Die Whistleblowing-Richtlinie

Whistleblowing-Richtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz

Die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, wird umgangssprachlich auch „Whistleblowing-Richtlinie“ genannt. Sie dient dem Schutz von Hinweisgebern auf europäischer Ebene. Ihre Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber hätte bis zum 17. Dezember 2021 erfolgen müssen.
Erst mit der Veröffentlichung des “Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden” (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG) im Bundesgesetzblatt am 2. Juni 2023 kam die Bundesregierung der Umsetzungspflicht nach. Damit treten die Vorschriften des Gesetzes überwiegend zum 02.07.2023 in Kraft.
Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten sind damit ab dem 02.07.2023 insbesondere verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Die fehlende Einrichtung wird aber zunächst für sechs Monate nicht sanktioniert werden – hier gibt es eine Übergangsregelung in § 42 Abs. 2 HinSchG. D. h., Bußgelder wegen des Fehlens einer internen Meldestelle können erst ab dem 01.12.2023 verhängt werden.
Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt die Pflicht zur Einrichtung von internen Meldestellen erst ab dem 17.12.2023. Dies war schon in der EU-Richtlinie so vorgesehen und ist nun in § 42 Abs. 1 HinSchG geregelt.

1. Anwendungsbereich des Gesetzes

Die EU-Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten nur Mindeststandards vor. Für betroffene Unternehmen genügt zur Orientierung also das deutsche Gesetz. Nur in Zweifelsfragen ist die Richtlinie ggf. zur Auslegung heranzuziehen.
Der Katalog der Sachverhalte zu denen nach dem HinSchG Verstöße gemeldet und offengelegt werden können, erschient umfassend. Neben allen strafbewährten Verstößen und allen bußgeldbewehrten Verstößen gegen Vorschriften die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit
oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen, enthält § 2 des HinSChG eine geradezu endlos erscheinende Auflistung weiterer Anwendungsmöglichkeiten. Ausgenommen sind nur bestimmte, besonderes geschützte oder geheimhaltungsbedürftige Informationen. Damit geht das Gesetz weit über die Richtlinie hinaus.
Meldungen und Offenlegungen zu vom Gesetz erfassten Verstößen dürfen vertraulich an interne oder externe Meldestellen erfolgen, ohne das dem Meldenden daraus ein Nachteil erwachsen darf. Diese Meldestellen haben dann die Meldung zu bewerten und ggf. Folgemaßnahmen bis hin zur Einschaltung von Behörden einzuleiten und bestimmte Berichtspflichten zu erfüllen.

2. Pflichten der Unternehmen – interne Meldekanäle

Unternehmen die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder in bestimmten Bereichen m Finanzdienstleistungsbereich tätig sind sowie öffentliche Arbeitgeber müssen ein internes Meldesystem einzurichten.
Dafür können externe Dritte oder auch ein oder mehrere eigene Mitarbeiter des Unternehmens benannt werden (§ 14 HinSchG). Mehrere Unternehmen von bis zu jeweils 249 Beschäftigten können sich auch zusammenschließen und diese Aufgabe gemeinsam organisieren. Die Beauftragten müssen jeweils die nötige Fachkunde besitzen und ihre Pflichten unabhängig und ohne Interessenkonflikt neben ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit erfüllen können.
Nach § 16 HinSchG kann ein ein interne Meldekanal so gestaltet werden, dass er darüber hinaus auch natürlichen Personen offensteht, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit dem jeweiligen zur Einrichtung der internen Meldestelle verpflichteten Beschäftigungsgeber oder mit der jeweiligen Organisationseinheit in Kontakt stehen. Die interne Meldestelle sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Die Meldekanäle sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein.
Es genügt also, eine im Zugriff geschützte interne E-Mail-.Adresse einzurichten und auch eine telefonische Erreichbarkeit der zuständigen Person zu ermöglichen.
Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

3. Hinweisgeber

Hinweisgeber können Angestellte, Freiwillige, Praktikanten, nicht geschäftsführende Mitglieder oder Gesellschafter sein – alle, die Informationen über Verstöße im beruflichen Kontext erlangen können. Zur Klarstellung umfasst der Anwendungsbereich der Richtlinie auch Mitarbeiter von Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern. Den Hinweisgebern wird ein Wahlrecht eingeräumt, wie sie einen Verstoß melden möchten. Es steht ihnen frei den Hinweis erst über den intern eingerichteten Meldeweg an das Unternehmen weiterzugeben oder unmittelbar an die beim beim Bundesamt für Justiz bekannt gemachte externe Meldestelle.

4. Rückmeldefrist

Die Unternehmen sind nach § 17 Abs. 2 HinSchG verpflichtet, dem Hinweisgeber auf eine Meldung hin innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung zu geben.

5. Vergeltungsmaßnahmen

Ziel des Gesetzes ist der Schutz von Personen die auf Missstände in Unternehmen und Behörden aufmerksam machen. Hierfür enthält das Gesetz einen umfassenden Schutz vor Repressalien. Die damit zu Lasten der Unternehmen einhergehende Beweislastumkehr lautet in § 36 Absatz 2 HinSchG:
“Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.”
Dazu zählen etwa: Kündigung, Suspendierung, Versagung einer Beförderung, Herabstufung, Gehaltskürzung, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung, Diskriminierung, Schädigung in den sozialen Medien, Entzug einer Lizenz oder Genehmigung, Negative Leistungsbeurteilung aber auch Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge, Rufschädigung etc. Das Benachteiligungsverbot ist mit einem Anspruch auf Schadensersatz verbunden und einer Bußgeldandrohung von bis zu 50 T€ verbunden.