Künstliche Intelligenz

Von KI nicht abhängen lassen

Durch künstliche Intelligenz werden keine Jobs wegrationalisiert; aber Menschen, die nicht damit umgehen können.

Den Grundstein für sein heutiges Unternehmen legten vor über 20 Jahren quasi die Eltern von André Bonne. „Als ich ungefähr 12 Jahre alt war, kauften sie mir ein Magazin, das eine Anleitung und Bauteile für einen Roboter enthielt. Ab diesem Zeitpunkt war mein Interesse am Thema Technik geweckt“, sagt der 35-Jährige heute. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Olymp.Services Bonne GmbH in Fürstenwalde und bietet Unternehmen Services rund um das Thema KI.
Neben zwei mittelständischen Unternehmen zähle aktuell der Landkreis Oder-Spree und dessen Oberstufenzentrum in Palmnicken zu seinen Kunden. Um die Ausbildung für Lehrer und Ausbilder zu verbessern,  etabliere er für den Landkreis eine von ihm entwickelte Bildungsplattform. Über diese Plattform, mit integrierten KI-Werkzeugen, sollen Lehrer und Ausbilder Lehrmaterialien leichter und schneller erstellen können. Daneben bekommen sie ein KI-Training, in dem André Bonne die Fragen beantwortet, was KI ist und vor allem, wie man es als Werkzeug verwendet. „Gemeinsam soll außerdem ein Richtlinienkatalog zum Umgang mit KI für die Ausbilder und Schüler erstellt werden. Diese nutzen KI und Angebote wie ChatGPT  sowieso. Wichtig ist, dass der Schüler oder Azubi KI-Werkzeuge nutzen darf, aber dafür ein Rahmen definiert ist.“ Für dieses Thema ist auch die Zusammenarbeit zwischen Startup und Mittelstand essentiell. Die nähe erhält er durch die Nutzung des Co-Working auf dem Start-Up Campus in Eisenhüttenstadt und baut sein Netzwerk durch die Hilfe vom KoFo e.V. weiter aus.
Während der Landkreis offensiv das Thema KI für den Bildungsbereich angeht, seien die Betriebe in Ostbrandenburg laut André Bonne noch verhalten. KI sei noch neu für die Unternehmen und viele hätten andere Baustellen. „Die Industrie leidet gerade unter den aktuellen Bedingungen wie der Energiekrise. Es muss erst aufgezeigt werden, wo KI unterstützen kann. Bewegungsanalysen interessiert Mittelständler da weniger, eher KI-Anwendungen, die zum Beispiel Lieferketten verbessern. Bei einem Kunden wurde ein Konzept entwickelt, um mit lokaler Edge-KI-Hardware Verschnitt bei der Produktion aufzeichnen zu können. Die Auswertung konnte Einsparpotentiale mit Hilfe von KI aufzeigen. Ein weiteres KI-Produkt, welches bereits in Echtzeit genutzt wird, verwendet eigene Sprachmodelle und unterstützt bei der Auswertung und Erstellung von Texten. Wichtig sind den Betrieben zudem neue Einbauten, die den Betriebsablauf nicht stören und die in kleinen Schritten iterativ eingeführt werden können.“
Mitarbeiter wichtig, wenn KI genutzt werden soll
Es gebe neben dem Tagesgeschäft weitere Punkte, die Unternehmen vom KI-Einsatz abhält. „Preise sind natürlich mitentscheidend. Für viele Unternehmen sind die Preise der KI noch zu intransparent. Förderungen zu bekommen, ist kompliziert. KI lohnt sich aktuell vor allem für Unternehmen mit vielen Daten. Auch beim Recruiting ist der Einsatz sinnvoll. Hier werden oftmals noch Excel-Listen auf Basis der Bewerber-E-Mails geführt. Unternehmerinnen und Unternehmer wollen neue Systeme zudem oftmals nicht einführen, weil sie ihre Angestellten schulen müssen. Mitarbeiter sind ein wichtiger Aspekt beim Umgang mit KI. Sie müssen KI täglich oder mindestens wöchentlich nutzen und Arbeitgeber müssen zudem die nötige Zeit dafür bereitstellen. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass sie dran bleiben und sich nicht sagen: ‚jetzt habe ich es ausprobiert, jetzt mache ich wieder andere Sachen‘“, sagt der 35-Jährige.
André Bonne ist sich sicher, dass in einigen Jahren der Umgang mit KI-Werkzeugen eine Anforderung im Lebenslauf sein werde. „Ein Grundverständnis sollte jeder haben. Menschen haben Angst, dass ihre Jobs wegrationalisiert werden. Stattdessen wird es Menschen treffen, die nicht damit umgehen können.“
KI als Unterstützung sehen
Künstliche Intelligenz müsse als Unterstützung angesehen werden. So verhalte es sich auch mit der Bildungsplattform beim Landkreis Oder-Spree. Die Lehrer und Ausbilder entscheiden nach wie vor, ob die Ergebnisse der KI fachlich Sinn ergeben. KI ersetze nicht das eigene Denken und die Erfahrung.
„Insbesondere bei Angeboten wie ChatGPT ist das Problem, dass die Ergebnisse falsch sein können. Es nutzt zum einen sogenanntes Weltwissen bis zum Jahr 2021. Zum anderen werden inzwischen Informationen aus der Google- und Bingsuche zur Anreicherung der Ergebnisse genutzt. Daten können aber fehlerhaft sein, auch Wikipedia hat falsche Einträge. Die Bildungsplattform des Landkreises nutzt neben einer Schnittstelle zu OpenAI und deren Angebot ChatGPT, auch ein lokales Modell. Dieses wird auf den Computer geladen. Hier erfolgt keine Online-Abfrage. Das ist vor allem bei sensiblen Daten sehr wichtig. Das lokale Modell ist mit Daten vom Landkreis angereichert und kann dann zum Beispiel Dokumente vergleichen oder auswerten.“
André Bonne arbeitet projektbezogen mit freien Mitarbeitern zusammen. Er selbst hat nach einer Ausbildung zum Assistenten Automatisierungs- und Computertechnik und zum Techniker, ein Bachelor- sowie Masterstudium in „Business und Innovation – digitale Geschäftsmodelle“ absolviert. Lässt man den Unternehmer zehn Jahre in die Zukunft schauen, sieht er Unternehmen, die täglich KI und eine Art ChatGPT nutzen. „KI wird das Suchverhalten ändern. Mitarbeiter werden chatbasierte Anfragen stellen, sie werden auch komplexere Fragen stellen. Sie werden außerdem No-Code-Plattformen nutzen. Diese gibt es schon heute in fast jedem Unternehmen als Teil der Microsoft 365 Lösung. Hier können über vorgefertigte Bausteine Anwendungen programmiert werden, ohne Programmiersprache zu beherrschen. Das hat kürzlich sogar meine elfjährige Tochter in der Schule genutzt. Es wird insgesamt zu Zeit-, Ressourcen- und Kosteneinsparungen kommen und auch den Fachkräftemangel abfedern.“
Sorgen und Ängsten gegenüber der neuen Technik entgegnet er: „KI ist nichts Böses, sondern eine andere Art von Arbeit mit großen Datenmengen. Dahinter steckt auch historisch gesehen keine Intelligenz wie der Mensch diese interpretiert. Ein besseres Wort dafür ist Simulierte Intelligenz. Es ist wichtig, einen logischen Dialog mit der KI zu führen“ In den nächsten Jahren möchte André Bonne seine KI-unterstützten Plattformen weiterentwickeln und mit integrierten Sprachmodellen vor allem Unternehmen für den Kundensupport anbieten. Daneben will er sich weiterhin für das Thema engagieren. Er ist Partner im Netzwerk „NET4AI“. Dieses möchte Unternehmen vernetzen, zu einem Wissensaustausch beitragen und bietet Veranstaltungen zum Thema KI an. „Es muss noch viel mehr getan werden. Ein Austausch untereinander zu KI ist wichtig. Es braucht eine starke Community aus Unternehmen, auch aus kleinen Betrieben. Sie dürfen bei dem Thema nicht abgehängt werden.“
FORUM/Katharina Wieske

Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik