Starke Wirtschaft

Über 3000 Artikel in Millionen Varianten

In einem Pilotprojekt unterstützt die IHK Ostbrandenburg Betriebe beim Ermitteln ihres ökologischen Fußabdrucks. Diese Unternehmen haben mit der Beraterfirma The Future Living ihre CO2-Bilanz erstellt und Maßnahmen abgeleitet. Die Yamaichi Electronics Deutschland Manufacturing GmbH in Frankfurt (Oder) hat mitgemacht und setzt auf die Wertschöpfung vor Ort.
Yamaichi ist ein weltweit aufgestellter Konzern, dessen Europa-Zentrale in München liegt. Das Unternehmen hatte seit 2006 einen Fertigungsstandort auf dem früheren Gelände des Halbleiterwerkes, platzte aber aus den Nähten. Im April 2019 wurde der Grundstein für das neue Werk von Yamaichi Electronics in Frankfurt gelegt. Ein Jahr später wurde die Produktion im neuen Gebäude aufgenommen. Dort werden Rundsteckverbinder und Testadapter hergestellt, alles Made in Germany.
Die Produktion ist hochautomatisiert nach neuesten Technologien. Dort sind 140 Mitarbeiter tätig. In der Kabelmontage ist anspruchsvolle Handarbeit auf kleinstem Raum gefordert. Yamaichis Kabelsteckverbindungen gehen in die Großindustrie, zum Beispiel an Hersteller von Baumaschinen sowie in die Medizintechnik, beispielsweise für Beatmungsgeräte. Hoch präzise Testadapter gehen zudem an namhafte Hersteller in der Daten- und Informationsbranche. Von jeher sei man bei Yamaichi an Nachhaltigkeit interessiert. Hauptgrund, den CO2-Fußabdruck zu ermitteln, seien Kundenanfragen gewesen, woher das Unternehmen seine Ausgangsstoffe beziehe. „In diese Faktenlage hinein kam die Einladung der IHK im Pilotprojekt mitzumachen“, sagt Patrick Herrmann. Er ist Standortleiter in Frankfurt und bezeichnet das Projektanliegen als gute Idee.
Mit der Umweltbeauftragten von Yamaichi Frankfurt ist er das Thema angegangen. „Aber richtig überraschen konnte uns nichts, weil wir keinen Vergleichsmaßstab haben“, sagt er. „Wir stellen über 3000 Artikel in Millionen Varianten her. Hier gehen Unmengen an Rohmaterialien rein. Keiner weiß, was die schon an CO2-Ausstoß hatten. Das zu bewerten ist sehr komplex.“ Patrick Herrmann ist überzeugt, dass das Konzept der CO2-Bilanz nur funktioniert, wenn alle Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette daran arbeiten. Bei Yamaichi in Frankfurt ist man da schon sehr weit. „Wir streben eine Fertigungstiefe von fast 100 Prozent bei unseren Produkten an“, sagt der Standortleiter.
Fertigungstiefe bedeutet, dass die Teile, die in den Erzeugnissen stecken, von Yamaichi selbst hergestellt werden. „Der komplette Stecker, inklusive seines Innenlebens, wird von uns gefertigt. Dadurch holen wir die Wertschöpfung zu uns. Wir haben so weniger Teile im Einkauf und geringeren logistischen Aufwand.“ Die CO2-Bilanz habe deutlich vor Augen geführt, wieviel verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Bewertungskriterien bei Yamaichi im Einsatz sind. Da seien Aluminium, Messing, Kupfer, aber auch Kunststoffe vom Granulat bis zur Platte.
Aus den Daten der CO2-Bilanz hat man bei Yamaichi vor allem eine Erkenntnis gestärkt. „Wir müssen noch mehr Verständnis aufbauen für den sparsamen Umgang mit Material. Das ist ein Hauptthema“, sagt Herrmann. „Schon beim Einkauf schauen, wie hoch ist der Verbrauch? Wie kann man mit Zuschnitt und Toleranzen arbeiten?“ In zweiter Linie gehe es darum, Mitarbeiter zu bewegen, Prozesse zu optimieren und Effizienz an allen Stellen durchzusetzen. Das reiche von der Zeit- bis zur Materialersparnis, was sich dann im Stromverbrauch niederschlage. Überrascht sei er gewesen, wie viele Mitarbeiter mit öffentlichem Nahverkehr oder Fahrrad zur Arbeit kommen. „Es gibt viele Fahrgemeinschaften, vor allem bei polnischen Kollegen. Da schauen wir, dass die Schichten zueinander passen“, sagt Herrmann. Aus seiner Sicht erfordert das Ermitteln der CO2-Bilanz einen hohen Aufwand. „Man muss Mitarbeiter benennen, die daran arbeiten. Dadurch entstehen Kosten. Eventuell sparen wir durch Maßnahmen etwas ein, aber ehe das zurückkommt, das dauert.“ Sein Appell geht an die Politiker zu prüfen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf kleine und mittelständische Unternehmen haben. Vieles mache man aus eigener Motivation heraus.
So ist in diesem Frühjahr eine riesige Solaranlage aufs Dach der Yamaichi-Produktionshalle gekommen. „Das sind über 1400 Module. Jetzt können wir bis zu 40 Prozent unseres täglichen Strombedarfs daraus decken. Wir sind mit unserem großen Maschinenpark, dem Zerspanungs- und Spritzgussbereich ein energieintensiver Betrieb. Die Planungen für die PV-Anlage gingen vor zwei Jahren los.“
FORUM/ Eva-Martina Weyer

Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik