Bahnhofsgebäude im Wandel

In den meisten Orten findet man heute neben dem historischen Bahnhofsgebäude höchstens einen überdachten Bahnsteig. Es ist kalt und zugig und es gibt keine Toilette. Wir gehen der Frage nach, was mit den Bahnhofsgebäuden passiert ist, und zeigen Beispiele für eine erfolgreiche Privatisierung sowie für innovative Nutzungen. Hier paaren sich lokales Engagement mit Risikobereitschaft und betriebswirtschaftliches Denken mit einer Vision.

Status Quo

Einige Bahnhofsgebäude wurden von Kommunen übernommen und werden von ihnen betrieben, wie das zum Beispiel in Wittstock der Fall ist. Die Kommunen hatten immer ein Vorkaufsrecht, nutzten es aber oft nicht. Zum Teil sind auch Vereine Eigentümer geworden. Aber viele der alten Bahnhofsgebäude sind weiterhin ungenutzt, die Fenster sind vernagelt und die Fassaden beschmiert, nicht selten ist es ein trauriges Bild. Eigentümer scheiterten an den hohen Sanierungskosten, am betriebswirtschaftlichen Konzept, Denkmalschutz oder an mangelnder Aufmerksamkeit der Kommune für das Bahnhofsumfeld. Bundesweit verkaufte die Bahn insgesamt 2 800 ihrer 3 500 Bahnhöfe, mit dem Ziel, dabei mindestens den Buchwert zu erlösen. Davon gingen 490 Bahnhöfe im Paket an ein deutschbritisches Konsortium. Auch Brandenburger Bahnhöfe waren betroffen. Diese sind zum großen Teil weiterverkauft, aber für die meisten Immobilien bedeutete der Zwischenverkauf wiederum Stillstand.

Kompetenzstelle Bahnhof unterstützt Eigentümer

Kai Dahme ist als Abteilungsleiter im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) für die Planung und Fahrgastinformation zuständig. In sein Ressort fällt die Kompetenzstelle Bahnhof. Hier unterstützen Manja Müller und Nina Janssen Eigentümer durch Beratung und ihr Netzwerk. Die Kompetenzstelle wurde 2018 auf Beschluss des Landtages Brandenburg eingerichtet, um den Verfall aufzuhalten. Damals war mehr als die Hälfte der Empfangsgebäude in einem schlechten oder mittleren Zustand. Die Arbeit begann mit einer brandenburgweiten Bestandsaufnahme. Zuerst wurde der Kontakt zu den oft noch unbekannten Eigentümern von 20 vergleichsweise stark frequentierten Bahnhöfen aufgenommen.

Nutzungskonzept ist entscheidend

Nina Janssen sagt: „Wir hatten anfangs gedacht, dass eine Entwicklung der größeren Bahnhöfe – mit höheren Fahrgast- und Kundenzahlen – mithilfe einer Förderung gelingt. Aber es funktioniert anders: Es ist nämlich nicht die Größe entscheidend, sondern das Nutzungskonzept und die Höhe der Eigenmittel." In den sechs Jahren seit ihrer Einrichtung hat die Kompetenzstelle Bahnhof die Eigentümer von 80 Bahnhofsgebäuden individuell unterstützt. Sie informierte über Förderprogramme. Sie stellte auf Wunsch den Kontakt zur Denkmalpflege und weiteren Akteuren her, wie den Bauaufsichtsbehörden, der DB und dem Eisenbahnbundesamt. Oder zur Stadtverwaltung, um die Einbindung des Bahnhofsgebäudes in die Infrastruktur-Planungen zu erreichen.
Eine große Aufgabe ist die Entwidmung von Bahneigentum. Manchmal befindet sich noch Schaltwerks- oder Signaltechnik im Bahnhofsgebäude, manchmal gibt es keine klare Grenze zwischen dem Gebäude und dem weiterhin genutzten Bahnsteig. Die Gespräche mit der DB und dem Eisenbahnbundesamt verlaufen gut, dennoch sind die Wartezeiten für die Bearbeitung der Anfragen bei der DB lang und der Prozess der Entwidmung ist aufwendig. Besonders hemmend: Seit Jahresbeginn verhindert ein Gesetz alle privaten Projekte, die nicht von überragendem öffentlichem Interesse gegenüber dem Bahnbetrieb sind.

Fallbeispiel Lausitz Gate
Viele Projekte benötigen aufgrund der hohen Zuwendungen eine Kombination aus verschiedenen Fördermitteln. Das birgt Risiken und einen hohen Abstimmungsbedarf mit Fördermittelgebern. Jeder Beratungsfall ist anders. So kann der Bahnhof Doberlug-Kirchhain vom Strukturstärkungsgesetz profitieren. Die Stadt will mit ihrem Projekt „Lausitz Gate“ den historischen Bahnhof zu einem Zentrum für Reisende und Einheimische mit Gastronomie, Co-Working-Space und Wohnungen ausbauen. Doberlug-Kirchhain ist ein Knotenpunkt auf den Bahnstrecken Leipzig-Cottbus und Berlin-Dresden. Die Stadt saniert selbst und kooperiert eng mit den örtlichen Unternehmen. „Wir hören oft die Kritik, dass es mit den Bahnhofsgebäuden nicht vorangeht. Aber vielleicht arbeitet der Eigentümer im Hintergrund intensiv an seinem Projekt? Es dauert nur lange, bis vor Ort die Bauarbeiten beginnen können“, so Manja Müller. Die Kompetenzstelle Bahnhof erstellt aktuell einen Statusbericht, der voraussichtlich zum Jahresende vorliegen wird. Dann lässt sich genau sagen, wie viele der rund 250 Bahnhofsgebäude inzwischen eine neue Nutzung gefunden haben.

Ganzheitliche Entwicklung gefragt

Der VBB koordiniert seit dem Jahr 1999 den Bahn- und Busverkehr im Land Brandenburg. Es ist seine Aufgabe, die Fördermittel effektiv einzusetzen und das Angebot für die Fahrgäste weiterzuentwickeln. Die Bahnstationen sind dafür eine wichtige Schnittstelle. Das war für das Land der Grund, die Kompetenzstelle Bahnhof hier anzusiedeln. VBB-Abteilungsleiter Kai Dahme: „Wir verfolgen bei der Revitalisierung von Bahnhofsgebäuden immer einen ganzheitlichen Ansatz. Dazu gehören die Betrachtung des Gebäudes, des Bahnhofsumfeldes und die Einbindung in die Verkehrssituation.“ Gemeint sind zum Beispiel Park-and-ride-Stellplätze, überdachte Fahrradständer oder ein Fahrradverleih. Die Bahnhöfe wurden ins Plusbus-Angebot einbezogen und sind damit für Reisende attraktiver geworden.

Für Guido Noack, Verkehrsreferent bei der IHK Ostbrandenburg, ist der Ausbau des Schienenverkehrs eine Voraussetzung, die Mobilitätsfragen der Zukunft zu lösen. Er sagt: „Wenn wir die Verkehrswende wollen, dann müssen wir bestehenden Verkehrsmitteln, die unstrittig als umweltfreundlich gelten, mehr Aufmerksamkeit schenken.“ In seinem Kammerbezirk stehen dabei der Ausbau der Ostbahn – von Berlin nach Küstrin-Kietz – und der Ausbau der Wasserstraßen auf der Tagesordnung. Bei den Konzepten für Bahnhofsgebäude wünscht er sich mehr Nutzungen, die mit dem Verkehr im Zusammenhang stehen, von der Gastronomie über den Paketshop bis hin zum Regionalladen.

FORUM/Bolko Bouché

Vom Schandfleck zum wunderschönen Eingangstor der Stadt

Veltens ehemalige stellvertretende Bürgermeisterin Kerstin Husarzewsky brachte es auf den Punkt. „Vor dem Umbau des Bahnhofs haben wir uns bei unseren Gästen für den ersten Eindruck von Velten entschuldigt. Heute ist aus einem Ort der Dunkelheit ein Ort des Lichts geworden“, sagte sie im Jahr 2015 bei der Einweihung des sanierten Bahnhofsgebäudes ihrer Stadt. Und damit könnte die Geschichte der privaten Übernahme des Veltener Bahnhofs auch enden, wenn es nicht so viele Geschichten neben der Geschichte gäbe.
Eine handelt sicherlich davon, wie sich ein Unternehmer trotz all der Knüppel, die ihm zwischen die Beine geworfen wurden, nicht entmutigen ließ. Und wie er heute glücklich ist, eines der Aushängeschilder der Stadt geschaffen zu haben. Eine andere Geschichte handelt davon, wie sich diese Beharrlichkeit am Ende finanziell auszahlt und wie auch die Stadt und deren Bürger davon profitieren. Und eine dritte Geschichte erzählt vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, der die Übernahme und den Betrieb als Best-Practice-Fall aufnahm, und davon, wie am Ende aufgrund dieses Falls sogar ein Kompetenzzentrum geschaffen wurde, das es späteren Käufern von Bahnhöfen leichter macht.
Potenzial erkannt
Aber der Reihe nach. Die Stadt Velten plante im Jahr 2012, den beklagenswerten Zustand des Bahnhofs zu verbessern. Da sie aber lediglich Zugriff auf den Vorplatz hatte, nahm sie immerhin diesen in Angriff. Da das Anliegen der Kommune in der Presse nachzuverfolgen war, bekam Bäckermeister Karl-Dietmar Plentz davon Wind. Für ihn war der Ort attraktiv, da er das Geschäftsgebiet seiner Bäckerei genau im richtigen Radius erweitern würde. Der Unternehmer erkannte das Potenzial des Bahnhofs, der von der lokalen Tageszeitung zuvor sogar zum hässlichsten Bahnhof des Landes gekürt worden war.
Er erwarb das Gebäude von der Deutschen Bahn und damit begannen für ihn die Hürden, die ihn zwischenzeitlich beinahe verzweifeln ließen. „Da die Deutsche Bahn viele Tochterunternehmen hat, hatte ich unendlich viele Ansprechpartner für teilweise kleinste Dinge. Mit insgesamt zwölf Tochterunternehmen habe ich verhandelt. Ein Ansprechpartner war beispielsweise nur für die Bahnhofsuhr zuständig“, erzählt Karl-Dietmar Plentz. Problem für ihn war, dass sich die Ansprechpartner meist nicht einmal kannten. Der Bäckermeister holte alle an einen Tisch, dazu Entscheider aus der Politik – von da an lief es besser.

Das Ende des Projekts?
Bis zu jenem Tag, an dem ein Brief vom Eisenbahnbundesamt kam, der den weiteren Umbau und die Nutzung untersagte. Dieser Brief bedeutete das Aus des Projekts. Ein Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter brachte keinerlei Annäherung. „Ich habe das Haus Gott gewidmet, bin in den Urlaub gefahren und eigentlich blieb mir nichts weiter übrig, als zu beten“, erinnert sich der Christ. „Für mich ist es ein kleines Wunder, denn als ich zurückkam, erlebte ich eine Kehrtwende der Behörde. Der Umbau ging weiter.“
Präsenzstelle der Brandenburger Hochschulen genießt zentrale Lage des Bahnhofs
Insgesamt sieben Präsenzstellen unterhalten die Hochschulen des Landes Brandenburg. Eine davon befindet sich im Bahnhof Velten. Mareen Curran, Britta Fiedler und Maria Korn-Götze beraten, informieren und unterstützen Studieninteressierte sowie deren Eltern, Lehrkräfte, Studierende und Personen mit Studienabschluss, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie deren Mitarbeitende und Bürgerinnen und Bürger in der Wirtschaftsregion Oranienburg, Hennigsdorf und Velten. Eine große Zielgruppe also. „Darum ist unsere zentrale Lage hier im Veltener Bahnhof so ein großer Vorteil für uns“, sagt Mareen Curran.
Seit vier Jahren befindet sich die Präsenzstelle im Bahnhof und so langsam trägt die Netzwerkarbeit Früchte. „Wir haben die ersten Jahre viel Zeit damit verbracht, in den Städten und Gemeinden überall Präsenz zu zeigen. Jetzt kennt man uns und wir werden häufig als Kooperationspartner angefragt. Das freut uns sehr“, so Maria Korn-Götze. „Auch für uns ist die Lage unserer Präsenzstelle immer wieder von Vorteil.“ Öfters hören die drei Mitarbeiterinnen von Gästen, dass sie aufgrund der Lage bewusst mit der Bahn angereist sind. Zu regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen wie dem Studieninfoabend können sie außerdem einen großen Raum ihres Vermieters nutzen. „Wir sind sehr glücklich über unsere Räumlichkeiten. Schön, dass sich die Stadt Velten damals so stark eingesetzt hat, uns hierher zu bekommen“, sagt Mareen Curran.

Einer der ersten Bahnhöfe Deutschlands

Der Hauptbahnhof in Eberswalde ist auf mehreren Ebenen außergewöhnlich. Er ist historisch der bedeutendste und heute einzige verbliebene Bahnhof in der Stadt Eberswalde in Brandenburg – unter der Regie der Deutschen Bahn. Im Sommer 1842 wurde der Bahnhof eröffnet.
Die Deutsche Bahn betreibt den Bahnhof, der ein regionaler Knotenbahnhof ist und der daher zu den Bahnhöfen der Kategorisierung 3* zählt. Entscheidend für die Kategorisierung sind sechs Merkmale: Anzahl der Bahnsteigkanten, maximale Baulänge der Bahnsteige, Anzahl der Reisenden, Anzahl der Zughalte, Vorhandensein von Aufzügen und/oder Fahrtreppen sowie von Servicepersonal. Diese sechs Merkmale pro Bahnhof werden einem Stufensystem zugeordnet. Bahnhöfe der Kategorie 3 sind häufig Hauptbahnhöfe kleiner bis mittelgroßer Städte. Er liegt auf der Strecke zwischen Berlin und Stralsund.
Wer hier ein- und aussteigt, ist meist entweder Pendler, Schüler oder Tourist. Letztgenannte erkunden von Eberswalde aus beispielsweise die Schorfheide oder das Schiffshebewerk in Niederfinow. Außerdem ist Eberswalde eine der ersten Städte Deutschlands, die einen Bahnhof erhalten haben. Sieben Jahre nach der ersten deutschen Eisenbahnlinie Nürnberg–Fürth wurde die Stadt an das damals noch ungewöhnliche Eisenbahnnetz angeschlossen. Da die damaligen Stadtväter den Bahnhof nicht im Stadtgebiet haben wollten, wurde er zwei Kilometer westlich gebaut. Die Stadt ist inzwischen deutlich gewachsen. Heute ist der Bahnhof auf dem Stadtgebiet zu finden.

Familienfreundlicher Bahnhof

Als Betreiberin des Gebäudes und der Bahnsteige ist die DB für den Betrieb, die Kundenbetreuung, die Sicherheit und Sauberkeit auf dem Gelände, die Information der Fahrgäste sowie die Vermietung der Gewerbeflächen zuständig. „Die große Bahnhofsgaststätte gibt es heute leider nicht mehr“, sagt Kirstin Kobs. Sie ist Leiterin Bahnhofsmanagement Potsdam für Personenbahnhöfe bei der DB InfraGO AG. „Dafür können die Fahrgäste in einem Convenience-Store Zeitungen, Lebensmittel und weitere Dinge rund um die Reise erwerben. Außerdem steht ihnen ein Imbiss und selbstverständlich der Fahrkartenverkauf zur Verfügung.“ Ein privates Eisenbahnunternehmen gehört ebenso zu den Mietern der Gewerbeflächen wie die Bundespolizei und das Bahnhofsmanagement. Dass der Stadt Eberswalde ihr Bahnhof am Herzen liegt, sieht man an dem sehr schön gestalteten und gepflegten Vorplatz. Durch die gute ÖPNV-Anbindung, Parkplätze und Fahrradabstellplätze ist der Bahnhof gut zu erreichen.
In diesem Jahr hat der Bahnhof das Prädikat „familienfreundlicher Bahnhof“ erhalten. Unter anderem gab es Bestnoten für die Barrierefreiheit. „Bahnhöfe haben allgemein einen sehr unterschiedlichen Zustand. Eberswalde hat einen guten Zustand. Das spiegelt auch die Vermietung der Geschäfte wider. Hier verzeichnen wir erfreulicherweise keinen langwierigen Leerstand. Wir bieten unseren Reisenden und Besuchern ein konstantes und auf deren Bedürfnisse angepasstes Angebot. Dementsprechend gut präsentiert sich der Bahnhof heute und darüber freuen uns wir uns natürlich sehr“, so Kirstin Kobs.

FORUM/Stefan Specht

Gesundheit für Generationen

Im Bahnhofsgebäude Großräschen befindet sich seit 2010 ein Gesundheitsstudio. Gesundheit – das ist das Alleinstellungsmerkmal für diese Einrichtung. Hier arbeiten Diplom-Sportwissenschaftler, Physiotherapeuten und medizinische Fitnesstrainer, insgesamt sind es 13 Mitarbeiter. Menschen aller Altersgruppen kommen hierher, die ihre Beweglichkeit und Ausdauer wiederherstellen oder erhalten wollen.
Stephan Huber und Olivia Bomberger sind die Geschäftsführer. Huber ist gelernter Zimmermann. Weil er selbst gern Sport machte, wurde er Fitnesstrainer und plante eine Existenzgründung. Er suchte zunächst in seinem damaligen Wohnort, doch seine Marktanalyse ergab, dass die Seestadt Großräschen ein besserer Standort wäre. Dort hatte er zunächst andere Mietobjekte im Fokus. Bürgermeister und Wirtschaftsförderung jedoch weckten seine Begeisterung für das seit zehn Jahren leerstehende Bahnhofsgebäude. Um den trostlosen Zustand zu beenden, hatte die Stadt das Gebäude von der Bahn gekauft und als Investor Gerold Schellstede für ein Nachbargrundstück und den Sanierungsfall Bahnhof gewonnen. Stephan Huber erinnert sich: „Bei der ersten Besichtigung waren Fenster und Türen vernagelt. Wir konnten das Gebäude nur durch einen Hintereingang betreten. Es regnete durch, Dielen waren weggefault und wir liefen über Europaletten.“ Aber der Gründer sah das Potenzial, die noch intakte Fassade aus gelbem Backstein und das große Platzangebot. Von März bis September 2010 erfolgte der Umbau. Zwischendurch gab es eine Baustellenparty. Die Neugier war groß. Bald saß der Gründer täglich in einem Container neben dem Bahnhof und nahm schon die ersten Anmeldungen entgegen. Und zum Eröffnungswochenende ließen sich 1 000 Besucher das Studio zeigen.

Übungsbereiche: Gleis 1, Gleis 2, …

Das Bahnhofsgebäude wurde zum großen Teil entkernt, aber es behielt seine Besonderheiten. Dazu gehören der Kachelofen in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte und die Fensteröffnungen im Schalterraum, in dem sich der Empfang befindet. Auffällig sind vor allem die vielen kleinen Räume, die heute ein sehr individuelles Training ermöglichen. Um an die Geschichte des Gebäudes zu erinnern, heißen die einzelnen Übungsbereiche Gleis 1, Gleis 2 und so weiter. Mit seinem Unternehmenskonzept für das Gesundheitsstudio Alter Bahnhof gewann Stephan Huber den mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis im Lausitzer Existenzgründerwettbewerb. Dabei wurden Innovation und die Schaffung eines Angebots für Jung und Alt hervorgehoben. Der 43-Jährige sagt: „Wir setzen dort an, wo die Medizin an ihre Grenzen stößt. Während die Ärzte oft nur die Symptome behandeln, setzen wir bei den Ursachen an.”
Olivia Bomberger ist insgesamt zehn Jahre dabei und seit 2021 Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin im Gesundheitsstudio Alter Bahnhof. Sie hat Fitnessökonomie auf Bachelor studiert und sagt von sich: „Ich bin ein Zahlenmensch.“ Die 34-Jährige kam durch ihren Ehemann ins Unternehmen, der dort bereits als Trainer angestellt war. „Bei uns geht es überhaupt sehr familiär zu“, erzählt sie und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die Frau von Stephan Huber gehört nämlich auch zum Team, sie arbeitet wie Olivia Bomberger in der Verwaltung.

Zugtickets: Leider Fehlanzeige

„Ein- bis zweimal in der Woche kommen Auswärtige ins Studio und fragen nach Bahntickets“, erzählt Stephan Huber. Die Station ist zwar noch da, aber man geht am Bahnhofsgebäude vorbei auf den Bahnsteig. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es dort keinen Fahrkartenautomaten mehr. Er wurde abgebaut, nachdem ihn jemand gesprengt hatte. Wer Zug fahren will, muss online buchen oder beim Schaffner bezahlen.
Brigitta (70) und Reiner Cziommer (75) trainieren seit einigen Jahren regelmäßig im Gesundheitsstudio Alter Bahnhof, zuvor waren sie in einem Studio in Senftenberg angemeldet. „Uns gefällt es super hier“, sagt Reiner Cziommer. Er kann sich noch an die Zeit erinnern, als Züge mit Dampfloks hier abfuhren. Von Großräschen nach Kyritz zu Verwandten, das ging damals mit der Bahn innerhalb eines Tages hin und zurück. Familie Cziommer fährt heute nur noch selten mit der Bahn. Aber sie waren jetzt für drei Monate in den USA, wo Sohn und Schwiegertochter mit ihren Kindern leben. Die Großeltern wollen ihre Enkel noch öfter besuchen. Das ist für sie ein wichtiger Grund, sich fit zu halten.
FORUM/Bouché/Specht


Bahnhof und Schiene zukunftsfähig machen

Als Abteilungsleiter Verkehr ist Christian Schultz beim Deutschen Bahnkundenverband e. V. Interessenverteter der Fahrgäste und Frachtkunden. Natürlich fährt er selbst leidenschaftlich gern Bahn.

FORUM: Herr Schultz, wie wichtig sind die Bahnhöfe für die Bahnkunden?

Schultz: Attraktive, kundenfreundliche Bahnhöfe sind ein notwendiger und ganz wesentlicher Beitrag zur Qualitäts- und Imageverbesserung des Öffentlichen Verkehrs, um die Mobillitätswende voranzubringen. Es besteht erheblicher Handlungsbedarf. Wir sehen die Bahnhöfe als Visitenkarte und Eingangstor zur Stadt. Sie sind Mobilitätsdrehscheiben für den Öffentlichen Verkehr.

FORUM: Wie sollte ein moderner Bahnhof aussehen?

Schultz: Es beginnt mit der Ausschilderung des Wegs zum Bahnhof, Wegeleitung im Bahnhof und Anzeige der Fahrverbindungen. Der Bahnhof sollte mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sein. Es gibt P+R-Parkplätze, auch mit Lademöglichkeiten für E-Autos, und ausreichend wettergeschützte, diebstahlsichere Fahrrad-Stellplätze. Der Bahnhof sollte eine Gepäckaufbewahrung haben. Ein Café, Buchhandel, Wartezonen ohne Verzehrzwang und W-Lan. Immer nach dem Motto: Wenn die Wartezeit zur Genusszeit wird. Die Fahrgäste erwarten Sauberkeit und eine gute Beleuchtung. Es darf keine Angstzonen geben.

FORUM: Gibt es solche Bahnhöfe überhaupt?

Schultz: Die Allianz pro Schiene zeichnet seit 2004 bundesweit jährlich einen oder zwei Bahnhöfe als Bahnhof des Jahres aus. Wir als Bahnkundenverband sind in der Jury vertreten. Leider handelt es sich bei den Ausgezeichneten um Ausnahmen. Die Realität ist meistens, dass speziell an kleineren Stationen Empfangsgebäude leer stehen und dem Verfall und Vandalismus preisgegeben sind, wie das in Neustadt/Dosse.

FORUM: Sind Brandenburger Bahnhöfe unter den Ausgezeichneten?

Schultz: 2004 der Bahnhof Lübben und 2021 Cottbus Hauptbahnhof. Cottbus hat ein mustergültig saniertes Empfangsgebäude aus den 1970er Jahren und ist mit Straßenbahn und Bus gut zu erreichen. Es gibt unter anderem eine Wartezone mit W-Lan sowie Lademöglichkeiten für Handys und Tablets und den Spreewald Pavillon mit regionalen Spezialitäten. Der Bahnhof ist barrierefrei.

FORUM: Welche Bedeutung hat die Schiene für den Pendlerverkehr?

Schultz: Der Verkehrsträger „Schiene“ ermöglicht im Gegensatz zum Pkw eine sehr energieeffiziente, klimaschonende, leistungsfähige und zuverlässige Mobilität. Die Bahn verbraucht im Gegensatz zum Straßenverkehr vergleichsweise wenig Fläche. Sie leistet im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge einen entscheidenden Beitrag zur Mobilitätssicherung für Menschen, die kein Auto nutzen können oder wollen. Nicht zuletzt kann die Fahrzeit zwischen Wohnort und Arbeitsplatz im Zug gut genutzt werden. Erfreulicherweise unterstützen viele Arbeitgeber ihre Beschäftigten mit einem Jobticket. Dadurch sinkt der Eigenanteil für das ohnehin günstíge Deutschland-Ticket auf maximal 34,30 Euro, je nach Fahrkostenzuschuss des Arbeitgebers. Es ist unser Ziel, dass das Deutschlandticket dauerhaft finanziell abgesichert wird.

FORUM: Welche Rolle spielt der Güterverkehr für den Bahnkundenverband?

Schultz: Wir vertreten auch die Interessen von Cargokunden. Der Schienengüterverkehr ist fünfmal energieeffizienter als der LKW. Ein einziger Güterzug kann bis zu 52 Lkws ersetzen. Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Bahn am gesamten Güterverkehr etwa 19 Prozent. Die Bundesregierung hat in ihrem Masterplan Schienenverkehr für 2030 die Zielgröße 25 Prozent festgeschrieben. Dafür ist noch eine Menge zu tun.

FORUM: Was sind Ihre Forderungen beim Güterverkehr?

Schultz: Die Politik muss zusätzliche Kapazitäten für den Personen- und Güterverkehr schaffen. Im Fokus sollte dabei der zweigleisige Ausbau vorhandener Strecken liegen und nicht der Bau extrem teurer Neubaustrecken. Die „Ostbahnstrecke“ Berlin – Küstrin-Kietz – Grenze zu Polen sei hier stellvertretend genannt. Die Elektrifizierung des Streckennetzes muss forciert werden, um den Güterverkehr noch umweltfreundlicher zu machen. Derzeit sind 62 Prozent des Netzes elektrifiziert, 2030 sollen es 75 Prozent sein. Das bedeutet die Elektrifizierung von etwa 600 Streckenkilometern jährlich, was aber unrealistisch ist. Neben einer auskömmlichen Finanzierung ist hierfür ein wirkungsvoller Bürokratieabbau für alle Planungs- und Genehmigungsprozesse nötig.

FORUM: Warum schicken viele Unternehmen ihre Waren lieber mit dem Lkw?

Schultz: Weil es ihnen schwer gemacht wird. Wir fordern, dass bei umfangreichen Streckensperrungen vorher Ausweichstrecken ertüchtigt werden. Bei der Trasse Hamburg-Berlin, die 2024 und 2025 monatelang gesperrt wird, wurde das versäumt. Damit verzögert sich der Schienengüterverkehr, die Unternehmen werden sich Alternativen suchen. Wir erleben außerdem eine dramatische Entwicklung bei den Trassenpreisen. Die DB-Tochtergesellschaft InfraGo verlangt ab Mitte Dezember 3,73 Euro je -Trassenkilometer für den Standard-Güterzug. Die Steigerung um 16,2 Prozent konterkariert jegliche Bemühung der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Ein weiterer Punkt für die Stärkung des Schienengüterverkehrs ist die Einführung der digitalen automatischen Kupplung, die das manuelle Kuppeln der Wagen ersetzt. Das käme dem wirtschaftlich problematischen Einzelwagenverkehr zugute. Leider hat es die Politik versäumt, dafür die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber bis 2030 sollte dieses europäische Projekt endlich umgesetzt sein.
Es fragte Bolko Bouché
Guido Noack
Referent Verkehr
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik