Schienenverkehr

Bessere Erreichbarkeit des Oldenburger Landes

Voraussichtlich im Sommer 2020 wird der Bundesverkehrsminister einen langfristigen Zielfahrplan für den deutschen Eisenbahnverkehr, den „Fahrplan 2030plus“, vorstellen. Mit diesem Fahrplan soll erstmalig ein Deutschland-Takt realisiert werden mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen im 30- bzw. 60-Minuten-Takt sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen. Ziel ist es, die Schieneninfrastruktur an diesem Fahrplan orientiert passgenau auszubauen und damit die Fahrgastzahlen im Schienenpersonenverkehr zu erhöhen.
Es handelt sich dabei um einen Paradigmenwechsel bei der Planung von Schieneninfrastruktur: Früher wurde erst die Schieneninfrastruktur gebaut und auf dieser Grundlage ein Netzfahrplan erstellt. Heute soll der Bedarf analysiert und dann Schienen-Ausbauprojekte konzipiert und priorisiert werden auf der Basis von Engpässen und eines modernen Taktfahrplans mit besseren, effizienteren und schnelleren Anschlüssen.
Die Länder und ihre Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) sind bei der Erstellung dieses Zukunftsfahrplans beteiligt. Die Städte und Regionen mit besonderen Bedürfnissen müssen sich jetzt beim Bund (für den Fernverkehr) bzw. bei den Aufgabenträgern des SPNV mit besonderen Bedürfnissen melden, wenn diese Berücksichtigung finden sollen.
Auf Empfehlung der Ausschüsse für Tourismus und Verkehr sowie der Regionalbeiräte Wilhelmshaven-Friesland und Oldenburger Münsterland positioniert sich die Vollversammlung der Oldenburgischen IHK zu den besonderen Bedürfnissen des Schienenverkehrs des Oldenburger Landes wie folgt, damit sie in den Zukunftsplanungen Berücksichtigung finden:

Anforderungen aus der Region

Das Oldenburger Land im Land Niedersachsen mit seinen beiden Oberzentren Oldenburg und Wilhelmshaven braucht eine leistungsfähige Schienenverkehrsanbindung sowohl im Fernverkehr als auch im Nahverkehr aus folgenden Gründen:
Oldenburg ist mit 170.000 Einwohnern nach Hannover und Braunschweig die drittgrößte Stadt Niedersachsens. Als Oberzentrum zwischen Weser und Ems ist die Universitätsstadt (Carl von Ossietzky Universität, rd. 14.000 Studierende sowie European Medical School, Jade-Hochschule und Polizeiakademie) administrativer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des nordwestlichen Niedersachsens und als solcher auf angemessene Verkehrsanbindungen angewiesen.
Wilhelmshaven verfügt als Oberzentrum im Oldenburger Land nicht nur über den größten Bundeswehrstandort, sondern auch über Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen und ist zudem Hochschul- und Wissenschaftsstandort.
Die Küstenregion an der Nordsee ist eine der wichtigsten Destinationen des deutschen Tourismus. Ihr großes Zukunftspotential liegt im Trend hin zu nahegelegenen attraktiven Zielregionen. Neben den Gästen selbst brauchen auch die Geschäftsreisenden gute Verkehrsverbindungen in die Region. Hierfür ist eine attraktive Schienenverkehrsverbindung aus der Region nach allen Teilen Deutschlands, insbesondere nach Nordrhein-Westfalen, essenziell.
Das Oldenburger Münsterland (Landkreise Cloppenburg und Vechta) gehört zu den Boom-Regionen im Oldenburger Land. Entlang der Wachstumsachsen A 1 und E 233 hat sich insbesondere über die Ernährungswirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten ein wertschöpfungsintensives Cluster an Produktions- und Dienstleistungsunternehmen mit zahlreichen international tätigen mittelständischen Betrieben entwickelt. Eine bessere Schienenverkehrsverbindung würde dazu beitragen, die positive wirtschaftliche Entwicklung auch für die Zukunft zu sichern.
Tatsächlich jedoch ist das Oldenburger Land und insbesondere die Küstenregion Wilhelmshaven/Friesland im Bahnverkehr, vor allem bei Fernreisen, nur durch mehrfaches Umsteigen zu erreichen. Dies schränkt die Attraktivität des Bahnverkehrs deutlich ein. Zentrales Anliegen zur Verbesserung des Angebotes ist es daher, die Umsteigevorgänge maximal zu reduzieren und mehr langlaufende Verkehrsverbindungen in die Region zu bringen.

A) Anbindung in Richtung Nord-, Süd- und Ostdeutschland

Die Anbindung des Oldenburger Landes in Richtung Nord-, Süd- und Ostdeutschland verläuft derzeit über die Fernverkehrsknoten Bremen (in Richtung Nordrhein-Westfalen und Hamburg) und über den ICE-Knoten Hannover.
ICE Anbindung
Von zentraler Bedeutung für die Region ist die Erhöhung der Anzahl der bestehenden ICE-Anbindungen nach Oldenburg und auch in der Verlängerung nach Wilhelmshaven über die aktuellen Verbindungen in den Tagesrandlagen hinaus als getakteter ICE Fahrplan, mindestens alle 2 Stunden.
Regionalexpress Wilhelmshaven Hannover
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen plant zum Fahrplanwechsel 2024, die RE 1 Linie Hannover – Norddeich in Oldenburg zu flügeln. So entstehen zweistündlich Direktverbindungen von Wilhelmshaven über Friesland, Oldenburg nach Hannover. Dieser Plan muss umgesetzt werden.
Intercity-Anbindung
Wir empfehlen, die Intercity-Linie 56, zurzeit von Leipzig/Berlin nach Emden – Norddeich/Mole, ebenfalls in Oldenburg zu flügeln. Der eine Zugteil würde dann weiter wie bisher nach Emden/Norddeich Mole, der andere neu nach Wilhelmshaven fahren.
Zudem sollte eine IC-Linie von Wilhelmshaven über Oldenburg, Cloppenburg und Osnabrück ins Ruhrgebiet im Deutschlandtakt berücksichtigt werden. Dazu ist die Bahninfrastruktur zwischen Oldenburg und Osnabrück zu elektrifizieren und in weiten Teilen 2-gleisig auszubauen (s. a. Forderungssteil C).
Streckenrelation Oldenburg Hamburg stärken
Um mehr Fernzüge via Oldenburg zu ermöglichen sollten auch die Kapazitäten auf der Relation Oldenburg – Hamburg geprüft werden als wichtige Reiseverbindung im Nordwesten. In diesem Kontext sollte auch eine neue IC-Verbindung ab Flensburg oder Kiel über Hamburg nach Bremen und Oldenburg und weiter nach Leer oder Emden als Endziel untersucht werden. Da die Strecke Bremen – Hannover an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen ist, wäre eine Verbindung von Hamburg aus ggf. leichter für die Deutsche Bahn zu realisieren.

B) Anbindung in Richtung Süd- und Westdeutschland

Die Anbindung des Oldenburger Landes in Richtung Süd- und Westdeutschland verläuft über den Fernverkehrsknoten Osnabrück. Darüber hinaus ist die Küstenregion an die Nord-Süd Intercitylinie 35 über die Busverbindung Norden-Harlesiel angebunden.
Verbesserter Übergang in Osnabrück
Kurzfristig bedarf es in Osnabrück zeitlich besser getakteter Übergänge als derzeit zwischen dem Fernverkehr und der Regionalexpress-Linie über Oldenburg nach Wilhelmshaven.
Flügelung in Sande
Eine Flügelung der Regionalexpresslinie 18 in Sande hätte den Vorteil, dass die Gäste aus Richtung Süden vom Fernverkehr in Osnabrück kommend, direkt nach Wilhelmshaven und bis nach Esens gelangen können.
Höhere Taktung auf der Strecke Oldenburg Leer
Die Verbindung zwischen Oldenburg und Leer sollte im 30-Minuten-Takt bedient werden. Beispielsweise haben viele Pendler, die in Apen oder Augustfehn wohnen, keine gute Anbindung.
Zugmaterial
Die derzeit eingesetzten Fahrzeuge sind für den Fernreiseverkehr nur bedingt geeignet. Hier müssen vielmehr Fahrzeuge eingesetzt werden, die für eine längere Aufenthaltsdauer im Zug ausgelegt sind: Konkret müssen sie u. a. gute Mitnahmemöglichkeiten für Großgepäck und Fahrräder bieten, über WLAN verfügen und auch den Sitzkomfort mit verstellbaren Rückenlehnen angenehm gestalten.
Züge mit Wasserstoff- und Akkuantrieb
Wir gehen davon aus, dass mit der Elektrifizierung der Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven zukünftig auf der Ost-West-Relation nur noch Elektrozüge fahren werden. Auch die Elektrifizierung des Abschnittes Oldenburg – Osnabrück ist zielführend. Bis diese realisiert ist, sollte geprüft werden, ob und inwiefern Wasserstoffzüge einsetzbar sind. Gleiches gilt auch für die Strecke Esens – Sande. Hier wäre zusätzlich der Einsatz von Zügen mit Akkubetrieb zu prüfen.
Sämtliche oben genannten Maßnahmen müssen in das Konzept „Fahrplan 2030plus“ einfließen. Bereits vor näherer Untersuchung ist die Ertüchtigung des Bahnhofes Oldenburg zur Flügelung, die Herstellung ausreichender Bahnsteiglängen sowie der Ausbau des Bahnhofs Sande notwendig.

C) Ausbau der Bahninfrastruktur

Über die oben genannten Maßnahmen hinaus, ist ein Ausbau der Bahninfrastruktur im nordwestlichen Niedersachsen notwendig, um eine durchgehende Attraktivität der Schienenanbindung der Region zu erreichen.
Bahnstrecke Oldenburg Osnabrück
Die Bahnstrecke Oldenburg – Osnabrück ist weitgehend nur eingleisig und auch nicht elektrifiziert. Dies behindert ein besseres Angebot. Insofern besteht hier die Forderung nach einer Elektrifizierung und einem zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke (zumindest teilweise), so dass ausreichend Begegnungsmöglichkeiten (u. a. auf den Teilstrecken Bersenbrück-Bramsche sowie Achmer-Eversburg) für die Züge in einem engeren Fahrplantakt entstehen. Die Strecke ist langfristig auch als Güterzugstrecke nach Süden und Westen notwendig.
Bahnstrecke Oldenburg – Leer – Groningen (Wunderline)
Durch den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Oldenburg und Leer bzw. im weiteren Verlauf bis Groningen könnte eine deutliche Reduzierung der Fahrtzeit für den Schienenpersonenverkehr erreicht werden.
Esens – Sande – Wilhelmshaven
Auch hier wäre es sinnvoll und notwendig, ähnlich wie auf der Bahnstrecke Oldenburg – Osnabrück, mehr Begegnungsstellen zu schaffen (u. a. die vor Jahren abgebauten Begegnungsstellen). Dadurch könnten Verspätungen erheblich besser aufgefangen werden als heute, zudem ergäben sich für die Zukunft neue fahrplantechnische Möglichkeiten (z.B. Taktverdichtung).
Brücken
Um die im Klimaschutzpaket der Bundesregierung angestrebte Verdoppelung des Personen-Bahnverkehrs und die Erhöhung des Schienen-Güterverkehrs zu erreichen, ist ein Ausbau der Schieneninfrastruktur auch im Nordwesten dringend erforderlich. Hierzu zählt auch der Ersatzneubau der Eisenbahnbrücken über die Hunte in Oldenburg und Elsfleth-Orth.
Bahnhof Sande
Im Bahnhof Sande würde ein Mittelbahnsteig deutlich verbesserte Fahrplanmöglichkeiten schaffen. Auch Verspätungen von Zügen könnten durch einen Mittelbahnsteig besser aufgefangen werden. Darüber hinaus wäre eine zusätzliche Weichenverbindung im Gebiet des Bahnhofes Sande ebenfalls hilfreich, um Verspätungen aufzufangen. Dies muss schnell angegangen werden.
Lückenschluss
Sowohl über die westliche Verbindung als auch über die östliche Schienenanbindung sind ein Großteil der eigentlichen Reiseziele im Bahnverkehr von und zu der ostfriesischen Küste nicht zu erreichen. Insofern ist es notwendig, das bestehende Bahnnetz über Norden im westlichen Bereich und über Esens im östlichen Bereich hinaus auszubauen.
Bewertung der Netzkapazität zur Erkennung und Beseitigung von Engpässen
Notwendig ist eine Bewertung der Leistungsfähigkeit der Netzinfrastruktur des Weser-Ems-Gebietes und des Bahnknotenpunkts Bremen. Vor dem Hintergrund der maßgeblichen Rolle, die Bahntransporten bei der Umsetzung der Klimaziele zugedacht ist, müssen die bestehenden Kapazitätsreserven des Netzes ermittelt, potentielle Engpässe beschrieben und deren Beseitigung angegangen werden. Nur so kann das Fahrgastaufkommen auf der Schiene verdoppelt und zusätzlich Gütertransporte auf die Schiene verlagert werden.