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Position unserer IHK zum geplanten Lieferkettengesetz

Fakten zum Lieferkettengesetz

Im Zuge der Globalisierung wurden Leistungserstellungsprozesse von Produkten und Dienstleistungen vermehrt in Entwicklungs- und Schwellenländer verlagert. Die Produktionsbedingungen entsprechen oftmals bei weitem nicht deutschem Standard. Die Frage, in welchen Ländern und unter welchen Arbeitsbedingungen deutsche Unternehmen produzieren oder einkaufen, rückt immer stärker in den Fokus. Unternehmen, die die Achtung der Menschenrechte in ihr Handeln entlang der Lieferkette integrieren, übernehmen nicht nur gesellschaftliche Verantwortung – sie erzielen langfristig auch einen eigenen wirtschaftlichen Nutzen.
Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Risikominimierung. Denn eine gute Menschenrechtspraxis verringert etwa das Risiko von Produktionsausfällen oder Streiks ebenso wie das Risiko von Umweltbelastungen, Rechtsstreitigkeiten und alle damit zusammenhängenden Kosten. Menschenrechte zu achten bedeutet also gleichzeitig, die Reputation des eigenen Unternehmens zu schützen, Markenwerte und Marktanteile zu sichern und Kosten zu vermeiden. Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht kann Unternehmen auch helfen, neue Investitionen einzuwerben. Denn Investoren und andere Anleger beziehen in ihren Investitionsentscheidungen zunehmend ein, wie nachhaltig Unternehmen handeln.
Nachhaltiges Lieferkettenmanagement bedeutet den gesamten Lebensweg eines Produkts in den Blick zu nehmen: rückwärts von der Gewinnung der Roh- und Ausgangsstoffe über Produktion und Verkauf bis zur Nutzung und Entsorgung eines Produkts. Zahlreiche Unternehmen agieren entlang dieser Lieferkette, teilweise über Staaten oder Kontinente hinweg. In Lieferketten sind Haftungsrisiken komplex und können erhebliche Ausmaße annehmen. Die Einhaltung der Menschenrechte, Unterbindung von Korruption usw. gehören zu den wesentlichen Punkten, die garantiert werden sollen.
2011 legten die Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte fest. Mit dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) schaffte die Bundesregierung 2016 die Grundlage, um diese Leitprinzipien umzusetzen. Sie formuliert darin ihre Erwartung, dass Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht ausüben und Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten achten. Ferner enthält der Aktionsplan Maßnahmen zur staatlichen Schutzpflicht und zum Zugang zur Abhilfe für Betroffene.

Die Implementierung des Prozesses zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt ist grundsätzlich noch nicht gesetzlich verankert, sondern wird im NAP lediglich „erwartet“. Allerdings hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2018 vereinbart, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, wenn die Unternehmen aus ihrer Sicht nicht ausreichend entsprechend des NAP aktiv geworden sind. Dieser Schritt steht nun bevor.

Entwicklungsminister Gerd Müller und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wollen deshalb noch in dieser Legislaturperiode das Gesetz auf den Weg bringen. Dieses wird zurzeit unter dem Begriff „Lieferkettengesetz“ diskutiert. Laut Gesetzentwurf soll die Verpflichtung bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern greifen.
Positionierung der IHK (September 2020):
Die Ziele des Lieferkettengesetzes werden durchaus in der Wirtschaft geteilt, nur der Weg dahin nicht. Die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer befürchtet mit der geplanten Umsetzung vor allem eine Überforderung der Wirtschaft durch hohen bürokratischen Aufwand bei der Kontrolle der umfangreichen Lieferketten und -netze und die damit verbundenen Kosten, sowie die juristische Verantwortungsübernahme für Prozesse, die außerhalb des eigenen Unternehmens geschehen.  

Die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten ist in erster Linie eine politische Aufgabe. Dass mit dem Lieferkettengesetz versucht wird, diese an die Wirtschaft zu delegieren, ist nicht akzeptabel.
Das Gesetz soll zwar nur Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern betreffen. Diese müssen aber, um ihrer Nachweispflicht nachzukommen, entlang ihrer Lieferketten und -netze die entsprechenden Informationen einfordern. Dadurch werden auch KMU praktisch mit einbezogen. Wenn überhaupt, ist eine entsprechende Regelung nur auf EU-Ebene denkbar.

Eine direkte Folge eines solitären deutschen Gesetzes könnte der Rückzug von deutschen Unternehmen aus einigen Ländern sein. So könnte beispielsweise das Afrika-Engagement deutscher Unternehmer leiden. Und je weniger deutsche Firmen in diesen Ländern investieren, umso weniger deutsche Standards können dort implementiert werden.