Klimawandel

Der Klimawandel als Firmenrisiko

Die Gemeinde Grünheide (Mark) trägt ihren Namen zurecht. 75 Prozent der Fläche ist Wald, gespickt von zahleichen Seen. Entsprechend hoch ist das Potenzial für touristische Angebote. Sabine Hertam und ihr 2019 verstorbenen Mann Dirk waren 2003 als Betreiber des beliebten Nordstrandes am Werlsee nebst Strandbar angetreten. Ein paar Jahre später, im Februar 2009, entdeckten sie in Kühlungsborn eher zufällig den dortigen Kletterwald. Wieder zurück, an der Strandbar sitzend und auf das benachbarte Waldstück schauend, entstand die Idee solch Outdoor-Aktivität hier zu integrieren.
Beide besuchten deutschlandweit Kletterwälder, befassten sich mit technischen Details, mit Anforderungen an die Bäume, das Material und den Schutz sowohl der Natur als auch der künftigen Kunden. In München lernten sie mit Reiner Pietsch den Betreiber eines Kletterwaldes kennen, der zugleich eine entsprechende Baufirma sein eigen nannte. Was sie sofort einte, war die Sicht auf die grundlegende Ressource, den Wald – die Bäume und deren Gesundheit. Sie wurden Geschäftspartner, Freunde und sind es bis heute.
„Uns ging es um eine Bauart, bei der die Bäume nicht zu stark verletzt werden“, erinnert sich die heute 53-Jährige an ihre Ausgangsüberlegung. Sie wollten kein „Einschnüren und Einwachsen“ der Plattformen, wie es mitunter bei Mitbewerbern zu sehen ist. Ihnen gefiel die Methode aus dem Baumschutz, die die Münchener adaptiert haben. In Sanssouci etwa werden bei Parkbäumen die großen Äste, die abzustürzen drohen, ebenso wie der Stamm durchbohrt und als Halterung ein Stahlseil eingezogen. Dabei wird das Wachstum nicht behindert, denn die Verankerung kann nachjustiert werden. Dies gleicht dem Grundprinzip im Kletterwald Grünheide. Durch die Stämme der geeigneten Kiefern wird eine Stange gebohrt, mit Schrauben – also mitwachsend – fixiert und daran die Plattformen sowie Elemente befestigt. Seit 2010 können Kletterfreunde am Werlsee-Nordstrand in fünf Parcours und bis zu 16 Metern Höhe ihre Grenzen in Sachen Höhentauglichkeit und Kondition ausloten. Selbst einen Kinderparcours gibt es. Das Angebot verliert auch für Wiederholungstäter nicht an Reiz, weil jede Saison immer neue Wege für Abwechslung sorgen.
Das jedoch hat einen ernsten Hintergrund. Denn was die Hertams vor 15 Jahren nicht geahnt hatten: Der Klimawandel ist inzwischen so präsent, dass es das kleine Unternehmen vor immer größere Herausforderungen stellt. Jedes Jahr stehen zwei Baumschauen an – eine in belaubtem und eine im unbelaubten Zustand. „Mittlerweile sehen wir die Entwicklung mit Sorge“, sagt die Kagelerin. Musste die ersten zehn Jahre durchschnittlich ein abgestorbener Baum gekappt oder herausgenommen werden, waren es im Vorjahr fünf und in diesem Winter noch einmal vier. „Wir hatten unten im Wald eine Brücke, um eine große morastige Stelle begehbar zu machen. Seit drei Jahren brauchen wir sie nicht mehr. Es ist dort absolut trocken.“
Sabine Hertam beobachtet das Wetter über Jahre. Wenn ihr Team das Tagesgeschäft protokolliert, werden auch Temperatur, Wind, Witterung und Extreme wie Sturm und Gewitter notiert. „Was sehr deutlich wird: Trockene Phasen werden länger, Regen intensiver, Wetterkapriolen drastischer und klettern die Temperaturen, dann wird es heißer als noch vor zehn Jahren.“ Die Intensität jedweden Wetters nehme zu. Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt, betreffen nicht nur die Bäume, die wegen der Trockenheit an Widerstandskraft verlieren und anfälliger für Schädlinge sind. Die Waldwege werden vom Starkregen ausgespült, sie mit Rindenmulch zu belegen, mache kaum noch Sinn. Wurzeln treten hervor und sorgen für Stolperfallen. Rundum: Die Anforderung an die Pflege steigen stetig. „Das sind jene Kosten, die meist keiner sieht“, erklärt die Kletterwald-Chefin. Haben die Baumkontrollen anfangs 2000 Euro gekostet, verschlingen sie heute 15.000 Euro. „Weil es mehr zu begutachten, mehr Problemfälle gibt.“ Zudem muss Sabine Hertam wegen der Bäume, die für die Nutzung entfallen, die Parcours umbauen lassen. „Wir sind da vor fünf Jahren mit 15.000 Euro ausgekommen, jetzt ist es locker das Doppelte.“
Die Kagelerin weiß nicht, wie lange sie den Kletterwald unter den Voraussetzungen – klimatisch wie finanziell – halten kann. Ohne großflächigen Umbau rechnet sie mit vielleicht drei Jahren. Den Wald zu bewässern, ist für sie keine Alternative. „Ich weiß, dass manche Kletterwälder dazu übergehen. Aber aus Respekt vor der Knappheit der Ressource Wasser kommt das für mich nicht in Frage.“
 
FORUM/Anke Beißer

Dr.Thomas Kühne
Leiter
Regionalcenter Berliner Umland