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Hidden Champion aus Hennickendorf
Alles begann mit der Reparatur einer Bootsmotorwelle. Wenig später war Alfred Wesnigks Handwerksbetrieb die einzige Metallspritzfirma der DDR. Und blieb es bis zur Wende. Heute genießt die Berolina Metallspritztechnik Wesnigk GmbH nicht nur in Deutschland einen hervorragenden Ruf.
Mit seinen tätowierten Armen könnte man sich Andreas Duda gut auf einer Harley vorstellen. Oder einer Moto Guzzi. Jetzt aber steht er neben dem Dreher Sven Weltrowsky und fachsimpelt über die Präzision einer alten Drehmaschine. Auf der „schabt“ ein Drehmeißel hauchdünne silberne Metalllöckchen von einer Antriebswelle. „Auf diese Weise setzen wir Metallteile so instand, dass sie die nächsten zehn Jahre halten. Später wird auf den abgedrehten Bereich härteres Metall bis zum ursprünglichen Durchmesser aufgespritzt, was die Lebensdauer der Antriebswelle extrem verlängert“, erklärt Andreas Duda. Und hat so in wenigen Worten grob zusammengefasst, was die Mitarbeiter der von ihm geführten Berolina Metallspritztechnik Wesnigk GmbH tagein, tagaus machen. Nicht erst seit die Energie- und Stahlpreise durch die Decke gehen, haben die 40 Männer und Frauen in Hennickendorf gut zu tun.
Es gibt nicht viele Firmen, die können, was wir können. Ich glaube, Betriebe wie den unseren nennt man ‚Hidden Champions‘.Andreas Duda
Tatsächlich gibt es bundesweit kaum mehr als eine Handvoll Firmen, die das Drahtflamm-, Pulverflamm-, das Kaltgas- und elektrisches Lichtbogen- und Plasmaspritzen, mithin also alle gängigen Metallspritzverfahren, unter einem Dach und mit solch langjähriger Erfahrung vereinen. Dazu kommen Carbid- und Keramikbeschichtungen. Gründer Alfred Wesnigk, der sich nach dem Krieg in einer kleinen Garage in Wilhelmshagen selbstständig gemacht hatte, bekam 1949 den Auftrag, eine Bootswelle zu reparieren. Er erinnerte sich, dass ihm in seiner Lehrzeit als Werkzeugdreher das Handwerk des Metallspritzens beigebracht wurde. Als er dann für die Ausleihe der zur Reparatur der Bootswelle notwendigen Metallspritzpistole den für damalige Verhältnisse exorbitanten Preis von 60 D-Mark bezahlen musste, erkannte er die Marktlücke und schaffte sich selbst eine solche Pistole an. Später entwickelte und baute er eigene Metallspritzautomaten. Bis zum Fall der Mauer blieb Wesnigk mit vier Mitarbeitern das einzige metallspritzende Unternehmen in der DDR.
Fachsimpeln gehört dazu. Andreas Duda im Gespräch mit Dreher Sven Weltrowsky (l.).
© Mirko Schwanitz
„Ich kam 1993 in den Betrieb“, erinnert sich Duda. „Alles war beengt, Maschinen dicht an dicht, uralte Absaugeinrichtungen. Und dennoch wurde bei uns mit einer solchen Präzision gestrahlt, gespritzt und beschichtet, dass ein Jahr später die Firma Siemens anklopfte.“ – ihr Großauftrag war die Initialzündung für die Modernisierung der Firma.
Energie für die Produktion aus eigener Produktion
„Wir beschäftigen heute 40 Leute. Auf sechs Produktionsarbeiter kommt bei uns ein Roboter. Damit ist unser Automatisierungsgrad höher als im Bundesdurchschnitt. Hier kommt zurzeit ein Roboter auf 24 Mitarbeiter. Als wir nach Hennickendorf zogen, war das Gewerbegebiet auf unseren Stromverbrauch nicht vorbereitet, sodass wir zeitweise drei eigene Blockkraftwerke betreiben mussten, um die Produktion sicherzustellen. Heute wird die Abwärme von drei Druckluftanlagen genutzt, um unser Hallen zu heizen“, beschreibt Duda die Innovationskraft der Firma, während er auf eine Freifläche mit vorgelagerter Wiese führt. Schafe schauen herüber. „Da ist Platz für unsere nächste Halle“, sagt der 52-Jährige und führt dann in die jüngste Produktionshalle. „Die hier haben wir nur für eine einzige Rundschleifmaschine errichtet, mit der wir Teile mit bis zu fünf Metern Länge und 3,5 Tonnen Gewicht bearbeiten zu können.
Alltag bei der Berolina Metallspritztechnik Wesnigk GmbH: Der Dreher und thermische Beschichter Steffen Henze beschichtet mithilfe des Roboters per Lichtbogenspritzverfahren Maschinenteile für einen renommierten Kunden.
© Mirko Schwanitz
In einer anderen Halle stehen, aufgereiht wie die Armee chinesischer Tonkrieger, die abgenutzten Stahlschaufeln eines Wasserturbinenrotors. „Wenn wir mit denen fertig sind, sehen die nicht nur aus wie neu. Von der Qualität her sind sie es dann auch.“ Er greift in einer Kiste voll kupferbeschichteter Kleinteile. „Das sind Teile der Gangschaltung für Motorräder unseres Kunden KTM.“ Duda erwähnt das eher beiläufig. Doch längst liest sich die Kundenliste des Unternehmens wie das „Who is Who“ deutscher Industrie- und Handwerksbetriebe. „Und darauf“, sagt Duda, „sind wir alle dann doch ein bisschen stolz.“
FORUM/Mirko Schwanitz
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