Interview

Unternehmertum verdient einen besseren Ruf

Seit April dieses Jahres wird die IHK Ostbrandenburg von Monique Zweig geführt. Die Hauptgeschäftsführerin nutzte die ersten fünf Monate im Amt, um die Wirtschaft und die IHK-Organisation besser kennenzulernen. Im Interview schildert sie ihre Eindrücke, Herausforderungen und Ziele.

FORUM: Sie sind im April gestartet. Wie waren Ihre ersten Arbeitstage als Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostbrandenburg?

Monique Zweig: Mir war schon klar, dass ich viel unterwegs und der Tag lang sein würde. Aber dass an einem Tag so viele verschiedene Termine, Themen und Menschen wechseln, war für mich ungewohnt. Da geht es mal um interne und mal um externe Belange, mal um Bundespolitik und mal Landespolitik. Mal hielt ich ein Grußwort und kurze Zeit später bin ich im Bundeskanzleramt. Eben geht es noch um die Art von Prüfungen in zehn Jahren und kurz danach um eine Schienenanbindung. Das ist schon besonders.

FORUM: Und Ihr Resümee für die ersten fünf Monate?

Monique Zweig: Es waren sehr intensive und abwechslungsreiche Monate. Ich habe die Zeit genutzt, um die Kammer besser kennenzulernen, die Mitgliedsunternehmen und unser Ehrenamt zu treffen. Ich bin positiv überrascht, wie stark sich alle engagieren. Das Ehrenamt als auch die Mitarbeiter arbeiten intensiv an den Themen für die Ostbrandenburger Wirtschaft.

FORUM: Was hat Sie am Anfang am meisten beeindruckt?

Monique Zweig: Das waren die öffentlichen und politischen Termine. Anfang Mai fand die Landespressekonferenz im Landtag in Potsdam statt, auf der wir unsere Erwartungen an die künftige Landesregierung veröffentlicht haben. Ende Mai hatten wir die Außenwirtschaftskonferenz in Potsdam. Anfang Juni war in Bad Saarow das Ostdeutsche Wirtschaftsforum. Dort konnten wir Bundeskanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner sagen, wie es in der ostdeutschen Wirtschaft zugeht. Und sie haben zugehört. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich auch die sogenannte IHK-Familie kennenlernen, wie meine Kollegen von den Brandenburger Schwesterkammern in Potsdam und Cottbus beziehungsweise vom Heringsdorfer Kreis, dem Zusammenschluss aller ostdeutschen IHKs. Solche Bündnisse sind wichtig, um unsere Interessen nachdrücklich in der Politik deutlich zu machen. Gemeinsam sind wir stärker.

FORUM: Was hat Sie überrascht?

Monique Zweig: Ich bin momentan ziemlich fremdbestimmt. Mein Kalender ist immer voller Termine. Da ist es schwer, sich vorausschauend vorzubereiten. Die Themen sind total abwechslungsreich. Das macht die Arbeit spannend. Hier kann ich mich auf die gute Zuarbeit und Unterstützung der IHK-Mitarbeiter verlassen.
Zum zweiten hat mit schon überrascht, wie wenig akzeptiert Wirtschaft an sich in der Region ist. Der Anschlag auf Tesla, die Diskussion um Wasser oder Infrastrukturprojekte… Da gibt es so viel Protest, verzerrte Informationen und merkwürdige Ansichten. Mir fehlt hier der konstruktive Austausch von Argumenten in der Öffentlichkeit. Wirtschaft ist die Basis für unseren Wohlstand und sozialen Frieden. Daran müssen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern arbeiten. Unternehmertum verdient einen besseren Ruf. Deshalb will ich unser Bündnis „Pro Wirtschaft“ wieder stärken. Gemeinsam mit anderen Verbänden müssen wir die Akzeptanz für wirtschaftliche Belange bei Bürgern, in Politik und Verwaltung einfordern.

FORUM: Wie stellt sich für Sie die Wirtschaft im Kammerbezirk dar?

Monique Zweig: Sehr heterogen. Da sind Unternehmen von Weltrang und dann auch die vielen Klein- und mittelständischen Betriebe, die das Rückgrat sind. Aus dieser Verschiedenheit ergeben sich natürlich auch unterschiedliche Erwartungen an ihre IHK. Das will ich alles noch besser kennenlernen, um die Prozesse im Haus optimieren zu können. Wobei die Themen, ob großer Betrieb oder kleiner, oft die gleichen sind: Fachkräfte, Energieversorgung, Nachfolge, Digitalisierung, Nachhaltigkeit.

FORUM: Von der Außen- zur Innenansicht: Wie haben Sie die IHK als Organisation, Ihre neuen Mitarbeiter wahrgenommen?

Monique Zweig: Wie gesagt – sehr engagiert. Ohne die präzise Unterstützung aus dem Haus wäre ich nicht so schnell in die Themen gekommen. Neben den Außenterminen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenzulernen, alle Abläufe zu erfassen, ist schon einer Herausforderung. Ich bin in den verschiedenen Besprechungen der Teams und Geschäftebereiche, wenn möglich, dabei. Mir wird immer noch viel erklärt. Es ist ein sensationelles Team – von den Sachbearbeitern bis zu meinen Stellvertretern. Dank ihnen, weiß ich immer besser Bescheid. Mein Bild vom großen Ganzen wird immer schärfer.

FORUM: Der Sommer ist vorbei und die Landtagswahl steht an. Was erwarten Sie?

Monique Zweig: Im April haben wir unsere Erwartungen an die Parteien formuliert. Auf der Basis dieser Positionen haben wir über die Sommermonate mit Vertretern und Kandidaten fast aller Parteien und Gruppierungen, die derzeit im Landtag sind, diskutiert. Sie kennen unsere Erwartungen und wir ihre. Wenn die Koalitionsverhandlungen beginnen, werden wir wiederholt deutlich machen, was die Brandenburger Wirtschaft braucht. Wir stehen bereit für konstruktive Gespräche mit allen, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

FORUM: In diesem Jahr kommt noch zwei Mal die IHK-Vollversammlung zusammen. Was steht oben auf der Tagesordnung?

Monique Zweig: Die IHK arbeitet schon seit ein paar Monaten an ihrer neuen Strategie. Sie soll im November verabschiedet werden. Verabschiedet bedeutet, dass dann die inhaltliche Erledigung richtig losgehen muss. Es soll eine lebendige Strategie werden. Die Unternehmen sind in einem ständigen Wandel. Wir müssen unsere Arbeit schneller diesen Veränderungen anpassen. Wir müssen zügig Maßnahmen ergreifen und die Dienstleistungen der Kammer nützlicher und sichtbarer machen.

FORUM: Die IHK-Arbeit ist geprägt durch Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich ehrenamtlich engagieren. Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit vor?

Monique Zweig: Da sind die IHK- Vollversammlung, neun Fachausschüsse, vier Regionalausschüsse und nicht zu vergessen hunderte Prüferinnen und Prüfer, die ehrenamtlich und professionell Aus- und Weiterbildung ermöglichen. Ohne die Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Region ist IHK-Arbeit eigentlich kaum möglich. Sie kennen sich in Ostbrandenburg aus und wissen, wie die Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt für uns im Hauptamt unerlässlich. Diese ehrenamtliche Arbeit, neben der unternehmerischen Leistung, verdient Respekt. Da sind wir dann wieder beim Unternehmerbild in der Öffentlichkeit. Das müssen wir ändern. Besonders am Herzen liegen mir die jungen Führungskräfte in den Betrieben. Meine erste Berührung mit der IHK hatte ich selbst durch die Wirtschaftsjunioren. Wir müssen die jungen Unternehmer auf die Gestaltungsmöglichkeiten mit der IHK aufmerksam machen. Am besten ist es, wenn sie es von erfahrenen Unternehmern lernen.
Es fragte Norma Groß
Stephanie Haß
Referentin
der Geschäftsführung