Brandenburger Außenwirtschaftsumfrage 2024
“Risikominimierung und Fokus Europa” – das ist sind die Kernergebnisse der diesjährigen Umfrage der Brandenburger IHKs unter ihren Mitgliedsunternehmen. Knapp 500 regionale Unternehmen haben sich zu Zielmärkte und Herausforderungen ihres Außenwirtschaftsgeschäftes geäußert.
Grundlage und Hintergrund der Umfrage
Die Brandenburger Industrie- und Handelskammern (IHKs) haben im Frühjahr 2024 zum zweiten Mal seit 2021 eine Außenwirtschaftsumfrage unter ihren Mitgliedsunternehmen durchgeführt. Per Post und online haben sich 473 Unternehmen aus den Bereichen produzierendes Gewerbe, Bau, Dienstleistungen, Handel und weiteren Branchen beteiligt. 239 Betriebe davon sind außenwirtschaftlich aktiv oder haben daran Interesse. Diese bilden die Grundlage der Umfrageergebnisse.
Ziel der Umfrage ist es, die aktuelle Lage der regionalen Exportwirtschaft, ihre derzeitige und strategische Zielmarktausrichtung sowie ihre aktuellen Hemmnisse im Auslandsgeschäft zu identifizieren. Auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse leiten die Brandenburger IHKs notwendige Bedarfe ihrer Mitgliedsunternehmen in der Exportförderung ab, ziehen Rückschlüsse auf notwendige Anpassungen ihrer eigenen Unterstützungsaktivitäten, die der außenwirtschaftsfördernden Strukturen im Land Brandenburg sowie der Brandenburger Landesregierung.
Ergebnisse im Überblick
- Interesse der Brandenburger Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) an neuen Zielmärkten im Ausland nimmt spürbar ab: Noch ist jedes zweite an der Umfrage teilnehmende Unternehmen grenzüberschreitend aktiv oder kann sich das zumindest vorstellen. Aber erschwerte Bedingungen und Risiken im Außenwirtschaftsgeschäft – beispielsweise zunehmende Bürokratie und geopolitische Konflikte – führen dazu, dass vor allem Unternehmen aus dem Klein- und Mittelstand ihre Exportaktivitäten auf den Prüfstand stellen.
- Brandenburger Außenwirtschaft fokussiert sich gegenwärtig auf den europäischen Binnenmarkt: Mehr als 60 Prozent der an der Umfrage beteiligten Brandenburger Betriebe haben Handelspartner in der Europäischen Union (EU). Jedes zweite Unternehmen pflegt Geschäftsbeziehungen zum Nachbarland Polen und mehr als ein Drittel zu Partnern im restlichen Europa. Allerdings sind die regionalen Unternehmen aktuell weitaus weniger an der Erschließung von Märkten in Drittstaaten wie etwa in Subsahara-Afrika, dem Nahen Osten oder Mittel- und Südamerika interessiert, als noch vor drei Jahren.
- Bürokratie ist das größte Hindernis für die Brandenburger Außenwirtschaft: Mehr noch als Sanktionen oder andere “klassische” Handelshemmnisse behindern zunehmen politische Vorgaben die regionalen Unternehmen in ihrer Auslandsmarktbearbeitung: 44 Prozent der Betriebe melden im Rahmen der Umfrage, dass Berichtspflichten und ähnliche Vorgaben wie etwa das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die EU-Entwaldungsrichtlinie (EUDR) oder der CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM) ihre Geschäftstätigkeit einschränken.
- Fachkräftemangel wird zunehmend zu einem zentralen Hemmnis der Außenwirtschaftsaktivitäten: Den Unternehmen fehlen mehr und mehr die notwendigen Fachkräfte, um sich aktiv auf internationaler Ebene zu engagieren. Dies beklagen 32 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen. Gut ausgebildete Mitarbeiter werden neben den notwendigen Vertriebsaktivitäten vor allem auch zur Bewältigung der gestiegenen bürokratischen Anforderungen und im Bereich des Zolls-, der Export- und Sanktionskontrolle und im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr benötigt.
- Auf Risiken im Außenwirtschaftsgeschäft reagieren Unternehmen vor allem mit Preissteigerungen und der Neujustierung ihrer Absatzmärkte und Lieferketten: Sechs von zehn Unternehmen geben laut Umfrage an, die gestiegenen Preise im Außenhandel an ihre Kunden weiter zu geben. Innovative Strategien, wie etwa die Umstellung der Produktion oder die Nutzung alternativer Materialien werden von weniger als 20 Prozent der Unternehmen verfolgt.
- Unterstützungsbedarf der Brandenburger Betriebe im Außenwirtschaftsgeschäft bleibt hoch: Die Unternehmen benötigen vor allem Zugang zu Netzwerken und Austauschmöglichkeiten sowie zu Förder- und Finanzierungsangeboten. Darüber hinaus wünschen sie sich Unterstützung für die Beteiligung an Messen und aktuelle Informationen zu konkreten Auflagen.
Politische (Heraus-)Forderungen
Die Brandenburger IHKs leiten aus den Ergebnissen der Außenwirtschaftsumfrage 2024 folgende politische (Heraus-)Forderungen ab:
1. Strategische Ausrichtung der Brandenburger Außenwirtschaftspolitik in enger Zusammenarbeit mit Berlin neu definieren
Das aus dem Jahr 2018 stammende Brandenburger Außenwirtschaftskonzept und die im Jahr 2014 erstellte Internationalisierungsstrategie des Landes müssen dringen überarbeitet und an die aktuellen Herausforderungen der Brandenburger Unternehmen in der Außenwirtschaft angepasst werden. Seit 2021 haben sich die Lieferketten stark verändert, es gibt neue Formen der Einschränkungen des Auslandsgeschäftes durch Sanktionen, Energieabhängigkeiten, zunehmende Bürokratiebelastungen auch im Binnenmarkt und schließlich den zunehmenden Eingriff in das selbst bestimmte, wirtschaftliche Handeln von Unternehmern durch EU- und Bundesgesetzgebungen. Diesen Herausforderungen müssen die strategischen Papiere der Landesregierung Rechnung tragen.
Das Außenwirtschaftskonzept sollte außerdem eng mit dem Bundesland Berlin abgestimmt und an einer gemeinsamen internationalen Ausrichtung gearbeitet werden, die mit dem gemeinsamen Auftritt der Hauptstadtregion bereits gelebt wird.
2. Stärkere Nutzung politischer Strukturen des Bundeslandes für den Abbau von Bürokratie und Handelshemmnissen
Die Brandenburger Unternehmerlandschaft ist geprägt durch KMUs. Eine immer stärker zunehmende Bürokratie auch im Auslandsgeschäft belastet diese Unternehmen noch mehr als die größeren Betriebe: 75 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Brandenburger Unternehmen würden durch eine Reduzierung bürokratischer Hürden ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit klar verbessert sehen.
Das Land Brandenburg sollte sich über ihre landeseigene Vertretung in Brüssel für die Interessen der regionalen Unterhemen einsetzen und die steigenden bürokratischen Herausforderungen bei geeigneten Strukturen in Brüssel stärker adressieren, beispielsweise über die Forderung der tatsächlichen Anwendung der One-in-one-out-Regel. Auch der Schulterschluss mit der Berliner Landesregierung, die stärkere Nutzung von Strukturen zwischen Bund und Land sowie die engere Zusammenarbeit mit den vorhandenen Multiplikatoren und Interessenvertretungen bereits im Vorfeld sich abzeichnender Problemstellungen wären mögliche Ansätze zur Einwirkung auf die zunehmende Bürokratie für regionale Betriebe.
3.Brandenburger Außenwirtschaft weiter schärfen
47 Prozent der an der Umfrage beteiligten Unternehmen wünschen sich Unterstützung in Form von Förder- und Finanzierungsangeboten. Darüber hinaus sehen 46 Prozent vor allem bei der Beteiligung an Messen einen hohen Unterstützungsbedarf. Mit der Förderrichtlinie GRW-Markt International hat das Land Brandenburg als eines der wenigen Bundesländer in Deutschland klein- und mittelständischen Unternehmen ein Förderinstrument für die Auslandsmarkterschließung zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich seiner aktuellen Ausschöpfung, seiner Fördertatbestände und der spezifischen Unterstützung für Start-Ups und Außenwirtschafts-Newcomer wird es bereits gut angenommen.
Um die Potenziale vor allem von KMUs auch unter den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen zu heben, sollte das Land auch in Zukunft die bestehenden Förderungen für die Internationalisierung beibehalten und mit Blick auf sich schnell ändernde Herausforderungen regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Hinsichtlich der von den Unternehmen skizzierten Unterstützungswünsche muss vor allem die Messeförderung beibehalten und an die sich aktuell schnell ändernden Preisentwicklungen angepasst werden. Um den ebenfalls geäußerten Bedarfen von regionalen Betrieben nach mehr Unterstützung bei der Geschäftspartnersuche und dem Kontakt zu Netzwerken und Austauschmöglichkeiten entgegen zu kommen, wären außerdem die Integration folgender Instrumente in das Brandenburger Förderportfolio zielführend: Das bereits von Sachsen-Anhalt genutzte Kontaktanbahnungsinstrument für KMU unterstützt KMU noch individueller bei der Geschäftspartnersuche, während die Richtlinie des Landes Berlin die Bildung internationaler Netzwerke in ihrem Förderprogramm beinhaltet.
4. Außenwirtschaftsfördernde Strukturen weiter ausbauen
46 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen sehen vor allem bei der Beteiligung an Messen einen hohen Mehrwert. Auch unternehmerische Netzwerke und Angebote zum Austausch werden von ihnen als wesentlich für ihren Erfolg im Auslandsgeschäft betrachtet. Das Land Brandenburg hat in den letzten drei Jahren neue Strukturen aufgebaut, um vor allem die Messeförderung des Landes auszubauen – ein Umstand, der von den Brandenburger IHKs als positiv bewertet wird.
Diese Strukturen sollten jedoch weiter gestärkt werden und angesichts schrumpfender finanzieller Spielräume bessere Synergien durch eine engere Zusammenarbeit mit Berlin erzielt werden. Auch dürfen dort, wo außenwirtschaftsfördernde Strukturen im Land aufgebaut werden, an anderer Stelle nicht abgebaut werden. Über den Einsatz von geförderten Exportscouts und die Förderung von Vernetzungsprojekten in Anlehnung an die Berliner Außenwirtschaftsförderung könnten die Internationalisierungskompetenzen der Brandenburger Unternehmen breiter aufgestellt werden.
Beziehungen im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien verstärken und verstetigen
Mit Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen der Brandenburger Außenwirtschaft sind starke und verlässliche Partner ein klarer Wettbewerbsvorteil: Polen ist und bleibt der wichtigste Handelspartner Brandenburger Unternehmen – jeder zweite regionale Betrieb pflegt bereits Geschäftsbeziehungen mit dem Nachbarn jenseits der Oder. Tschechien gehört seit Jahren zu den wichtigsten Handelspartnern Brandenburgs und steigt in der Bedeutung als Exportmarkt stetig. Beide Länder stellen außerdem Sprungbretter in weitere bedeutsame mittel- und osteuropäische Märkte wie etwa Slowenien, Slowakei oder Rumänien dar.
Brandenburg sollte seine Schlüsselposition – die es mit seinen besonderen Beziehungen zu Polen bundesweit einnimmt – stärker ausfüllen. Mit Blick auf das Länderdreieck ist ein stärkeres Engagement des Bundeslandes im Sinne der Brandenburger Firmen. Dies ist realisierbar, indem insbesondere die Offenheit des Binnenmarktes gewahrt und Zusammenarbeit und Verbesserungen in den Bereichen Infrastruktur, Energie und Umwelt auch von der Landesregierung gefördert und unterstützt werden. Nicht zuletzt könnte die Wiederbelebung und der Ausbau der Partnerschaftsbeauftragten des Landes Brandenburg in Polen hier zu einer weiteren Stärkung der Beziehungen führen.
Fachkräfteverfügbarkeit für das Außenwirtschaftsgeschäft stimulieren
Die mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften bremst die Unternehmen bei der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit aus. Betriebe haben Probleme, die für das internationale Geschäft notwendigen personellen Ressourcen bereitzustellen. Benötigt werden sie für die Kundenakquise und -pflege im Ausland, die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen oder auch für die Einhaltung notwendiger Zollvorschriften und die Exportkontrolle im Unternehmen.
Das Land Brandenburg muss sich stärker denn je dafür einsetzen, dass die Regelungen für die Fachkräfteeinwanderung unbürokratisch und praxisnah umgesetzt werden können. Auskunfts- und Nachweispflichten der Unternehmen müssen verringert werden. Aktuell bremst der enorme Bürokratieaufwand den Zugang von internationalen Fachkräften aus. Voraussetzung ist es ebenfalls, dass die für die Einwanderung zuständigen Behörden entsprechend ausgestattet sind. Gefragt sind außerdem geeignete Förderprogramme zur Finanzierung externer Recruiting-Leistungen sowie von Kosten, die bei der Integration von Fachkräften anfallen. Darüber hinaus kann die Finanzierung einer stärkeren Positionierung der Brandenburger Unternehmen auf internationalen Jobmessen zielführend sein, genauso wie eine engere Zusammenarbeit mit Berlin und der stärkeren Förderung von “Kümmerer-Strukturen”, beispielsweise beim Aufbau internationaler Netzwerke zum Zugang zu internationalen Fachkräften.
Diskussionsforum am 29. Oktober zu Ergebnissen, Forderungen und Lösungswegen
Die Brandenburger IHKs haben die oben stehenden politischen (Heraus-)forderungen aus den Ergebnissen der Außenwirtschaftsumfrage ihrer Mitgliedsunternehmen abgeleitet und im Rahmen der 20. Außenwirtschaftskonferenz Berlin-Brandenburg am 28. Mai diesen Jahres in Potsdam Politik und Wirtschaft vorgestellt und im Austausch mit der Landespolitik wiederholt eingebracht.
Im Rahmen der gemeinsamen Sitzung der Außenwirtschaftsausschüsse der Brandenburger IHKs werden die Möglichkeiten zur Bewältigung der bestehenden Herausforderung der Brandenburger Außenwirtschaft mit politischen Vertretern diskutiert werden. Hierzu sind auf Initiative der Unternehmen der Brandenburger Fachausschüsse Außenwirtschaft auch alle außenwirtschaftlich tätigen Mitgliedsunternehmen der Brandenburger Kammern herzlich eingeladen:
Offene, gemeinsame Sitzung der Außenwirtschaftsausschüsse der Brandenburger IHKs zum Thema “ Umbrüche in internationalen Märkten und notwendige Konsequenzen für die Brandenburger Außenwirtschaftsförderung” am Dienstag, den 29. Oktober 2024 von 16:00 bis ca. 20:00 Uhr im Zentrum für Luft- und Raumfahrt (ZLR), Wildau. Eine Anmeldung ist online über den Link der IHK Cottbus möglich.