nicht gekündigt werden.
Da die Elternzeitinanspruchnahme eine Ausbildungsunterbrechung darstellt und die Ausbildung ruht, sollte dieser Zeitraum vom Ausbildungsbetrieb an die IHK gemeldet werden. Während der Elternzeit erhält der/die Auszubildende keine Ausbildungsvergütung.

12. Fortsetzung der Ausbildung nach der Elternzeit

Unmittelbar nach Ablauf der Elternzeit, hat die/der Auszubildende einen Anspruch (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BEEG, Gesetz zum Entgelt und zur Elternzeit) auf eine Fortsetzung der vertraglichen Restlaufzeit des Ausbildungsverhältnisses.

Um die in Anspruch genommene Fortsetzung der Ausbildungszeit festhalten zu können, ist eine schriftliche Verlängerungvereinbarung unter Berücksichtigung einer zusätzlich angepassten Verlängerung zum Erreichen des Ausbildungszieles und Prüfungstermins zu vereinbaren und bei der Kammer zu beantragen. Nähere Auskünfte erhalten Sie von den IHK-Ausbildungsberatern der IHK Ostwürttemberg.

Nachfolgend zwei Rechenbeispiele mit Elternzeit-Ende während der vertraglichen Ausbildungszeit oder über das Ausbildungszeitende hinaus:

1. Elternzeit-Ende während der vertraglichen Ausbildungszeit
Vertragliche Ausbildungszeit vom 1. 8. 2018 bis 31.7.2021.
Entbindungstermin 15.11.2019. / Ende der achtwöchigen Schutzfrist 10.01.2020.
Auszubildende nimmt ab 11.01.2020 bis zur Vollendung des 1. Lebensjahres des Kindes bis 15.11.2020 ihre Elternzeit in Anspruch. Folglich entsteht für diesen Zeitraum ein gesetzlicher Verlängerungsanspruch von 10 Monate, 4 Tage.
Der ursprüngliche Berufsausbildungsvertrag muss um diesen Zeitraum ab 01.08.2021 bis zum 04.06.2022 mindestens verlängert werden. Zum Erreichen des Ausbildungszieles empfehlen wir eine Erweiterung bis zum 31.07.2022, um sämtliche Prüfungstermine der Abschlussprüfung Sommer 2022 mit abzudecken.

2. Elternzeit-Ende über das vertragliche Ausbildungszeitende hinaus
Vertragliche Ausbildungszeit vom 01.08.2018 bis 31.07.2021.
Entbindungstermin 15.11.2019 / Ende der achtwöchigen Schutzfrist 10.01.2020.
Auszubildende nimmt ab 11.01.2020 Elternzeit von 3 Jahre bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes bis zum 15.11.2022 in Anspruch. Folglich entsteht für diesen Zeitraum diesmal nur bis zum Ausbildungsvertragsende 31.07.2021 ein gesetzlicher Verlängerungsanspruch von 18 Monate, 21 Tage.
Erforderliche Vertragsverlängerung mit Ausbildungsbeginn am 16.11.2022 + 18 Monate, 21 Tage = Ende 05.06.2024. Zum Erreichen des Ausbildungszieles empfehlen wir eine Erweiterung bis zum 31.07.2024, um sämtliche Prüfungsterminee der Abschlussprüfung Sommer 2024 mit abzudecken.