Brandenburg: gewässerreich, aber trotzdem wasserarm

Was bedeutet dieses Dilemma für die regionale Wirtschaft? – Brandenburg ist gewässerreich: rund 3.000 natürliche Seen, dazu Flüsse und Kanäle auf über 33.000 Kilometern. Und trotzdem ist Brandenburg wasserarm und gilt inzwischen als das „trockenste“ Bundesland Deutschlands. Die langjährigen Jahresniederschläge von 1991 bis 2017 liegen mit 568 mm/a deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt (772 mm/a).

Die hydrologischen Bedingungen Brandenburgs

Die beiden prägenden Flüsse der Metropolregion - Spree und Havel - führen im Vergleich zu großen Flüssen wie Rhein oder Donau nur sehr wenig Wasser. Eine immer stärkere Verdunstung bei seit Jahren steigenden Durchschnittstemperaturen verschärft in den Sommermonaten die Situation.
Die Bodenfeuchte wird aktuell immer besorgniserregender. Auch das Grundwasser zieht sich mancherorts zurück. Dies zeigt sich besonders am schlechten Zustand der aus Grundwasser gespeisten Oberflächengewässer. Bäche fallen nicht nur in heißen Sommern trocken, sondern teilweise auch in Wintermonaten. Vielerorts reagieren die Seen mit einem Rückgang ihrer Pegel. Diese Situation hat sich mit den drei aufeinanderfolgenden Trockenjahren 2018 - 2020 noch verschärft.
Die Niederschlagsmengen insgesamt nehmen nicht unbedingt ab, jedoch kommt es zu längeren Trockenperioden, die sich mit sehr feuchten Jahren abwechseln. Es gibt weniger lang andauernde Landregen. Das Wasser kommt sehr oft kurz und heftig, es kommt zu Überschwemmungen. Zusätzlich steigen kontinuierlich die Temperaturen seit Anfang der 80er Jahre. Wasser verdunstet zunehmend schneller, regnet dann aber in anderen Regionen der Erde wieder ab. Ein weiterer Teil fließt sofort in die Kanalisation, in die Flüsse, über die Felder und Straßen und richtet Schäden an. Ein dritter Teil schafft es, langsam durch den Sand - an Baumwurzeln vorbei - ins Grundwasser zu sickern.
Das sind alles Auswirkungen des Klimawandels, der in der Region bereits seit einigen Jahren deutlich spürbar ist. Auch die kumulierten wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleabbaus im Spree/Schwarze Elster-Gebiet haben ganz erheblichen Einfluss auf unsere gesamte Region und somit auf das sich neu bildende Grundwasser.

Die Bedürfnisse von Wirtschaft und Bevölkerung

Doch Industrie und Gewerbe, Tourismus, Landwirtschaft, Fischwirtschaft, Wasserverbände, Tagebausanierung, private Haushalte – sie alle brauchen Wasser und bekommen jetzt schon die Auswirkungen zu großer Trockenheit zu spüren. Laut einer Prognose der Wasserversorger Berlin und Brandenburg wird wegen des Bevölkerungswachstums der Trinkwasserbedarf in der Region bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 50 Millionen Kubikmeter steigen, so als würde jedes Jahr eine neue Tesla-Ausbaustufe ans Netz gehen.
Deutlich stärker wird zugleich der Wasserbedarf steigen, was neben der Bevölkerungs‐ und Wirtschaftsentwicklung dem Klimawandel mit trockeneren und wärmeren Sommern geschuldet ist. So erwarten die Fachleute in der Hauptstadtregion einen um die Hälfte wachsenden Wasserbedarf, der mit den heutigen Wassernutzungsrechten bzw. verfügbaren Dargeboten nicht abgedeckt werden kann.
Oft wird das Thema der Wasserversorgung in den Medien gegen eine Wirtschaftsansiedlung wie beispielsweise Tesla instrumentalisiert. Sie machen immer wieder Tesla für die Wasserknappheit in Ostbrandenburg verantwortlich. Wasserknappheit ist jedoch kein Laiendiskurs. Es ist nicht zielführend, wie im Fall Tesla geschehen, den begründeten Vorrang der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung gegen den Wasserbedarf der regionalen Wirtschaft auszuspielen. Wir brauchen beides. Es wird oft pauschal darüber berichtet, dass neue Industrieansiedlungen anderen Verbrauchern in der Region Wasser abgraben, was so nicht richtig ist.

Das benötigte Wasser-Ressourcenmanagement

Das Thema Wasserversorgung ist komplex und bedarf daher komplexer Lösungen von der Politik in Brandenburg und Berlin. Die aktuelle Situation stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung für die Zukunft dar. Bei der Ressource Wasser gibt es ein regionales Spannungsfeld zwischen Ökologie, Industrie, Tourismus und Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass alle Interessenvertreter eine gemeinsame Lösung finden, mit der alle Beteiligten leben können.
Dazu braucht man ein länderübergreifendes Wasserressourcenmanagement, was gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern (IHKs) ausgearbeitet werden kann. Für die Entwicklung dessen sollte eine länderübergreifende Arbeitsgruppe, bestehend aus den IHKs, der Politik und der regionalen Wirtschaft mit Beteiligung der Wissenschaft, etabliert werden. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Aktualisierung von Wasserdargebots- und Wasserbedarfsdaten. Sie sind wichtige Instrumente der Vorsorge für zukünftige Wasserversorgung.
Da es technisch möglich ist, Wasser aus den „reicheren“ Gegenden in wasserärmere Gebiete zu liefern und Wasser sowie Dienstleistung zu fairen Preisen zu verkaufen, sollte man diese Lösung nicht außer Acht lassen. Doch dafür müsste man kilometerlange Leitungen legen und Abermillionen investieren.
Was fehlt, sind große Strukturen von Wasserverbänden - daher müssten Verbundnetze dringend gestärkt werden. In anderen Regionen Deutschlands gibt es bereits Beispiele für eine Wasserumverteilung: so wird zum Beispiel Wasser aus der Bodensee-Region nach Stuttgart geliefert und aus dem Harz bis nach Bremen. Diese Lösung sollte in Brandenburg und Berlin berücksichtigt werden. Dafür müssen jedoch Genehmigungsprozesse bei den zuständigen Behörden beschleunigt werden. Diese dauern derzeit zu lange. Sie müssen deutlich beschleunigt werden, da uns teilweise die wirtschaftliche Entwicklung überholt.
Auch andere Lösungen, wie die Wasserentsalzung, sollen diskutiert werden, da sie technisch möglich sind. Dies wird mittlerweile an verschiedenen Orten weltweit praktiziert. Angesicht des weltweiten Wassermangels liegen hier positive Entwicklungspotenziale für die Brandenburger und die Berliner Wirtschaft.
Je nach Klimaszenario ist für den Wasserhaushalt in Brandenburg mit einer weiteren Abnahme der Wasserverfügbarkeit zu rechnen. Hauptfaktoren sind die mit steigender Temperatur zunehmende Verdunstung sowie eine verlängerte Vegetationsperiode, aber auch vermehrt Niederschlagsereignisse, die als kurzzeitig heftiger Starkregen kaum zur Grundwasserneubildung beitragen.
Der aktuelle und auch der zukünftig zu erwartende Wasserbedarf kann mit dem verfügbaren Dargebot an Wasser in der Region nicht komplett abgedeckt werden. Zur Behebung des Wasserdefizits braucht es innovative Lösungen. Die Verantwortung dafür liegt bei der Landespolitik - vor allem, was innovative ökonomische Abgabenlösungen zur langfristigen Bereitstellung der finanziellen Mittel angeht. Dabei bedarf es jedoch gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen.

Die Aktivitäten der IHK

Die Industrie- und Handelskammern Berlin und Brandenburgs (Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam) stehen für einen gemeinsamen Dialog sowie Handlungsempfehlungen für Lösungsentwicklung zur Verfügung. Sie haben sich deshalb bereits 2022 zusammengeschlossen, um gegenüber der Politik stärker auf die Bedarfe und Herausforderungen der Wirtschaft aufmerksam zu machen und Unternehmen mehr für dieses Thema zu sensibilisieren.
Als erster Schritt wurden im Oktober 2022 ein länderübergreifender Arbeitskreis, bestehend aus Unternehmen, Verbänden und weiteren strategischen Partnern, ins Leben gerufen und die Bedarfe, Chancen und Herausforderungen der Unternehmen zum Thema Ressource Wasser identifiziert.
Anlässlich des Weltwassertags am 22. März 2023 wurde ein gemeinsames Forderungspapier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 464 KB) mit drei konkreten Handlungsfeldern veröffentlicht. Wasser muss als Wirtschaftsfaktor begriffen werden. Es ist unentbehrlich, Wasserversorgung sicherzustellen und Diskrepanz zwischen sinkendem Angebot und steigender Nachfrage aufzulösen. Dazu ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Berlin, Brandenburg und Sachsen nötig. Des Weiteren muss Wasser als Wirtschaftsfaktor angesehen sowie betrachtet werden, so die Forderungen der IHKs.

Umfragen und Daten zur künftigen Wasserversorgung

Um diese Forderungen zu konkretisieren, wurden 2023 von den vier IHKs zwei Umfragen durchgeführt: eine Umfrage bei den Mitgliedsunternehmen und eine weitere bei den Wasserversorgern aus Berlin-Brandenburg.

Wie wichtig ist Wasser für den Geschäftsbetrieb Ihres Unternehmens?

Die sichere Versorgung mit Wasser ist elementare Grundlage für die wirtschaftliche Zukunft in Berlin-Brandenburg. Für ein Viertel der befragten Unternehmen spielt das Thema Wasser eine wichtige oder sogar sehr wichtige Rolle für deren Geschäftsbetrieb. Kleinere Unternehmen und Branchen, die Wasser nur für ihre sanitären Anlagen verwenden, schätzen das Thema weniger bedeutsam ein. Hingegen sind wasserintensive Industriebetriebe und der Tourismus auf Wasser in ausreichender Menge und Güte angewiesen. Insbesondere für das Gastgewerbe ist Wasser eine bedeutende Ressource; hier bewerten 90 Prozent Wasser als wichtig bis sehr wichtig für den Geschäftsbetrieb. Danach folgt die Industrie mit 36 Prozent. Die Wichtigkeit von Wasser ist branchenspezifisch different.

Welche Maßnahmen zum Wassersparen sind im Unternehmen umgesetzt/geplant?

Bei den Maßnahmen zum Wassersparen setzten Unternehmen bisher vor allem auf ihre Mitarbeitenden: Mehr als ein Drittel gibt hier die Sensibilisierung für wassersparendes Verhalten als wichtigste bereits umgesetzte Maßnahme an. Es folgt die Optimierung von Sanitär, Heizung und Klima. Dieser Aspekt ist im Hinblick auf geplante Maßnahmen der bedeutendste, wiederum folgt die Sensibilisierung der Belegschaft. Für die Industrie und das Gastgewerbe ist zudem die Optimierung von Produktionsprozessen überdurchschnittlich wichtig.
In der Metropolregion Berlin-Brandenburg rückt eine mögliche Wasserknappheit zunehmend in den Fokus der Wasserversorger. Die größte Herausforderung stellt eine nachhaltige Sicherung der Wasserversorgung dar. Für viele Wasserversorger steht fest, dass der notwendige Vorrang der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung nicht dazu führen darf, dass Wirtschaft und Daseinsvorsorge gegeneinander ausgespielt werden.
Sie sehen einen dringenden Handlungsbedarf bei der Vorhaltung ausreichender Wasserrechte, auch um die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung nicht zu gefährden. Es wird das Erfordernis gesehen, gemeinsam mit Politik und Verwaltung Konzepte zum Umgang mit Wassernutzungskonflikten (69 Prozent) zu erarbeiten. Dafür braucht es ein gemeinsames Handeln der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen (66 Prozent).
Von hoher Wichtigkeit wird es sein, wasserrechtliche Verfahren zu beschleunigen und Wassernutzungskonflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Künftige Gewerbeansiedlungen und Unternehmenserweiterungen dürfen nicht daran scheitern, dass Wasser nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Bestehende wasserintensive Produktionsbetriebe müssen bei der Sicherung ihrer Wasserversorgung und einem effizienten Umgang mit der Ressource unterstützt werden. Der Bestandsschutz darf nicht in Frage gestellt werden.

Auf welcher Grundlage prognostizieren sie die zukünftigen Wasserbedarfe?

Die Prognose der zukünftigen Wasserbedarfe erfolgt zu 95 Prozent auf der Grundlage von Daten zur Bevölkerungsentwicklung. Immerhin 64 Prozent der Versorger beziehen darüber hinaus die Wirtschaftsentwicklung mit ein. Bedeutsamer werden zudem die klimatischen Entwicklungen. Die Hälfte der Befragten bezieht die Klimastatistiken in ihre Prognosen ein.

Welchen Herausforderungen stehen Sie bei der Prognose der Wasserbedarfe gegenüber?

Als größte Unsicherheit hat sich bei den Wasserversorgern die fehlende Datengrundlage bei der Wirtschaftsentwicklung herauskristallisiert. Die Dynamik bei Ansiedlungen, insbesondere im Umfeld von Berlin und der Lausitz, führen zunehmend zu Unsicherheiten bei der Prognose künftiger Wasserbedarfe.

Stand der Wasserrechte bei den Wasserversorgern

Über die Hälfte der befragten Wasserversorger hält ihre Wasserrechte in Zukunft nicht für ausreichend, auch vor dem Hintergrund einer Zunahme der Wasserverbräuche durch Industrie- und Gewerbeansiedlungen. Es werden Wasserverbräuche erwartet, die mit vorhandenen Wasserrechten nicht mehr bedient werden könnten. Bereits heute schöpfen mehr als vier von zehn der Befragten ihre Wasserrechte über die kritische Grenze von 80 Prozent aus. Mit Blick auf diese Auslastung befürchten die Versorger, ihre Wasserrechte angesichts steigender Nutzungskonflikte erstmalig abgeben zu müssen. Damit stehen die Länder vor einer großen Herausforderung, damit umzugehen. Es wird ein zunehmender Kampf ums Wasser befürchtet, wenn nicht möglichst schnell Lösungen entwickelt werden, um den Spitzenverbräuchen in den Sommermonaten und länger werdenden Trockenperioden entgegenzutreten.
Befragt wurden 78 Wasserversorger in Berlin-Brandenburg, mit einer Rücklaufquote von 50 Prozent (39 Versorger). Der Rücklauf lässt eine flächendeckende Beurteilung über alle Landkreise, kreisfreien Städte und Berlin zu. Die Befragung macht deutlich, dass sich die Wasserversorger eine größere Unterstützung von der Wasserverwaltung wünschen. Es braucht neben Konzepten im Umgang mit Wasserkonflikten und schnelleren Genehmigungsverfahren dringend ein gemeinsames Handeln der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen. Zudem wird ein hoher Bedarf bei der Verbesserung der Datenlage gesehen. Das Thema Wasser muss als Standortfaktor zudem stärker bei der Ansiedlung von Industrie und Gewerbe berücksichtigt werden.

Der Brandenburger Wasserkongress 2024

Eine enge, länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Politik, Wasserversorgern, Wirtschaft und Wissenschaft ist unablässig. Deshalb richteten die Industrie- und Handelskammern Berlin und Brandenburgs, der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller e. V. (VBKI) sowie die Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Verbands kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) am 9. und 10. April 2024 in Cottbus einen Wasserkongress zur Förderung nachhaltiger Lösungen aus.
Infomaterialen und Dokumentationen von dem Kongress erhalten Sie auf Nachfrage gern von Jacek Jeremicz – Referent Umwelt I Energie in der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg Frankfurt (Oder), E-Mail: jeremicz@ihk-ostbrandenburg.de , Tel. 0335-5621-1304.