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Sieben Jahrhunderte Mehl aus Müllrose
Wer durch das Schlaubetal fährt oder wandert, kommt von einer Mühle zur nächsten: Kaisermühle, Ragower Mühle, Bremsdorfer Mühle… Doch nur eine diese Mühlen dient noch tatsächlich dem ursprünglichen Zweck, Getreide zu Mehl zu mahlen: Die Mühle Müllrose.
„Seit 1260 steht die Mühle, und zwar genau an dem heutigen Standort“, bekräftigt Thomas Ludwig, Geschäftsführer der Oderland Mühlenwerke Müllrose. Damit ist sie seit mindestens 764 Jahren ununterbrochen in Betrieb – und nicht nur einer der ältesten Mühlen Brandenburgs, sondern wohl auch der älteste, noch produzierende Betrieb des Landes überhaupt. Zudem ist sie die größte Mühle Brandenburgs in Familienbesitz. Und noch etwas unterscheidet die Müllroser Mühle von den anderen im Schlaubetal: Obwohl auch sie einst als Wassermühle startete, ist sie kein schickes Häuschen mit Müllerromantik mehr, sondern besteht aus imposanten, ziegelsteinernen Gebäuden. Denn mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert hatten die hiesigen Müller umfassend in neue Technologien investiert. Mehrere Dampfmaschinen von 20 bis 300 PS und später Elektromotoren ersetzten das alte Wasserrad, neue Speicher und Mahlgänge entstanden. Dank neuer Technik trennte man die Weizen- von der Roggenmühle. Das zog 1885 sogar Experten aus den USA nach Müllrose, die diese Technologie kennenlernen wollten. Vom hohen Qualitätsstandard der Müllroser Industriemühle zeugen eine Goldmedaille auf der Weltausstellung in Wien 1873 und mehrere andere Auszeichnungen. Kopien der entsprechenden Medaillen sind noch heute als Fries an der Mühlen-Fassade zu finden. Doch so groß die Tradition ist, die Mühlenwerke Müllrose müssen sich im Hier und Jetzt am Markt behaupten.
Aktuell mahlen wir rund 70.000 Tonnen Getreide pro Jahr, ausschließlich Roggen- und Weizenmehle.Thomas Ludwig
Mit ihren rund 50 Mitarbeitern ist die Müllroser Mühle immer noch die größte Industriemühle Brandenburgs – mit einem besonderen Fokus auf sehr hochwertige Produkte. „Unsere zentralen Kunden sind nicht die großen Lebensmittelproduzenten, sondern vor allem Bäckereien in Brandenburg und den benachbarten Bundesländern. Die setzen stark auf Regionalität und Handwerk. Darum haben wir noch einen hohen Anteil an Mehl in Säcken im Verkauf.“ Auch die Lieferanten sind keine anonymen Anbieter, sondern bekannte Bauern und Agrarbetriebe - vor allem aus Brandenburg.
Bei jeder Anlieferung werden die Kennwerte des Getreides im hauseigenen Labor bestimmt – wie Eiweißgehalt, Stärkeeigenschaften, Feuchtigkeit. „Das Korn ist – vergleichbar dem Wein – in jedem Jahr und an jedem Standort etwas anders. Die Kunst des Müllers ist es, daraus ein Mehl von gleichbleibender Güte zu mahlen“, erklärt der Geschäftsführer.
Laborantin Beate Janecek kontrolliert die eingehenden Getreidelieferungen.
© IHk Ostbrandenburg
Entsprechend ist der gesamte Produktionsprozess ausgerichtet: Das Getreide wird in einem mehrstufigen Spezialverfahren gereinigt. Dabei werden alle „fremden Bestandteile“ entfernt – vom Sandkorn bis zum Ackerblumensamen. Die gereinigten Körner werden mit Wasser genetzt. Anschließend beginnt das eigentliche Mahlen, wobei das Mahlgut zwischen großen Stahlwalzen immer feiner zerrieben wird. Für den Laien, der sich beim Betriebsrundgang zwischen allen diesen Maschinen zum Sieben, Mahlen und Trocknen bewegt, bleibt nur das Staunen, wie der Müller den Überblick behält. Denn diese sind über ein labyrinthisches Röhrensystem verbunden, welches sich über mehrere Stockwerke und Gebäude erstreckt.
Im Innern der Mühle: Hier wird das Mahlgut schrittweise immer feiner zerrieben.
© IHk Ostbrandenburg
„Mit unseren Anlagen und Technologien können wir Mehl von außergewöhnlicher Qualität für Vollkornbackwaren herstellen“, sagt Thomas Ludwig stolz. Genauso wie es auf den LKWs steht, die von Müllrose aus in die Welt starten: „Müllroser Mehl – traditionell gut!“ So spannend der Blick in die Mühle ist, Betriebsrundgänge bleiben rar. „Schon aus hygienischen Gründen können wir das nur sehr begrenzt anbieten“, erklärt der Geschäftsführer.
Eine der wenigen Ausnahmen war der Casual Friday der IHK Ostbrandenburg im Juni. Die Teilnehmer fuhren per Boot direkt von der Marina Schlaubetal ins Betriebsgelände, um sich die Arbeit der Müller anzusehen. Dabei wurde durchaus gefachsimpelt, kamen doch einige der Gäste aus ähnlichen Branchen. Und von der geschmacklichen Qualität der Müllroser Produkte konnte man sich gleich im angeschlossenen Mühlenladen überzeugen.
Thomas Ludwig, Geschäftsführer Oderland Mühlenwerke Müllrose, mit IHK-Regionalcenter-Leiterin Annett Schubert und dem Müllroser Bürgermeister Thomas Kühl (v.r.) beim jüngsten Casual Friday.
© IHK Ostbrandenburg
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